Klimanotstand: PR-Trick oder echter Klimaschutz?
Klimanotstand ist nicht gleich Klimanotstand.
Mitten in Wien, im Bezirk Alsergrund, wurde er ausgerufen, in Landgemeinden, in Städten und in ganz Vorarlberg. Aber was heißt das eigentlich? Haben die Beschlüsse der Politiker Folgen?
Beim Klimanotstand handelt es sich in erster Linie um ein Lippenbekenntnis. Gemeinde-, Bezirksräte und Landtage zeigen, dass sie Maßnahmen setzen wollen, damit sich die Erde nicht um mehr als 1,5 Grad Celsius erwärmt.
Ob sie Maßnahmen umsetzen, ist hingegen nicht so klar. Denn rechtliche Verpflichtungen werden mit dem Beschluss zum Klimanotstand keine eingegangen. Somit müssen auch keine konkreten Ziele erfüllt werden.
Die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb fordert daher Taten: „Im Grunde sollte mit dem Notstand eine Liste von Maßnahmen kommen. Den Klimanotstand ohne Selbstverpflichtungen auszurufen, ist wertlos.“ Dass Regionen ambitionierte Umweltschutzziele setzen, sei begrüßenswert.
Projekte
Auf die kleinste Ebene heruntergebrochen, kann Klimanotstand bedeuten, den Wald „klimafit“ zu machen und ihn gegen den Borkenkäfer zu rüsten. So wie derzeit in der steirischen Gemeinde Michaelerberg-Pruggern. Für die Stadt Traiskirchen (NÖ) heißt der Notstand, in den nächsten Jahren 20 Millionen Euro in klimafreundliche Projekte etwa in den Bereichen Verkehr und Energie zu investieren. Der Bezirk Alsergrund wird auf Radwege, Bäume, Trinkbrunnen und Fassadenbegrünung setzen. Das Land Vorarlberg will künftig Gesetze, Verordnungen und Förderungen auf Klimatauglichkeit prüfen.
Für die Aktivisten der Klimainitiative „Fridays for Future“ ist die Ausrufung des Klimanotstands eine ihrer Kernforderungen. Sie hoffen jetzt, dass es nicht bei reiner Symbolpolitik bleibt: „Wir streiken schon ein halbes Jahr, aber bis jetzt hat keine Partei konkrete Maßnahmen gesetzt“, sagt Mitinitiatorin Agnes Pürstinger. Jeder Tag der Untätigkeit sei einer zu viel.
London und Paris
Weltweit gesehen ist Österreich bei der Ausrufung des Klimanotstands ein Nachzügler. Buschfeuer, Dürreperioden und das Riffsterben am Great Barrier Reef bewegten die australische Stadt Darebin bereits im Jahr 2017 zu diesem symbolischen Akt. In Deutschland haben sich zwölf Städte dazu entschlossen, den Klimanotstand auszurufen. Schweizer und italienische Städte folgten. In Kanada sind es bereits 384 Gemeinden. Und seit Kurzem machen auch die Metropolen London und Paris mit.
Kritiker sehen hinter dem Wort Klimanotstand in erster Linie einen PR-Trick, da keines der gesetzten Ziele verbindlich ist.
Kromp-Kolb ist anderer Meinung: „Wenn ein Bürgermeister den Klimanotstand ausruft und sich dann nicht daran hält, hat er Erklärungsbedarf.“ Zudem sehe man im aktuellen Wahlkampf, dass die Parteien versuchen, das Thema zu besetzen. „Die werden dann auch konkrete Ziele und Ideen präsentieren müssen.“ Sie nimmt an, dass damit Bewusstsein in der Öffentlichkeit geschaffen werde: „Es geht um jedes Jahr, um jeden Grad und darum, was jeder einzelne von uns macht.“
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