Wie drei Fragen Opfern von häuslicher Gewalt helfen
Wer in den eigenen vier Wänden misshandelt wird, hat oft eine große Hemmschwelle, Außenstehende um Hilfe zu bitten. Am Landeskrankenhaus Innsbruck (LKI) wird seit drei Jahren versucht, Opfern häuslicher Gewalt das Übertreten dieser Schwelle zu erleichtern.
Unabhängig vom Verletzungsmuster oder dem Grund des Besuchs stellt das Pflegepersonal in der Notaufnahme und der Ambulanz der Chirurgie seit April 2019 jedem Patienten drei simple Fragen: Weiß jemand, dass Sie hier sind? Darf jemand nicht wissen, dass Sie hier sind? Gibt es in Ihrer Umgebung jemanden, der Ihnen Unbehagen oder Angst bereitet?
In einer größeren Studie, an der 102 Patienten teilnahmen, hat sich nun gezeigt, dass insbesondere die dritte Frage Personen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, sehr zuverlässig anspricht.
Große Trefferquote
Zwei Drittel der Befragten, die die Frage „Gibt es in Ihrer Umgebung jemanden, der Ihnen Unbehagen oder Angst bereitet“, mit Ja beantworteten, hatten in den vergangenen zwei Jahren Erfahrungen mit häuslicher Gewalt gemacht.
„Das ist insofern bedeutend, als dass es zeigt, dass Personen, die auf diese Fragen mit Ja antworten, eine um 30-mal höhere Wahrscheinlichkeit haben, dass sie häusliche Gewalt erlebt haben“, so Thomas Beck, Leiter der Opferschutzgruppe am LKI und Psychologe an der Innsbrucker Universitätsklinik für Psychiatrie II. „Dieses Ergebnis ist von einer Deutlichkeit, die wir so gar nicht erwartet haben“, sagt er.
Personal fragt häufiger
Gesenkt wird durch die Einführung der Fragen nicht nur die Hemmschwelle bei den Gewaltopfern, sondern auch beim Krankenhauspersonal. Denn eine Studie aus den Jahren 2015/16 hat gezeigt, dass nur fünf aller Patienten auf häusliche Gewalt angesprochen wurden. Seit der Einführung der Fragen stieg diese Zahl auf fast 96 Prozent.
Das zeige, wie gut die drei Fragen als Werkzeug helfen, das sensible Thema anzusprechen, hieß es am Donnerstag in einer Aussendung der Tirol Kliniken. Fast 93 Prozent der Gewaltbetroffenen hätten die Frage angemessen gefunden und es begrüßt, angesprochen zu werden.
Kinderklinik zieht nach
Nun werden die Screening-Fragen auch an der Notfallambulanz der Kinderklinik eingeführt. Angesprochen werden Kinder, die ohne elterliche Begleitung kommen und Jugendliche ab 14 Jahren.
Der Hintergrund: Laut Klaus Kapelari, Leitender Oberarzt an der Innsbrucker Uni-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde und Leiter der Kinderschutzgruppe am LKI, werden Kinder und Jugendlichen oft im Schatten der häuslichen Gewalt vergessen.
Aber alleine die Zeugenschaft von Gewalt daheim, sei eine Belastung, die viele psychische und körperliche Folgen haben kann. Je älter die Kinder werden umso mehr geraten sie zwischen die Fronten und werden selbst Opfer von Misshandlungen.
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