Wer die Tatverdächtigen wirklich sind

Wer die Tatverdächtigen wirklich sind
Im ersten Halbjahr 2015 wurden 75.000 Inländer und 45.000 Ausländer von der Polizei angezeigt.

Die Wahlkämpfe in Wien und Oberösterreich sorgen für die Neuauflage eines bekannten Themas. Die Ausländerkriminalität würde explodieren und sogenannte Ostbanden die offenen Grenzen für hemmungslose Raubzüge nutzen. Immerhin seien schon zwei Drittel der Strafgefangenen in Österreichs Gefängnissen Ausländer.

Wie es mit der sogenannten Ausländerkriminalität in Österreich wirklich steht, enthüllt nun eine brandaktuelle parlamentarische Anfragebeantwortung des Innenministeriums. Denn die Freiheitlichen wollten zu diesem Thema die Fakten wissen.

Und es sind mit gut 60 Prozent mehrheitlich inländische Staatsbürger, die von der Polizei zwischen Jänner und Juni diverser Straftaten bezichtigt wurden. Warum sitzen dann mehr Ausländer im Gefängnis? Sie werden schneller und öfter in Haft genommen (siehe Bericht unten).

Hotspots

Im Zeitraum Jänner bis Juni 2015 wurden von der Polizei rund 120.000 Tatverdächtige erfasst. Davon sind 75.000 Inländer und knapp 45.000 Ausländer. Die Spitze der Kriminalitäts-Hitliste stellen die Deutschen mit 4.819 Tatverdächtigen.

Die sogenannte Ausländerkriminalität ist nicht gleichmäßig übers Staatsgebiet verteilt. Es gibt einige Hotspots. Wien ist mit 18.587 ausländischen Tatverdächtigen der Spitzenreiter.

Die exponiertesten Bezirke sind Favoriten (1843), Ottakring (1589) und Leopoldstadt (1501). Ein Sonderfall ist die Innere Stadt. Dort werden von Ausländern besonders viele Taschendiebstähle verübt.

Eindeutige Schwerpunkte in Niederösterreich sind die Bezirke Baden (783) und Mödling (572). In ihrem Zentrum liegt das überfüllte Erstaufnahmezentrum Traiskirchen, aber beide Bezirke liegen auch geografisch günstig für Kriminaltouristen aus den Oststaaten. Auch der Bezirk Gänserndorf (301) ist wegen seiner Nähe zur Slowakei überdurchschnittlich betroffen.

Das geografisch exponierte Burgenland ist mit insgesamt 883 angezeigten Ausländern unerwartet unauffällig. Hotspot ist aber der Bezirk Neusiedl am See mit 478 Fällen. Dabei handelt es sich großteils um angezeigte Schlepper im Bereich des Grenzübergangs in Nickelsdorf.

Hotspots in Oberösterreich sind die Landeshauptstadt Linz sowie die Bezirke Wels und Vöcklabruck.

Relativ schwer betroffen laut Zahlen sind alle Bezirke in Tirol und Vorarlberg. Hier weisen aber Kriminalisten darauf hin, dass es sich in beiden Bundesländern hauptsächlich um Kriminalität im Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr handelt – vom Ladendiebstahl über den klassischen Skidiebstahl bis zur schweren Körperverletzung etwa im Zuge einer Wirtshausrauferei.

Nationalitäten

Und wer sind die Verdächtigen? Im ersten Halbjahr führten Deutsche Staatsbürger (4.819 Angezeigte) die Statistik an. Gefolgt von Rumänen (4.638), Serben (4.187), Bosniern (3.134), Türken (3.080), Slowaken (1.657) und Polen (1.512). Aber auch ein paar "Exoten" befinden sich auf der Liste. So sollen drei Isländer straffällig geworden sein.

Unter den 45.000 Verdachtsfällen befinden sich 6546 Asylwerber. Die Statistik führen Afghanen mit 982 Fällen an, gefolgt von Tschetschenen (673), Marokkanern (532), Nigerianern (507). Die Spitze der angelasteten Delikte bilden die fahrlässige Körperverletzung, sowie Diebstahl, räuberischer Diebstahl, Einbruch, Nötigung, Delikte nach dem Suchtmittelgesetz und gefährliche Drohung. Manche waren nur frech. So wurden drei Ausländer angezeigt nach dem Titel "Öffentliche Beleidigung eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers, des Bundesheeres oder einer Behörde".

Wer die Tatverdächtigen wirklich sind

Aktuell sitzen derzeit rund 8000 Strafgefangene in Österreichs Gefängnissen. In vielen Haftanstalten sind etwa zwei Drittel der Einsitzenden Ausländer. Das widerspricht der polizeilichen Statistik.

Heißt das, dass Ausländer in Österreich eher eingesperrt werden als bei Vergleichsfällen Inländer? „Eindeutig ja,“ sagt dazu Universitätsprofessor Alois Birklbauer vom Institut für Strafrechtwissenschaften der Johannes-Kepler-Universität in Linz.

Die Gründe dafür, so Birklbauer, lägen auf der Hand. Zum einen sei es die anzunehmende Fluchtgefahr, derentwegen bei Ausländern rascher U-Haft verhängt werde als bei Inländern. Bei einem Inländer, der hier seinen Lebensmittelpunkt hat und der im Falle der Flucht aus jedem Staat anstandslos ausgeliefert wird, könne man freizügiger vorgehen.

Bei Verurteilungen komme schließlich auch noch die Frage der allgemeinen positiven spezialpräventiven Prognose ins Spiel. Die ist entscheidend für die Verhängung von bedingten Freiheitsstrafen und vorzeitigen Entlassungen. Wenn sich etwa ein Ausländer als „Illegaler“ im Lande aufgehalten habe, würde von den Gerichten die Chance für eine erfolgversprechende Resozialisierung als gering eingeschätzt.

Anzeigestatistiken

Alois Birklbauer warnt aber davor, zu versuchen, aus den Statistiken die tatsächliche Realität herauszulesen. Polizeistatistiken seien reine Anzeigestatistiken. Was dabei letztendlich vor Gericht herauskomme, sei daraus nicht abzuleiten. Außerdem kommen hier auch subjektive Faktoren ins Spiel. Wenn etwa in einer besonders sensibilisierten Region jeder Vorfall von den Bürgern angezeigt werde, heißt das noch lange nicht, dass es dort unsicherer sei als etwa im Nachbarbezirk.

Dass in Österreich überdurchschnittlich viele Ausländer im Gefängnis sitzen, hält auch der Europarat in seinem jährlichen Bericht über den europäischen Strafvollzug fest.

Während europaweit im Jahr 2013 (letzter Stand) durchschnittlich jeder vierte Häftling aus dem Ausland stammte, war es laut Bericht in Österreich jeder zweite. Nur die drei EU-Mitgliedsländer Zypern, Griechenland und Luxemburg hätten einen höheren Ausländeranteil als Österreich.

Der Laderaum des grünen Kastenwagens bot so wenig Platz, dass die Männer dicht aneinandergepresst stehen mussten. 24 Flüchtlinge aus Afghanistan und Pakistan waren eingeschlossen, sieben oder acht Stunden lang. „Gestunken hat es schon“, erinnert sich einer jener beiden Männer, die sich beim Lenken des Fahrzeugs abwechselt haben sollen, am Montag vor Gericht: „Marcel“, der Boss, habe nicht einmal Pinkelpausen erlaubt. Bei Wernberg in Kärnten mussten die Rumänen, 25 und 33 Jahre, aber dann doch anhalten. Am Kastenwagen hatte sich ein Reifen gelockert, der sich auch noch vom Fahrzeug löste. Einer Zivilstreife der Polizei fiel der Wagen mit französischem Kennzeichen auf, die Beamten brachen die Tür auf und befreiten die eingeschlossenen Flüchtlinge. Jeweils 400 Euro hätten sie für den Transport bekommen sollen, behaupten die Angeklagten am Montag vor dem Klagenfurter Richter. Es sei ihre erste Fahrt gewesen. Gestartet worden sei in Ungarn, das Ziel hätte Italien sein sollen.

Sechs Monate bis fünf Jahre Haft sind für Schlepperei möglich, Richter Christian Liebhauser-Karl verhängt jeweils zwei Jahre unbedingt: Es säßen zwar nicht die Köpfe der Organisation vor ihm, doch ohne Fahrer würde die Schlepperei nicht funktionieren. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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