Scheinhinrichtung in der Wüste

APA12673964-2 - 10052013 - MUSCAT - OMAN: Der, im Jemen am 21. Dezember 2012 entführte Österreicher Dominik N. und zwei weitere finische Entführungsopfer am Donnerstag, 9. Mai 2013, am Flughafen in Muscat, Oman vor dem Abflug nach Wien. APA-FOTO: AFP/STR
Mit grauenhafter Folter zwangen die islamistischen Entführer ihre Geisel, zum Islam zu konvertieren

Übertritt zum Islam mit der Kalaschnikow an der Schläfe: Mit Lautsprecherterror und Scheinhinrichtung zwangen die jemenitischen Entführer den österreichischen Sprachstudenten Dominik Neubauer, 26, sogar dazu, zum Islam zu konvertieren.

Nach der Freilassung aus der 139 Tage dauernden Geiselhaft im Jemen fand Dominik Neubauer nun die Kraft für ein erstes Interview mit dem Nachrichtenmagazin News. Die Entführung sei nicht geplant gewesen, meint Neubauer. Denn das Entführerauto war viel zu klein für so viele Personen, und schon während der Fahrt begannen die Kidnapper per Handy hektisch nach Abnehmern für die Europäer zu suchen. Untergebracht waren sie in extrem niedrigen Räumen, angekettet mit Fußfesseln. Die Verpflegung bestand meist nur aus Reis und aus verschmutztem Wasser.

Neubauer: „Du sitzt da, die Füße in Ketten gelegt, kauerst auf einer Matratze, siehst und hörst nur Koran-Verse, unterbrochen von den Geräuschen einschlagender Bomben und Schüsse.“

Neubauer vermutet, dass die Kriegsgeräusche von aufputschenden Videos stammten, die sich die Entführer ansahen.

Großoffensive

Vielleicht waren die Geräusche aber auch echt. Denn die jemenitische Armee führte nach der Entführung eine Großoffensive gegen die mutmaßlichen Entführer durch, die sich deshalb bis an die Ostgrenze des Jemens zurückzogen.

Neubauers Ausführungen haben politische Brisanz. Denn diese Fakten waren bereits im KURIER zu lesen. Befreit wurden die Geiseln vom österreichischen Heeresnachrichtenamt mit Unterstützung durch den Geheimdienst des Sultanats Oman. Im KURIER war aber auch zu lesen, dass ein früherer Befreiungsversuch an der arroganten und unkooperativen Haltung von finnischen Geheimdienstlern gescheitert sei.

Das finnische Außenministerium reagierte schroff. Die beiden finnischen Geiseln, Atte und Leila K., gaben ein dürres Statement ab. Demnach wurden sie gut behandelt, Verpflegung und Wasser seien in Ordnung gewesen. Danach verschwanden sie vorerst aus der Öffentlichkeit. Und der finnische Außenminister, Erkki Tuomioja, tönte im Fernsehen, dass die KURIER-Berichte nur Sensationshascherei seien.

Die misstrauischen finnischen Medien stürzen sich nun auf Neubauers Interview – weil es ja über weite Strecken die bisherige KURIER-Berichterstattung bestätigt.

Durch die neuen Fakten wird auch immer klarer, dass die Entführer keine professionell organisierten Geiselgangster waren, sondern religiöse Fanatiker. Die tagelange Beschallung mit Koranversen hatte nur den Zweck, dass die Geiseln Koransuren später auswendig aufsagen können. Denn sie wollten die Europäer zum Islam bekehren.

Scheinhinrichtung

Neubauers Übertritt hätte dramatischer nicht sein können. Er wurde laut News in die Wüste geschleppt und musste dort niederknien. Dann wurde eine Waffe geladen, und Neubauer wurde gefragt, ob er zum Islam übertreten wollte. In Erwartung des Todes war er natürlich dazu bereit. „Ich wäre in diesem Moment zu jeder Religion übergetreten.“ Neubauer sprach auf Arabisch die erforderlichen Koran-Verse. „Sie schienen glücklich, führten mich zum Wagen, und wir fuhren zurück.“

Glücklich waren die Entführer – da waren sich die Geiseln nachher in ihrer Beurteilung einig – weil sie Pluspunkte für das „Paradies“ sammeln wollten. Und die bekommt man angeblich, wenn man einen „Ungläubigen“ zum Islam bekehrt. Auch wenn man ihn nachher erschießt.

Neubauer wurde zwar fortan „Bruder“ genannt. Er wurde aber auch wegen seiner Tränen verhöhnt. „Du bist kein guter Muslim. Ein guter Muslim weint nicht. Auch nicht, wenn er stirbt.“ Seine Situation verbesserte sich durch den Übertritt zum Islam nicht. Er blieb in einem Kellerraum, in dem man nicht stehen konnte, und in dem ständig Skorpione, Schlangen und Spinnen abzuwehren waren.

Donnerstag traten auch die beiden finnischen Geiseln wieder an die Öffentlichkeit. Sie fühlten sich besser behandelt als der Österreicher. Sie mussten keine Scheinhinrichtungen erdulden. Sie vermuten, dass die Entführer mit El Kaida sympathisierten.

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