Jeder fünfte Radler fürchtet sich

Peter Felber vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (2. von re.): „Die Konfliktproblematik wird im Straßenverkehr häufig unterschätzt“.
20-jährige Radlerin bei Unfall mit Lkw getötet / KFV fordert mehr Rücksichtnahme.

Der tödliche Unfall ereignete sich Dienstagvormittag: Eine Radfahrerin war auf der Laxenburger Straße (10. Bezirk) neben einem 14 Tonnen schweren Lkw unterwegs. An der Kreuzung mit der Gudrunstraße überholte die Radlerin den stehenden Lkw. Als die Ampel auf Grün schaltete, bog der Lkw ab. Der 44-Jährige dürfte die Radlerin übersehen haben. Sie wurde vom Fahrzeug erfasst, geriet unter die Hinterachse und wurde 40 Meter mitgeschleift. Der Notarzt versuchte zu reanimieren. Aber für die 20-Jährige kam jede Hilfe zu spät.

Mehr Radfahrerunfälle

Während die Zahl der Pkw-Verletzten in den vergangenen Jahren gesunken ist (2013 gab es österreichweit 26.240, 2010 aber noch 26.770), steigt die Zahl der verletzten Radfahrer deutlich an. So kam es 2011 zu 5745 Unfällen, bei denen Radler zu Schaden kamen. 2013 waren es bereits 6335. Während natürlich die steigende Anzahl der Radfahrer in diesem Zusammenhang nicht außer Acht gelassen werden darf, schlagen sich die häufigen Konfliktsituationen im Straßenverkehr mittlerweile auch im Empfinden der Verkehrsteilnehmer nieder, argumentiert das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV).

Laut einer aktuellen Studie, bei der 2700 Verkehrsteilnehmer befragt wurden, fühlt sich jeder fünfte Radfahrer im Straßenverkehr gefährdet. Die größte Konfliktproblematik für die Radler sind dabei die Autofahrer (das finden zumindest 51 Prozent der Radler). Rund zwei Drittel aller Befragten geben zudem an, dass die Spannungen im Straßenverkehr zugenommen haben.

Gestresst & disziplinlos

Im Zuge der Studie wurden jeder Verkehrsteilnehmergruppe bestimmte Verhaltensmuster zugeschrieben. So seien Autofahrer gestresst und egoistisch, Motorradfahrer prinzipiell zu schnell unterwegs und Radfahrer disziplinlos. Fußgänger würden selten als konfliktauslösend, oft dafür als kopflos wahrgenommen werden.

Während nur knapp ein Neuntel glauben, dass verstärkte Kontrollen im Straßenverkehr für weniger Konflikte sorgen, wünsche sich jeder Verkehrsteilnehmer, wie auch Peter Felber vom KFV selbst, mehr gegenseitige Rücksichtnahme.

Die grüne Welle ist der Traum eines jeden Autofahrers. Auf ihr zu surfen, ist in Kopenhagen allerdings den Radfahrern vorbehalten. Auf vielen Verkehrsrouten in der Hauptstadt Dänemarks sind die Ampeln auf das Tempo der Radfahrer abgestimmt: Wer mit etwa 20 Stundenkilometern unterwegs ist, kommt zu den Stoßzeiten beinahe ohne Stop ans Ziel. Die Autofahrer müssen sich währenddessen gedulden. Sie haben meist Nachrang, auch Steuern und Anschaffungskosten sind empfindlich hoch. "In Dänemark ist ein Pkw Luxus", erklärt Verkehrsplaner Casper Wulff einer Delegation aus Oberösterreich, angeführt von den Verkehrsreferenten Franz Hiesl (ÖVP) und Reinhold Entholzer (SPÖ). Wer nicht unbedingt ein Auto brauche, verzichte. Gerade in Kopenhagen.

Umso mehr setzt die Stadt auf den Radverkehr. "Gut, besser, am besten" lautet das Motto der Fahrradstrategie bis 2025. In zehn Jahren soll in Kopenhagen bereits jeder zweite Alltagsweg mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Aktuell sind es 37 Prozent, also mehr als jeder dritte. Zum Vergleich: In Linz wird nur rund eine von zwölf Strecken mit dem Drahtesel zurückgelegt. Die Voraussetzungen sind in Kopenhagen allerdings deutlich besser: Die Radfahrer bewegen sich auf drei Meter breiten Wegen mit Überholspur. Es gibt eigene Ampeln für Radfahrer, an Gefahrenstellen werden rechtsabbiegende Pkw und Lkw durch Signallichter vor Bikern gewarnt.

Um den Radverkehr weiter zu stärken, sind im Großraum Kopenhagen 26 Cycle Super Highways ("Fahrradautobahnen") geplant, die zusammen eine Strecke von 300 Kilometern umfassen werden und den Rad-Pendler-Anteil weiter erhöhen sollen. Das Netz ist ganz auf Schnelligkeit, Komfort und Sicherheit ausgelegt und entsteht in Zusammenarbeit mit den 18 Kommunen im Großraum Kopenhagen.

Die Fertigstellung der "Fahradautobahnen" ist bis 2018 geplant, das Budget für die Optimalvariante beträgt stolze 269 Millionen Euro – etwa 40 Prozent dessen, was der 4,7 Kilometer lange Westring kosten soll.

Gesundheitseffekt

Dass die Dänen beim Radfahren nicht in erster Linie an die positiven Auswirkungen auf die Umwelt denken, zeigen die Motive fürs Radfahren: Wichtigster Beweggrund ist Schnelligkeit, gefolgt von Bequemlichkeit, persönlicher Fitness, finanziellen Motiven und Spaß am Biken. Erst danach folgt der Umweltgedanke. Die positiven finanziellen Effekte des Radfahrens auf die Gesellschaft hat die Technische Universität von Dänemark errechnet: Jeder einzelne Kilometer, der mit dem Rad zurückgelegt wird, ist für das Gesundheitssystem 1,20 Kronen (0,16 Euro) wert. Der Radfahrer selbst profitiert mit 3,52 Kronen (0,47 Euro) pro Kilometer sogar noch stärker.

Jeder fünfte Radler fürchtet sich
Hiesl, Entholzer, Wulff
„Mit Straßen allein lassen sich die Verkehrsprobleme im Großraum Linz nicht lösen“, sagt Straßenbaureferent Franz Hiesl (ÖVP). Der Linzer Westring – er soll die Pendler aus dem Oberen Mühlviertel entlasten – sei das vorerst letzte Großprojekt. Umso mehr werde man sich auf die Stärkung des Umweltverbunds – also auf die Öffis, Radfahrer und Fußgeher – konzentrieren. Sein Anteil soll von aktuell rund 35 Prozent auf 40 Prozent im Jahr 2025 steigen, jener des motorisierten Individualverkehrs (Pkw) hingegen von 64 auf 60 Prozent sinken.
Im Großraum Linz wird der Autoverkehr im nächsten Jahrzehnt dennoch leicht zunehmen – weil die Bevölkerung wächst und damit auch die Zahl der zurückgelegten Wege steigt.

In Zukunft sollen die Oberösterreicher besonders für Kurzstrecken zwischen fünf und zehn Kilometern ihr Auto stehen lassen und auf Öffis und Fahrrad umsteigen. Derzeit werden in Linz 7,8 Prozent aller Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt, oberösterreichweit 5,2 Prozent.
Angelehnt an Kopenhagen (siehe Artikel oben) ist ein Netz von Radrouten angedacht, die sternförmig auf die Landeshauptstadt zulaufen. Sichere Radabstellplätze bei Bahnhöfen, Bushaltestellen und Park-&-Ride-Anlagen sollen eine verknüpfte Nutzung mit öffentlichen Verkehrsmitteln ermöglichen. „Auch die Mitnahme von Fahrrädern in Zügen und Bussen muss erleichtert werden“, sagt Verkehrsreferent Reinhold Entholzer (SPÖ).

Was den Aus- und Neubau von Radwegen betrifft, will Entholzer besonderen Wert auf Sicherheit legen: Diese erreiche man durch Niveauunterschiede zu Fußgängern und Autos und eine Breite von drei Metern.

Für die Radinfrastruktur sind primär die Gemeinden zuständig: Das Jahresbudget des Landes beträgt schlanke acht Millionen Euro.
Jeder fünfte Radler fürchtet sich
Christian Hummer Radverkehrsbeauftragter
Christian Hummer lebt seinen Job. Morgens braust der Radfahrbeauftragte des Landes mit seinem Rennrad von Feldkirchen an der Donau zu seinem Arbeitsplatz nach Linz: Für die 24 Kilometer lange Strecke braucht Hummer knapp eine Stunde. Gefahren wird grundsätzlich bei jedem Wetter, so kommen jährlich 7000 Kilometer zusammen. „Dass jemand eine so lange Strecke mit dem Rad in die Arbeit fährt, ist natürlich die Ausnahme“, sagt der 47-Jährige. Für die Masse interessant seien Wege bis fünf, sechs Kilometer.
Die wichtigsten Voraussetzungen: Eine gute Infrastruktur, Dusch- und Abstellmöglichkeiten am Arbeitsplatz und nicht zuletzt Bewusstseinsbildung, meint Hummer. „Die vielen Vorteile des Radfahrens müssen auch emotional transportiert werden. So wie in der Autowerbung.“

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