Klagenfurt: Todesangst bei Amoklauf-Übung

Klagenfurt: Todesangst bei Amoklauf-Übung
Bedienstete im Bezirksgericht in Klagenfurt verabschiedeten sich in Panik schon am Telefon von ihren Familien.

Es war sehr heftig", gestand Martina Löbel, Sprecherin des Bezirksgerichts Klagenfurt, am Mittwoch gegenüber dem KURIER ein. Auch Gerichtsvorsteher Werner Radl gab zu: "Das haben wir so nicht abschätzen können."

Was war passiert? Man hatte eine Übung zur Überprüfung der Sicherheitsvorkehrungen im Gebäude bei einem Amoklauf durchgeführt – und niemanden darüber informiert. Ergebnis: Die Bediensteten mussten knapp eine Stunde lang Todesängste ausstehen.

"Ich hab’ Schüsse gehört und habe mich sofort auf den Boden geworfen", erzählt eine 24-jährige Gerichtsmitarbeiterin. Auch drei Frauen im zweiten Stock des Gebäudes versteckten sich unter den Schreibtischen und riefen in totaler Panik ihre Familien an. Ein Mann meldete sich beim ORF Kärnten : "Meine Frau hat angerufen, dass im Gerichtsgebäude Schüsse fallen und sie sich im Zimmer eingesperrt hat. Sie hat sich von mir verabschiedet und gesagt, ich soll gut auf die Kinder aufpassen."

Überall lagen Menschen

Die "Szenen eines Amoklaufs" spielten sich im ersten Stock ab, das Gebäude selbst war von der Polizei umstellt, auch Diensthunde waren im Einsatz. Auf dem Gang lagen leblos wirkende Menschen, eine Frau hatte einen Kopfschuss erlitten. Dass es sich dabei um eine "realitätsnah geschminkte" Polizeibeamtin handelte, wusste niemand.

Nach 45 Minuten wurde die Übung beendet. Gleich im Anschluss gab es eine Nachbesprechung mit einem psychologisch geschulten Polizeibeamten, sagt Löbel: "Es gibt auch eine psychologische Nachbetreuung." Denn der Schock sitzt tief: Laut Löbel gab es zwar Lautsprecherdurchsagen, die aber in den Zimmern teilweise nicht zu hören waren, und: "Die Mitarbeiter wussten nicht, wo sie sich in dem Glasbau verstecken können."

Die Übung hatte das Bezirksgericht in Auftrag gegeben, bestätigt Löbel: "Davon wussten nur der Sicherheitsdienst und Gerichtsvorsteher Werner Radl." Dieser meint lediglich: "Die Übung hat zu lange gedauert."

Laut Löbel wollte man die Mitarbeiter nicht vorwarnen, weil sonst niemand die Übung ernst genommen hätte: "Und wir haben die Mittagszeit gewählt, wo es keinen Parteienverkehr gab." Aber 40 Bedienstete waren vor Ort ...

Informieren

Polizeisprecher Rainer Dionisio: "Wir können dazu nichts sagen, Übungsleiter war das Bezirksgericht." Offenbar habe es ein Kommunikationsproblem gegeben: "Bei Brandschutzübungen werden die Menschen im Gebäude ja auch darauf hingewiesen, dass im Laufe des Tages ein Alarm stattfindet."

Laut Dagmar Albegger vom Justizministerium wurde die Übung "ohne Einbindung der Justiz" durchgeführt. Für künftige Vorhaben dieser Art wird an das Innenministerium verwiesen.

Als "nicht sehr günstig" bezeichnet Wolfgang Straub, Bezirkshauptmann von Wien-Umgebung, die überraschende Übung in Kärnten. In seinem Amtshaus in Klosterneuburg gab es im Vorjahr einen echten Amoklauf, zwei Menschen starben. Straub meint, viele Beamte seien seither sensibilisiert und verängstigt: "Solche Übungen müssten angekündigt werden."

 

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