Kitzbühel baut dem Ski-Spektakel die Bühne

Ein Mann hantiert auf einer Tribüne mit Stühlen vor einer Bergkulisse.
Die Hahnenkamm-Rennen sind ein Event, das die Kitzbüheler trotz einiger negativer Aspekte verbindet

Alois Vötter hat die Ski bereits abgeschnallt, als wir ihn bei der Talstation der Hahnenkamm-Bahn treffen. Zumindest für heute. „Ich gehe jeden Tag Ski fahren“, erzählt das Kitzbüheler Original. Seine Pistenaktivität ist nicht nur beachtlich, weil es um das Augenlicht des „Stoa Luis“ mittlerweile eher bescheiden bestellt ist, sondern vor allem, weil er stolze 94 Jahre alt ist.Auf den Bergen hinter sich hat Vötter Spuren hinterlassen. 35 Jahre war er bei den Kitzbüheler Bergbahnen im Dienst und mit am Werk, als Lifte, Pisten und Wege gebaut wurden. Und wenn sich die Elite der Skiabfahrer am kommenden Samstag wieder über die Streif stürzt, darf sie auch dem 94-Jährigen dankbar sein, dass die legendäre Strecke nicht mehr so eng ist, wie sie einmal war.

Ein älterer Mann mit Bart steht vor dem Hahnenkamm Bad in Kitzbühel.

Alois Vötter vulgo „Stoa Luis“

„Da waren überall Felsen und Wald. Heute grasen da Kühe auf Almwiesen“, erzählt Vötter lachend, wie er das Bild der Streif als Sprengmeister der Bergbahnen in den 1950er-Jahren ein Stück weit mitgeprägt hat. In den Jahrzehnten danach sind die heuer zum 80. Mal stattfindenden Hahnenkamm-Rennen zu jenem Spektakel geworden, als das sie heute berühmt sind.

Die Entwicklung, die Kitzbühel genommen hat, findet der „Stoa Luis“ gut. „Wir haben hier keine Industrie. Alles lebt vom Fremdenverkehr“, sagt er und klammert dabei einen negativen Aspekt der Bekanntheit seiner Stadt nicht aus: „Es gibt ein bisschen zu viele Zweitwohnsitzer. Die gehören stärker abkassiert“, sagt Vötter und lächelt verschmitzt. Die Immobilien-Preise in Kitzbühel sind längst in abartige Höhen gestiegen, angetrieben von Reichen, die unbedingt ein Domizil in der Gamsstadt besitzen wollen.

Geheimnis des Erfolgs

Darüber schütteln viele Kitzbüheler nur noch verärgert den Kopf. Doch am Mythos Hahnenkamm-Rennen kratzt kaum jemand. „Dass die Einheimischen zu 100 Prozent dahinter stehen, macht es so besonders. Nur so kann es funktionieren, wenn in so einer relativ kleinen Stadt an einem Tag bis zu 50.000 Zuschauer kommen“, sagt Jan Überall, Generalsekretär des Kitzbüheler Skiclubs (KSC), der die Veranstaltung organisiert.Überall sitzt während des Gesprächs relativ entspannt auf einem Geländer beim Starthaus der Streif, die eisblanke Strecke im Rücken. Die Pistenarbeiter haben an diesem Donnerstag freibekommen. Nur oberhalb der Mausefalle queren gerade Pioniere des Bundesheeres aus Salzburg die Streif: Steigeisentraining in steilstem Gelände.

Ein Mann mit Skibrille und Winterkleidung posiert vor einer verschneiten Berglandschaft.

„Die Strecke ist in ausgezeichnetem Zustand und eigentlich rennfertig“, erklärt Überall den Pausentag, der für ihn keiner ist. Die Hahnenkamm-Rennen sind für den 31-Jährigen ein Ganzjahresjob. Das Organisationskomitee ist seit 7. Jänner im Einsatz. Damit der Berg zur großen Skiarena wird, feuern die Bergbahnen seit November in jeder möglichen Minute aus allen Rohren Kunstschnee in die Landschaft. Rund um das Event arbeiten etwa 350 Einheimische aus Kitzbühel und Umgebung an dieser alpinen Bühne.

„Das Hahnenkamm-Rennen ist schon ein Bindeglied“, sagt Überall, zur Bedeutung des Events für das soziale Gefüge der Stadt mit ihren 8.200 Einwohnern befragt. „Die Bevölkerung ist stolz darauf“, sagt auch Alexander Russegger. Der in Wien aufgewachsene Salzburger lebt seit 1971 in Kitzbühel und hat vor seiner Pensionierung ein Vierteljahrhundert als Lokaljournalist über die Stadt berichtet.

Ein älterer Mann sitzt auf einem Balkon mit Blick auf eine Berglandschaft.

Alexander Russegger

Der 75-Jährige kennt auch die Grenzen der Euphorie bei den Einheimischen. „Viele bleiben an diesem Wochenende daheim und schauen sich die Rennen lieber im Fernsehen an. Entweder, weil sie es einfach schon kennen, oder, weil sie den Wirbel nicht mögen.“ In der Woche vor dem Massenansturm der Ski-Fans – bis zu 100.000 kommen an einem Wochenende – sind die Kitzbüheler aber noch unter sich. Die Zahl der Touristen, die im sogenannten Jännerloch durch die schmucke Altstadt flanieren, ist überschaubar.

Dafür, dass ab dem heutigen Sonntag hier eine Partyzone entsteht, ist Ulli Dorner von der Eventfirma Rass & Dorner verantwortlich. „Die Fanmeile ist ein schwieriges Kapitel“, weiß er aus langjähriger Erfahrung: „Einerseits sollen wir Party machen, andererseits müssen wir die Sicherheit garantieren.“

Ein Mann mit Mütze und Sonnenbrille lehnt an einem Stapel Steine vor Holzhütten.

Lehre aus Exzessen

Es gilt aber auch, das Ganze für die Bevölkerung erträglich zu gestalten. Rund um die Jahrtausendwende gab es regelrechte Exzesse, die für die Kitzbüheler etwa mit unliebsamen menschlichen Hinterlassenschaften in Hauseingängen endeten.

Aufgabe von Dorner ist es, die Massen in Bahnen zu lenken. „Wir haben ein einheitliches Musiksystem im Areal. So können wir die Leute und die Stimmung steuern, indem wir etwa die Lautstärke rausnehmen“, erklärt er. Eine weitere Lehre aus der Vergangenheit: keine harten Getränke an den 42 Ständen und Sperrstunde um 22 Uhr.

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