Klimaschutz im Dorf: Große Leistung der kleinen Gemeinden
Wie soll das eigentlich aussehen, wie soll es sich anfühlen, wie wird es sich bemerkbar machen, dieses klimafreundliche Leben? Wir werden besser früher als später kein Öl, kein Erdgas und auch sonst keine fossilen Brennstoffe mehr verwenden, so viel ist sicher, denn genau darum geht es beim Klimaschutz.
Also wird unsere Zukunft etwas verschwitzter, weil doch Radfahren und Gehen wichtiger werden? Etwas kühler im Winter mit mehr Pullis und heißer im Sommer? Und geht es da letztendlich doch auch um Verzicht?
Diese Antworten geben immer mehr kleine Gemeinden. Denn auch dort hat die Energiewende längst begonnen. Durchgeführt wird sie von engagierten Bürgerinnen und Bürgern vor Ort, von den Gemeinderäten und den Ortschefs.
„Der Weg zur Klimaneutralität führt durch unsere Städte und Regionen“, befand EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen anlässlich der Preisverleihung des European Energy Award. Dieser basiert auf dem schweizerischen Programm „Energiestadt“, dem österreichischen e5-Programm für energieeffiziente Gemeinden und dem deutschen Aktionsprogramm 2000 plus. Es ist ein europäisches Gütezertifikat für die Nachhaltigkeit der Energie- und Klimaschutzpolitik von Gemeinden.
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Aber wie sieht das ganz konkret bei uns aus?
Beim European Energy Award geht es im Grunde um ein Gütezertifikat für die Nachhaltigkeit der Energie- und Klimaschutzpolitik von Gemeinden. 2003 wurden diverse Initiativen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich in einem Programm harmonisiert. Jede Kommune muss dabei besonders erfolgreiche Leistungen im Klimaschutz nachweisen, das Ergebnis wird durch einen Auditor bestätigt, bevor mit dem European Energy Award ausgezeichnet werden kann. Die höchste Stufe ist der European Energy Award-Gold, 33 heimische Gemeinden wurden damit bereits ausgezeichnet.
Lob kommt da von der Klimaministerin Leonore Gewessler: „Die e5-Gemeinden spielen beim Klimaschutz eine wichtige Rolle – weil sie die Energiewende direkt zu den Menschen bringen. Es ist wirklich beeindruckend, wie viele ambitionierte Projekte dort umgesetzt werden und mit wie viel Engagement die Menschen gemeinsam am nächsten ‚e‘ arbeiten. Das ist unerlässlich – denn die Klimaziele erreichen wir nur, wenn wir alle gemeinsam anpacken. Damit wir die e5-Gemeinden noch besser unterstützen, gibt es nun auch einen Experten-Pool im Klimaschutzministerium, wo die Gemeinden ganz unkompliziert Unterstützung bekommen.“
Für Helmut Strasser, Vereinsobmann von e5, liegt ein Schlüssel in der Kommunikation, durch Veranstaltungen oder regelmäßige Infos in den Gemeindezeitungen. „Am einfachsten sind Maßnahmen wie die Umstellung der Beleuchtung auf LED oder die Gemeinde als Vorbild beim Bauen und Sanieren auf Passivhausstandard.“ Und im besten Fall schauen sich dann Nachbargemeinden die besten Maßnahmen ab.
Hoch oben im Alpendorf
Vorhang auf für Virgen in Osttirol (das man freilich mit einem F, nicht mit einem W ausspricht)! Die Gemeinde liegt knapp über 1.100 Meter Höhe mit rund 2.200 Einwohnern. Bergdörfer hoch oben in den Alpen müssten es doch besonders schwer haben bei der Klimawende, oder?
Eben nicht. Virgen ist seit Jahren ganz an der Spitze der klimafittesten Gemeinden, zeigt das Ranking der energieeffizienten „e5-Gemeinden“ (siehe Kasten). Seit 1998 gibt es dieses Programm, das Gemeinden konkrete und langfristige Begleitung im Bereich Klimaschutz und Energieeffizienz anbietet. „Wir hatten damals Gemeinden immer nur zu einzelnen Projekten beraten, eine Sanierung des Schulgebäudes oder ein neues Konzept für die Straßenbeleuchtung“, erzählt Helmut Strasser, der aktuelle Obmann des e5-Vereins. „Und wir wussten dann nie, ob das auch umgesetzt wurde. Deshalb haben wir beschlossen, davon wegzukommen, und seither kümmern wir uns um Gemeinden, die längerfristig mit uns arbeiten wollen.“
Kurzum: Das e5-Programm unterstützt Gemeinden bei einem strukturierten und nachhaltigen Klimaschutz innerhalb ihrer Möglichkeiten. Teilnehmende Gemeinden erhalten Infomaterial, Hilfsmittel und Unterstützung, um ihre Energie- und Klimaschutzziele festzulegen und zu erreichen.
Sechs Handlungsfelder
Konkret geht es um sechs Themenkomplexe, in denen die Gemeinde aktiv werden kann – mit insgesamt 62 Maßnahmen. Da geht es zum Beispiel um Entwicklungsplanung und Raumordnung, um Energieeffizienz-Maßnahmen, die die Gemeinde bei ihren eigenen Einrichtungen und Betrieben (Schule, Verwaltungsgebäude, Kindergarten, Wasserwerk, Bauhof etc.) setzen kann. Weiters um Entscheidungen, die die Gemeinde in den Bereichen Energieversorgung (Nahwärmenetz, Trinkwasserkraftwerk, Ökostrom etc.), Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung für das gesamte Gemeindegebiet treffen kann; dann noch um das große Thema Mobilität und nicht zuletzt um die Frage, wie man das den Gemeindebürgern am besten kommunizieren kann. „Widerstand gibt es eigentlich nicht, aber viele Fragen“, sagt Dietmar Ruggenthaler, der seit bald 32 Jahren als Bürgermeister von Virgen die treibende Kraft der Klima- und Energiewende ist.
„Die Kommunikation mit der Bevölkerung hatte seit 1992 immer einen sehr großen Stellenwert. Die Menschen im Dorf müssen verstehen, was wir tun, sonst hat man sie nicht mit im Boot. Egal welches Projekt, die Leute sollen immer dahinterstehen und als Partner dabei sein können.“ In Virgen begann alles mit einer seit 1992 auf dem „Schlossnerbichl“ errichteten Klimastation, in der laufend alle meteorologischen Daten gemessen und aufgezeichnet wurden. „Da ging es darum, unsere Situation zu verstehen. Virgen hat zum Beispiel viele Sonnenstunden.“ Also nütze man Solarenergie, die Wasserkraft mit drei Kleinwasserkraftwerken und eine Biogasanlage. Es folgte die Umstellung auf PV-Straßenbeleuchtung, dann kam eine Biomasse-Nahwärme für Gemeindegebäude und schon vor zehn Jahren Hilfe für Wärmepumpen- und PV-Förderung.
Bürgermeister Ruggenthaler sieht aber auch vieles kritisch, etwa weil beim Klimathema zu viel Angst- und Panikmache betrieben wird. „Und wir wissen doch alle, dass das nie ein guter Ratgeber ist. Denn die Bereitschaft, etwas zu tun, kann dann auch schnell ins Gegenteil umschlagen.“
Ganz andere Voraussetzungen hat Großschönau im nordwestlichen Niederösterreich. Die Region ist eine Wasserscheide, Wasserkraft fällt also weg. Dennoch, erzählt Bürgermeister Martin Bruckner, engagiert sich die Gemeinde seit mehr als 30 Jahren in den Themen Energie, Klima und Zukunftsvorsorge. Als erste Gemeinde in Niederösterreich wurde sie 2023 mit der höchsten Auszeichnung des e5-Programms, dem „European Energy Award Gold“, ausgezeichnet.
Energieeffizienz
Diese Gemeinden haben mindestens 75 Prozent der möglichen Maßnahmen zur Energieeffizienz und damit die höchste Auszeichnungsstufe im e5-Programm erreicht. Oberösterreich und Wien nehmen nicht teil
Ranking Top 15
1. Virgen (Tirol)
2. Großschönau (NÖ)
3. Wolfurt (Vorarlberg)
4. Mäder (Vorarlberg)
5. Eisenkappel-Vellach (K)
6. Grödig (S)
7. Kötschach-Mauthen (K)
8. Villach (K)
9. Weiz (St)
10. Feldkirch (V)
11. St. Johann/Pongau (S)
12. Weißbach/Lofer (S)
13. Hittisau (V)
14. Wörgl (T)
15. Langenegg (V)
Meilensteine des Ortes waren und sind die jährlich abgehaltene „Bio- und Energiemesse“, seit 1994 die Bionahwärme für alle öffentlichen Gebäude, seit 2001 das mit dem Verein Sonnenplatz erbaute erste Feriendorf im Passivhausstandard. Samt viel Infoveranstaltungen und Kommunikation mit den Bürgern.
Und in welche Richtung wird es weitergehen? „Unser Ziel seit dem Start ist, dass wir bis zum Jahr 2030 bilanziell übers Jahr klimaneutral sind bei den großen Themen Energie, Wärme, Mobilität.“
Mehr dazu finden Sie unter www.e5-gemeinden.at
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