Ladendiebe stehlen Ware im Wert von 100 Millionen
Der Puls schnellt nach oben, noch ein nervöser Blick, ein schneller Griff und schon ist der Lippenstift in der Jackentasche verschwunden. Eine derzeit durchaus alltägliche Situation, nutzen doch Ladendiebe wie alle Jahre den vorweihnachtlichen Trubel in Geschäften und Einkaufszentren für besonders ergiebige Beutezüge. „Wir schätzen, dass allein im Dezember Waren im Wert von 63 Millionen Euro gestohlen werden. Die Verlockung ist zu Weihnachten einfach größer“, sagt Roman Seeliger, Leiter der Statistikabteilung bei der Wirtschaftskammer. Hochgerechnet auf das gesamte, schon weit im November beginnende Weihnachtsgeschäft, ist im Einzelhandel ein Schaden von fast 100 Millionen Euro zu beklagen.
90 Prozent Amateure
Rund ein Prozent des Gesamtumsatzes beträgt die „Inventurdifferenz“ – im vergangenen Jahr in Österreich rund 582 Millionen Euro. Knapp 90 Prozent davon entfallen auf Diebstahl. Erstaunlich, dass die professionellen Diebe in der Minderheit sind: „90 Prozent der Ladendiebe sind Amateure, also stehlende Normalkunden“ erklärt Seeliger. Das zieht sich durch alle Altersklassen, Bildungs- sowie Einkommensschichten: „Den typischen Ladendieb erkennt man nicht. Und in den wenigsten Fällen ist finanzielle Not der Grund“, sagt Seeliger.
Dass man sich früh übt, zeigt eine Studie der Kepler-Universität Linz: Bei Befragung von 2911 Schülern gaben 18 Prozent der 13- bis 15-Jährigen an, zumindest ein Mal gestohlen zu haben. 94 Prozent von ihnen hatten ein schlechtes Gewissen.
Objekt der Begierde sind in 80 Prozent der Fälle nur 10 bis 15 Prozent der Produkte – kleine, leicht verstaubare Artikel. Ein Viertel aller Beutestücke verschwindet in Jacken- und Manteltaschen. Mit Alufolie ausgekleidete Taschen – um die Diebstahlsicherungen lahmzulegen – oder Kinderwägen sind auch beliebte Verstecke. Mehrere Kleidungsstücke in der Umkleidekabine übereinander anzuziehen ist ein Klassiker.
Gegenstrategien
Zwar gelangen nur rund 85 Prozent der Diebstähle zur Anzeige, doch das „hat sich zuletzt verbessert“, sagt Seeliger. Denn der Handel weiß sich zunehmend zu wehren.
„Ein Restrisiko gibt es immer, aber man kann viel machen“, erklärt Alexander Laskaridis von Securitas. Videoüberwachung oder elektronische Warensicherung gehören dazu, aber oft bringen einfache Tipps Erfolge: „Die Ware liegt oft zu nahe am Ausgang , oder die Kassa steht im Eck und die Verkäuferin kann den Shop nicht gut einsehen“, sagt Laskaridis. Uniformierte, wie die Security Guards in der Wiener Innenstadt, schrecken Diebe ab. Am wichtigsten ist aber das Personal: „Ohne den Helden zu spielen auf den Kunden zugehen“, rät Roman Seeliger.
Ladendiebstahl ist kein Kavaliersdelikt. Es drohen bis zu sechs Monate Haft.
Die Umsatzentwicklung im bisherigen Weihnachtsgeschäft verläuft konstant. „Die bisherigen Umsätze im Einzelhandel in Österreich erreichen das Vorjahresniveau“, zieht Bettina Lorentschitsch, Obfrau der Bundessparte Handel der Wirtschaftskammer Österreich, eine nicht unzufriedene Zwischenbilanz.
Deshalb sind die Branchenvertreter vorsichtig optimistisch, den Gesamtumsatz im Weihnachtsgeschäft, der 2012 bei rund 1,52 Milliarden Euro lag, auch heuer wieder zu erreichen.
Wobei auch die Tage zwischen Weihnachten und Jahresbeginn zum Weihnachtsgeschäft zählen. Rund 20 Prozent der Umsätze werden zwischen 27. Dezember und Silvester erwirtschaftet.
Branchensieger
Drei Branchensieger gibt es bisher: Drogerien/Parfümerien, Papier-/Bucheinzelhandel und Spielwareneinzelhandel. Umsatzrückgänge verzeichneten – ausgehend vom hohen Vorjahresniveau – der Schuh- und Lederwaren-Einzelhandel.
Hohe Zuwächse – allerdings auf einem niedrigen Niveau – gab es mit Plus 14 Prozent beim im Internet-Einzelhandel. Für 2013 prognostizieren Hochrechnungen Weihnachtsumsätze im heimischen Internet-Einzelhandel von rund 80 Millionen Euro, so Handelsforscher Ernst Gittenberger. Damit erzielt der österreichische Internet-Einzelhandel heuer rund fünf Prozent Anteil am gesamten Weihnachtsgeschäft. Mittelfristig wird dieser Anteil steigen.
Kommentare