Junge Raucherin: "Ich möchte tschicken, wo und wann ich will"
Schon seit vielen Jahren ist der Wiener Schwedenplatz mit seinem „Bermuda Dreieck“ eine fixe Partylocation für viele Jugendliche. Bars, Tanzcafés, Billardlokale, Pubs. Vor jeder Lokalität ist ein Schild mit der in fett gehaltenen Aufschrift „Happy Hour“ angebracht. Um 21 Uhr torkeln schon viele betrunken umher: Mädchen bei Minusgraden im bauchfreien Top und zehn Zentimeter hohen Highheels, in denen sie kaum gehen können. Die Burschen lallend, brüllend, nachpfeifend.
Im „Steh Achterl“, geht es noch recht ruhig zu. Der Kellner betont, dass es sich offiziell um ein Nichtraucherlokal handelt. Dennoch wird hier geraucht. An der Bar sitzen zwei junge Frauen, beide 22 Jahre alt. Anna und Bettina. Anna ist seit elf Tagen stolze Nichtraucherin, wie sie sagt. Ihre Freundin sitzt neben ihr und zieht genüsslich an ihrer Zigarette. „Ich rauche seit ich 13 bin. Jeder soll machen, was er will und ich möchte halt tschicken wo und wann ich will“, sagt Bettina laut lachend.
Die eine spricht sich klar für ein generelles Rauchverbot aus, der anderen ist es mehr oder weniger egal. Ihre Freundschaft belastet das Thema keineswegs, ganz im Gegenteil. Als sie darüber diskutieren, lachen sie viel und nehmen sich gegenseitig auf den Arm.
Zwei junge Männer, beide 18 Jahre alt, stehen weiter vorne im Lokal und trinken Bier. Einer raucht, der andere nicht. Auch sie sind nicht besonders angetan von der politischen Debatte um das Nichtrauchen in der Gastronomie und zeigen sich eher gleichgültig. „Wenn alle draußen stehen und rauchen, ist ja keiner mehr drinnen“, scherzt einer der beiden.
„Darauf waren wir nicht vorbereitet“
Martina Löwe war fassungslos an diesem Tag im Dezember. An jenem Tag, als publik wurde, dass das Vorhaben des kompletten Rauchverbots in der heimischen Gastronomie von der Regierung tatsächlich revidiert werden könnte. „Dass man so einen Rückschritt macht, auf das war keiner hier vorbereitet.“ Löwe ist Geschäftsführerin der Österreichischen Krebshilfe. Aktuell sind die Don’t Smoke Initiative und einhergehend das zugehörige Volksbegehren ihre populärsten und auch ihre nervenaufreibendsten Projekte. „Mir ist besonders wichtig zu sagen, dass dies kein Anti-Raucher-Volksbegehren ist. Es geht uns um den Schutz der Nichtraucher, um den Schutz der Arbeitnehmer in der Gastronomie und um den Schutz der Jugendlichen.“ Sobald man mit der eigenen Freiheit zu rauchen, anderen Menschen schade, sei eine indiskutable Grenze erreicht.
Kinder und Jugendliche seien hier Dreh- und Angelpunkt. Jeder zweite österreichische Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren raucht. 70 Prozent der jugendlichen Raucher qualmen schon regelmäßig, wenn sie 17 sind. Zwar könne man Österreichs Jugendliche nicht mehr pauschal als „Europameister“ im Rauchen bezeichnen, aber Österreich rangiert dahingehend sehr wohl eher auf den „vorderen“ Plätzen in den unterschiedlichen Rankings.
Manche paffen, die meisten inhalieren
Der Wiener Schwedenplatz füllt sich von Stunde zu Stunde mit immer mehr jungen partyfreudigen Menschen. Im „Kitsch und bitter“ vereinnahmt einen beim Betreten sogleich eine Rauchwolke. Der vordere Bereich gehört den Rauchern, er ist gesteckt voll mit jungen Gästen. Manche paffen, die meisten aber inhalieren tiefe Lungenzüge. Der Türsteher selbst hat auch eine Zigarette in der Hand. Gerade möchte eine Gruppe junger Mädels das Lokal betreten. Eines von ihnen hat eine Zigarette im Mundwinkel und ärgert sich, dass er sie nicht hereinlässt. Auf die Frage, warum, verweist er auf das Alter in ihrem Ausweis. „Du bist noch keine 18.“ Also dreht die Mädchenrunde genervt wieder um.
Hinten im Lokal befindet sich der Nichtraucherbereich. Er ist komplett leer. Die Musik ist leiser und es ist – naturgemäß - weitaus kühler als im vorderen Bereich. Im Laufe dieses Abends werden hier dann aber doch noch drei Jungs sitzen. Sie sind 18 Jahre alt, gut befreundet und wollen einen lustigen Abend verbringen - mit viel und billigem Alkohol in erster Linie. Einer von ihnen ist Sportler, vom Rauchen will er nichts wissen und kann auch nicht nachvollziehen, warum manche seiner Freunde damit begonnen haben. „Das ist komplett unnötig und extrem ungesund.“
Die anderen beiden Jungs rauchen ab und zu, aber bezeichnen sich eher als Nichtraucher. Sie sitzen hier, weil es ihnen drüben viel zu stickig ist. Der Kellner kommt und sie bestellen 18 Drinks. 6 Cola Rum, 6 Gin Tonic und 6 Wodka Orange. Die Happy Hour macht es möglich.
Im „Kaktus“, das auch gleich ums Eck liegt, erzählt ein 17-Jähriger Bursch: „Ich hab’ mit 16 angefangen zu rauchen, klassisch am Schulhof. Sie haben überhaupt nicht geschmeckt, aber auf Druck von meinen Kumpels hab‘ ich es weiter probiert, bis sie mir geschmeckt haben.“ Er lacht. Heute aber, sei er Nichtraucher, nach der hundertsten Zigarette habe er aufgehört. Es hätte ihm einfach zu viel Geld gekostet. Ein anderer Junge erzählt, dass er zum Glück in der Schule einen Schockfilm über das Rauchen gesehen hat. „Das hat mich wachgerüttelt.“
Was hältst du vom Rauchverbot in der Gastronomie?
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Martina Löwe liegen die Jugendlichen und ihr Schutz besonders am Herzen. „Es ist immer noch wie damals. Der Schulhof, da passiert es, da fangen die meisten zum Rauchen an.“ Aber nicht nur das sei ein Problem. Rauchende Eltern, Restaurants, wo sie Erwachsene rauchen sehen, fehlende Hinweise auf die Risiken schon in der Schule – überall da müsste unsere Gesellschaft viel mehr Vorbildwirkung einnehmen. Hinzu kommt die leichte Verfügbarkeit von Zigaretten hierzulande. 6000 Zigarettenautomaten sind keine Kleinigkeit. Eine Bankomatkarte dafür ist leicht zu bekommen. Kontrolliert wird - beispielsweise an Tankstellen - immer noch sehr selten.
Diese Haltung spiegelt sich auch im europaweiten Ranking wider: Österreich belegt den letzten Platz bei der sogenannten Tobacco Control Scale. Dies ist ein Indikator, der die Umsetzung gesetzlicher Tabakkontrolle misst: Etwa die Höhe der Steuern auf Tabakprodukte, Rauchverbote im öffentlichen Raum, bei der Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung für das Thema, Werbe- und Marketingverbote, Warnhinweise auf Tabakprodukten und auch bei Entwöhn-Angeboten für Raucher.
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Nur keine Feinde machen
Doch warum ist die Debatte um den Nichtraucherschutz in den heimischen Gastronomiebetrieben in Österreich so besonders problematisch? Löwe sucht nach einer Erklärung. „Ich denke, das ist eine Mischung aus dem österreichischen ‚Jetzt erst recht’ und ‚Ich lass mir meinen Genuss nicht verbieten’, denn es gibt keine faktische Begründung dafür, warum es bei uns nicht ebenso funktionieren sollte wie es das in anderen Ländern tut“, sagt Löwe. Gerade in den kleineren Dorfgemeinden zeige sich das Problem. Löwe erzählt von Bewohnern, die das Nichtraucher-Volksbegehren nicht am Gemeindeamt ihres Wohnsitzes unterschrieben haben, damit sie sich keine Feinde in ihrem Ort machen.
Wie schädlich ist Rauchen deiner Meinung nach?
Umfrage zum Thema Rauchen: Wie schädlich ist Rauchen deiner Meinung nach?
Martina Löwe sagt von sich selbst, dass sie Optimistin ist. „Dreiviertel der Österreicher sind Nichtraucher, es ist ein Minderheitengesetz.“ Aber dennoch müsse man leider damit rechnen, dass das Rauchverbot-Aus kommt.
Auf dieser Website präsentieren sich heimische Lokale, in denen nicht geraucht wird: www.dastinkts.net
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