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Kampf ums Kind bis zur Beugehaft
OGH-Urteil: Elternteil kann bei Gericht Strafe für Ex-Partner beantragen, wenn der das Besuchsrecht vereitelt.
"Wie oft", fragt der Wiener Rechtsanwalt Johann Etienne Korab in einem Antrag an das Bezirksgericht, "muss sich ein Elternteil den Entzug eines Kontaktrechts gefallen lassen, damit dem rechtsbrechenden Elternteil vom Gericht die Grenzen aufgezeigt werden?"
Die Antwort bekam er jetzt vom Obersten Gerichtshof – und sie betrifft nicht nur ihn: Elternteile, denen bei der Ausübung der vereinbarten Besuchsregelung vom Ex-Partner Steine in den Weg gelegt werden, haben das Recht, die Verhängung von Beugestrafen zu beantragen.

Allerdings kann der Vater mit dieser Verfügung gar nichts anfangen. Die Mutter weigert sich nämlich beharrlich, ihm den Namen des Kindergartens zu nennen. Der Vater kann Stefan also gar nicht von dort abholen und sein Kontaktrecht daher auch nicht ausüben.
Seit einem halben Jahr hält die Mutter ihren Ex-Ehemann mit Ausreden – wie er das empfindet – hin: Ein Mal ist angeblich der Sohn krank, ein anderes Mal sie selbst.
Neuester vorgeschobener Grund – aus der Sicht des Vaters – für die Aussetzung des Besuchsrechts: Er hatte im Zuge des Scheidungsverfahrens auf ihre Ansprüche mit der Gegenforderung nach Schmerzensgeld reagiert, weil ihm der Entzug seines Sohnes seelisches Leid zufügen würde. Sie konstruierte daraus umgehend eine krankhafte psychische Störung des Vaters, die zur Sorge Anlass gäbe, er könne Stefan während des Besuchs nicht ordentlich betreuen.
Schließlich reichte es dem Mann, und er stellte den Antrag, über seine Ex-Frau Beugehaft oder zumindest eine Beugestrafe von 5000 Euro zu verhängen.
Das ist nicht aus der Luft gegriffen. In Kärnten wurde eine Mutter zu 50 Euro Beugestrafe für jeden der 44 Tage verdonnert, an denen sie verhindert hatte, dass ihre Tochter über Skype mit ihrem in einer anderen Stadt lebenden Vater telefonieren konnte. Die Richterin wollte mit den 2200 Euro Gesamtstrafe ein "deutlich spürbares" Zeichen setzen.
Antrag zurückgewiesen
Zurück zum Wiener Fall und zum dreijährigen Stefan: Die Richterin wies den Antrag des Vaters, die Mutter abzustrafen, zurück. Wünschen könne er sich viel, aber Beugestrafen seien höchstens von Amts wegen auszusprechen – oder eben nicht.

"Sonst muss die Kindesmutter ja das Gefühl haben, dass sie ihre Vereitelungsmaßnahmen sanktionslos weiterhin setzen kann", sagt Anwalt Korab mit dem Urteil in der Tasche. "Ob der Vater deswegen das Kind jetzt sieht, ist allerdings fraglich", wirft die Obfrau der Fachgruppe Familienrichter in der Standesvertretung, Doris Täubel-Weinreich, ein.
Was aber wirkt dann, wenn nicht Beugestrafen? "Man muss versuchen, beim Partner eine andere Sichtweise zu bewirken", sagt die Richterin und verweist auf die Eltern- und Erziehungsberatung. Das Gericht kann das anordnen. Die Eltern sollten gemeinsam hingehen, damit sich nicht ein Partner allein besser darstellen kann, sondern die Interessen und Sorgen beider angesprochen werden.
Die Kosten (70 bis 120 Euro pro Stunde) müssen sich die Eltern teilen, und damit ist der nächste Streitpunkt vorprogrammiert.
Täubel-Weinreich fordert seit Jahren, dass die Elternberatung gefördert wird: "Es ist ein Skandal, der Staat fördert so viel anderes, und hier wird das Kind geschädigt." Sie selbst ordnet die Beratung nur an, "wenn die Eltern das auch bezahlen können."
Beratung
Seit 1. April gibt es eine vom Familienministerium nach durchgeführten Hearings auf Grund von festgelegten Qualitätsstandards erstellte Liste geeigneter Eltern- und Erziehungsberater (www.trennungundscheidung.at). Eine von ihnen ist Ursula Novak: „Die Androhung einer Beugestrafe in der Tasche zu haben, kann schon Sinn machen, wenn einem der Kontakt verwehrt wird“, sagt sie im Gespräch mit dem KURIER: „Das ist nicht angenehm, wenn zum Beispiel der Vater immer zittern muss: Wird das etwas mit dem Besuch oder nicht?“
Allerdings ändere die Beugestrafe allein noch nichts an der gesamten Stresssituation: „Bei der Beratung muss man auf Vater und Mutter einwirken, auf eine Elternebene zu kommen, auch wenn man als Paar getrennt ist“, sagt Novak: „In der Praxis höre ich oft von einem: ,Aber mit der oder mit dem kann man ja nicht reden.’ Man muss sich nicht gegenseitig nach dem Mund reden, aber man muss eine gemeinsame Lösung für das Kind finden.“
Mit dem Streit helfe man dem Kind nicht, ganz im Gegenteil, man belaste es zusätzlich. Die Beraterin bespricht in vielen Fällen nicht nur die Vorstellungen der Eltern, sondern fragt auch die Wünsche der Kinder ab. „Und die wollen weiterhin beide lieb haben, Papa und Mama“, sagt Ursula Novak.
Ausbaden müssen es die Kinder
Mehr als 12.000 minderjährige Kinder (die Hälfte davon im Kindergartenalter) sind pro Jahr von einer Scheidung betroffen, die Trennungen von Partnerschaften noch gar nicht mitgerechnet. Und fast genau so oft wird darum gestritten, wann ein Kind zu welchen Zeiten bei wem sein darf bzw. muss. Die Justiz gibt Vätern und Müttern das Instrument in die Hand, dem jeweils anderen eine Beugestrafe einzubrocken, wenn er oder sie die vereinbarte Besuchsregelung sabotiert. Das ist in manchen Fällen wahrscheinlich ein notwendiges Druckmittel, um das einmal vor Gericht ausgefochtene Besuchsrecht auch praktisch durchzusetzen.
Aber ausbaden muss es wieder das Kind, wenn Mama oder Papa aus der Haushaltskasse Strafe zahlen oder gar ins Gefängnis müssen. Die Alternative? Das Ego zurückschrauben und professionelle Elternberatung einholen. Und damit sich Papa und Mama nicht schon wieder streiten, diesmal um die Kosten, sollte es dafür eine staatliche Förderung geben. So viel sollten uns die Kinder schon wert sein.
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