Jede dritte Frau in Österreich war bereits Opfer von Gewalt
Jede dritte Frau in Österreich hat ab dem Alter von 15 Jahren bereits körperliche oder sexuelle Gewalt erleben müssen. Das zeigte eine Befragung der Statistik Austria, die am Freitag im Rahmen des Auftakts für die Sensibilisierungskampagne "16 Tage gegen Gewalt" präsentiert wurde.
Fast jede sechste Frau im Erwachsenenalter war von Androhungen körperlicher Gewalt betroffen. Viele Frauen erleben gleichzeitig unterschiedliche Gewaltformen - von Angriffen bis hin zu Stalking.
Mehr als eine Million Betroffene
761.786 Frauen wurden laut Statistik Austria ab dem Alter von 15 Jahren innerhalb oder außerhalb von intimen Beziehungen Opfer von körperlicher Gewalt (23,47 Prozent), fast gleich viele Frauen erlebten zudem sexuelle Gewalt (23,75 Prozent). Von mindestens einer der beiden Gewaltformen betroffen waren 1.119.934 Frauen zwischen 18 und 74 Jahren. Das sind 34,5 Prozent aller Frauen in diesem Alter.
282.480 aller Frauen ab 15 Jahren in Österreich (8,7 Prozent) sind bereits vergewaltigt worden. Androhungen körperlicher Gewalt mussten fast eine halbe Million Österreicherinnen (15,25 Prozent) erleben.
Für die Umfrage wurde eine Stichprobe von insgesamt 6.240 in Privathaushalten lebenden Frauen im Alter von 18 bis 74 Jahren herangezogen. Sie wurden im Zeitraum von Oktober 2020 bis März 2021 befragt. Die Erhebung wurde im Auftrag von Eurostat und dem Bundeskanzleramt durchgeführt.
Aggression geht häufig vom Partner aus
Die Statistik zeigt zudem, dass die Aggression in mehr als einer halben Million Fälle vom eigenen Partner oder der eigenen Partnerin ausgeht. Der Anteil von Gewaltbetroffenen, die sich aktuell in einer Partnerschaft befinden oder jemals befunden haben, liegt bei 16,4 Prozent. Von den Frauen, die in einer früheren Beziehung körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren haben, haben mehr als die Hälfte auch körperliche Verletzungen davongetragen.
Weiters gaben 8,3 Prozent der Frauen laut Statistik Austria in einer aktiven oder früheren Beziehung an, von Androhungen körperlicher Gewalt in einer intimen Beziehung betroffen gewesen zu sein.
Fast 37 Prozent haben Erfahrungen mit psychischer Gewalt in einer Partnerschaft gemacht. Besonders auffällig ist das Muster in konfliktgeladenen Beziehungen: Über 81 Prozent aller Frauen, die in vergangenen Partnerschaften körperliche Gewalt erfahren, berichteten von wiederholten Angriffen in dieser Beziehungen. In etwa der Hälfte der Fälle von Vergewaltigungen oder versuchten Vergewaltigungen hat es sich um Wiederholungstaten gehandelt. Über 7,7 Prozent der Frauen machen in mehr als einer Beziehung Gewalterfahrungen.
Jede Fünfte hat Stalking-Erfahrungen
Mehr als ein Viertel aller Frauen hat laut Angaben von Statistik Austria zudem Gewalt außerhalb von intimen Beziehungen erlebt. Vier Prozent sind Opfer von Vergewaltigungen durch Fremde geworden. Stalking betraf jede fünfte Frau zwischen 18 und 74 Jahren in Österreich. Das sind fast 710.000 Frauen, die etwa unerwünschte Nachrichten oder Geschenke, obszöne, drohende oder stumme Anrufe erhalten haben.
736.613 Frauen haben hierzulande sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt. Das ist mehr als jede vierte Frau, die bereits mindestens einmal erwerbstätig war. Zu den häufigsten Formen der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz zählen unangemessenes Anstarren oder anzügliche Blicke, sexuelle Witze oder übergriffige Bemerkungen über ihren Körper oder ihr Privatleben und unerwünschter Körperkontakt.
Auch die weibliche Genitalverstümmelung (FGM), der nach Schätzungen weltweit 200 Millionen Frauen ausgesetzt sind, wird in Österreich zunehmend zum Thema. Besonders verbreitet ist die Verstümmelung der weiblichen Geschlechtsteile im Kindesalter in der Sahelzone sowie im Nordosten Afrikas, in Indonesien, aber auch auf Teilen der Arabischen Halbinsel. Das Rote Kreuz schätzte in einer Aussendung am Freitag die Zahl der betroffenen Mädchen und Frauen in Österreich auf 6.000 bis 8.000.
Problem auch an Universitäten
Auch zwölf Prozent der Studierenden haben im vergangenen Jahr an ihrer Hochschule eine sexuelle Belästigung, unerwünschte sexuelle Berührung oder gar strafbare Handlung gegen die sexuelle Integrität erlebt. Das zeigt eine ebenfalls am Freitag präsentierte Umfrage der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH). Nur etwa 20 Prozent der Fälle wurden dabei der zuständigen Stelle gemeldet.
Für die Umfrage wurden an alle 380.000 Studierenden Fragebögen ausgesendet, rund 10.200 beantworteten diesen vollständig. Knapp 1.200 bzw. 11,57 Prozent berichteten dabei von einer sexuellen Belästigung im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes. Dazu muss dieses Verhalten unerwünscht gewesen sein, die Würde der Person verletzt und das Studium beeinträchtigt haben. Das kann etwa von sexuell konnotierten Witzen über Bemerkungen über den Körper bis hin zu unerwünschten Annäherungsversuchen und körperlichen Übergriffen reichen.
Unerwünschte sexuelle Berührungen
2,4 Prozent bzw. 244 erlebten unerwünschte sexuelle Berührungen - das ist das eindeutig sexuell gemeinte Angreifen von Brüsten, Genitalien, Gesäß oder Oberschenkeln. 0,5 Prozent bzw. 53 waren sogar mit nach dem Strafgesetzbuch sanktionierten Handlungen gegen die sexuelle Integrität oder Selbstbestimmung konfrontiert - also etwa geschlechtliche Nötigung oder Vergewaltigung.
"Sexualisierte Gewalt gehört zum Alltag an den Hochschulen", kritisierte ÖH-Vorsitzende Keya Baier (GRAS) bei einer Pressekonferenz. Betroffen sind mehrheitlich Frauen, bei unerwünschten sexuellen Berührungen sind nichtbinäre, Inter- und Transpersonen überproportional häufig Opfer.
Täter sind primär andere Studierende. Bei sexuellen Belästigungen sind dies aber in knapp 40 Prozent der Fälle Lehrende, bei unerwünschten sexuellen Handlungen in rund einem Drittel. Die meisten Belästigungen finden an öffentlichen Orten wie Hörsälen, Gängen oder Lernplätzen statt, unerwünschte Berührungen und Handlungen primär an semiprivaten Orten wie Ateliers oder Laboren.
Die ÖH fordert daher die Verankerung von Awareness-Schulungen für Lehrende, die Einrichtung von unabhängigen Anlaufstellen an allen Hochschulen sowie einen Ausbau von kostenlosen Psychotherapieangeboten. Außerdem müssten Betroffene "immer die Deutungshoheit" haben.
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