Emmerich Knoll (rechts im Bild) und Herwig Jamek über altmodische Wein-Etiketten, Eiswürfel im Wein, optimale Rotwein-Temperatur, Wein als Geldanlage, und warum Ortsbildpflege wichtig ist.
In der Wachau kann man es sich erlauben, Moden vorbeiziehen zu lassen. Ein Gespräch mit Weinbegleitung.
KURIER:Heuer gab es schon an einigen Tagen Hagel und Starkregen. Wie geht’s den Trauben?
Emmerich Knoll: Wir sind Gott sei Dank bisher davon verschont geblieben. Es schaut gut aus.
Herwig Jamek: Im Weinbau weiß man erst, ob alles gut gegangen ist, wenn die letzte Traube geerntet ist.
Bedroht die Klimaerwärmung Ihren sortentypischen Riesling?
Knoll: Der Riesling kommt von allen Weißweinsorten damit wahrscheinlich am besten zurecht.
Herr Jamek, Sie sind erst im dritten Bildungsweg Winzer geworden, haben die HTL absolviert, sind dann Arzt geworden. Und Sie haben den Namen ihres Schwieger-Großvaters angenommen. Wie lief das?
Jamek: Als junger Bursche habe ich mich mit Maschinenbau auseinandergesetzt. Aber das Rote Kreuz war ein großer Faktor in meinem Leben, daher wollte ich Notarzt werden. Daraus ist dann Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin geworden – die Passion für das Notarzt-Sein ist geblieben. Das übe ich bis heute aus. Die Familie, in die ich eingeheiratet habe, hatte aber in der vierten Generation keinen Nachfolger für das Weingut. Als erklärter Weinliebhaber habe ich mich dafür entschieden.
Wie lernt man Winzer?
Jamek: Man braucht wie in der Medizin gute Lehrer und viel Erfahrung. Mit 44 Jahren habe ich dann noch die Facharbeiter- und Meisterausbildung in der Weinbauschule Krems abgeschlossen. Darauf bin ich stolz.
Den Umstieg nie bereut?
Jamek: Nein, aber wenn es hagelt und die Trauben sind noch am Stock, wird man schon nachdenklich.
Sie sind beide Promi-Winzer, Ihre Weine sind bekannt, werden auch exportiert. Was ist derzeit Trend?
Knoll: Wir sind unserer Linie schon lange treu und müssen nicht jedem Trend folgen. Der Weinbau wird ja quasi alle 30 Jahre „neu erfunden“. Wenn man da durchtaucht, ist man auf einmal wieder vorne dabei. Wir machen das, wovon wir überzeugt sind und wofür das Gebiet steht.
Knoll hat auch die mittlerweile berühmten, altmodischen, farbenfrohen Knoll-Etiketten nie geändert.
Knoll: Ja, inzwischen ist es unser Markenzeichen. Es gab eine Zeit, wo uns auch gute Freunde rieten: „Damit könnt ihr nicht weitermachen. So was Kitschiges, das geht nicht.“ Wir sind trotzdem dabei geblieben, und nun heißt es: „Bitte, hört bloß nicht auf damit.“ Die Absicht haben wir aber sowieso nicht.
Jamek: Unser Etikett ist aus dem Jahr 1959. Der damalige Künstler ging zu Josef Jamek und meinte: „Ihr Wein ist wunderbar, aber ich sags’s Ihnen, das Etikett ist schiach. Ich mach Ihnen ein neues.“ Das verwenden wir heute noch.
Was halten Sie von Trends wie die Naturweine „Orange“?
Jamek: In unserer Winzervereinigung verkosten wir Trendweine. Wenn wir die Flasche austrinken, dann ist es ein Trend, der vielleicht bleibt. Aber das kommt selten vor.
Warum sind Wachauer Weine eigentlich teurer als andere?
Knoll: Aus Kostengründen: Die Terrassenweingärten erfordern eine vier- bis fünffache Arbeitszeit. Außerdem entscheiden Qualität und Rarität über den Preis.
Wie hat sich die Pandemie auf Ihr Geschäft ausgewirkt?
Jamek: Natürlich war das zunächst alarmierend, weil ja alle Restaurants zugesperrt hatten. Aber der Privatkonsum hat extrem zugenommen, am häufigsten mit der Bitte: „Stellen Sie es mir einfach vor die Haustür.“
Knoll: Am Beginn wussten wir nicht, wie es weitergeht. Aber es hat sich schnell normalisiert – zuerst im Privatkonsum, später dann auch wieder in den Restaurants.
In Deutschland spricht man dennoch von einem „Weinsee“. Hat Österreich keine Überproduktion?
Knoll: In der Wachau ist das kein wirkliches Problem. Insgesamt geht der Konsum aber tatsächlich zurück, die Jungen trinken weniger Wein. Bleibt das so, müssen die Anbauflächen in den großen Weinbauländern angepasst werden.
Hier geht es zum ausührlichen KURIER TV-Gespräch mit den Topwinzern
Reduktion, weil die Jungen lieber Bier und Wodka Red Bull trinken?
Jamek: Es gibt auch den Weg, die Erntemenge zu reduzieren und damit auch die Qualität zu heben, indem man die Trauben am Rebstock reduziert.
Knoll: Das Problem dabei ist: Eine geringere Menge erfordert einen guten Preis. Es gibt jedoch nur eine gewisse Menge, die mit hohem Preis absetzbar ist. Wir sehen eine Polarisierung: einerseits sehr hohe Preise, andererseits sehr niedrige, wenn Sie sich im Supermarkt umschauen. Leider beachtet der Konsument das Mittelfeld zu wenig – also gute Qualität zu einem moderaten Preis. Das ist im gesamten Wirtschaftssystem so. Im untersten Preissegment geht es sich aber wirtschaftlich oft nicht aus – daher geben viele Betriebe auf.
Gibt es ein Weinbauernsterben?
Knoll: In manchen Gebieten reduziert sich die Zahl der Betriebe drastisch. Bei uns in der Wachau hält sich das in Grenzen, aber ein Strukturwandel ist auch hier im Gang.
Wein ist auch Geldanlage geworden. Was macht man mit einer 3000-Euro-Flasche im Weinkeller? Wagt man es, sie jemals zu trinken?
Jamek: Diese Weine kommen meist aus dem Ausland, oft aus Frankreich. Unsere Weine sind wunderbare Trinkweine und keine Spekulationsobjekte. Bei guter Temperatur können sie ruhig eine Zeit lang im Keller reifen.
Was ist jeweils Ihr teuerster Wein?
Jamek: Der Riesling Smaragd aus der Ried Klaus. Kostet 67 Euro.
Knoll: Unsere teuersten, trockenen Weine liegen auch zwischen 60 und 70 Euro.
Was halten Sie von Wein als Geldanlage?
Knoll: Nicht sehr viel, wobei ich da fast gegen die eigenen Interessen spreche. Die wirklichen Weinliebhaber können sich manche Weine dann kaum mehr leisten. Schade!
Wie schwer finden Sie Fachkräfte?
Jamek: Wir sind bekannt für viel Handarbeit und Handlese. Jede Traube wird am Stock begutachtet. Das Personal dafür zu finden, gestaltet sich immer wieder aufregend. Weinbaustudenten aus Übersee kommen aber Gott sei Dank gerne zur Weinlese zu uns.
Knoll: Einheimische Fachkräfte, die wir dringend brauchen, bekommt man schwer. Bei der Arbeit im Weingarten braucht man viel Gefühl und Sensibilität, das ist nicht jedermanns Sache.
Warum ist es so schwierig, jemanden zu finden?
Knoll: Obwohl der Weinbau eine interessante Kultur ist, schwingt da offenbar das nicht so gute Sozialprestige der Landwirtschaft mit. Und zum Teil ist es natürlich schwere Arbeit.
Herwig Jamek Der gelernte Arzt führt das 1912 gegründete Weingut in Joching mit Schwiegervater Johannes Altmann. Hauptsorten: Grüner Veltliner, Riesling. Schwiegergroßvater Josef Jamek war wichtiger Impulsgeber der Wachauer Winzer
Emmerich Knoll Der Senior hat bereits an die Söhne übergeben. Das Weingut in Unterloiben bei Dürnstein (seit 1825) zählt zu den bekanntesten und meistprämierten Österreichs
Ihr Wunsch an die Politik?
Jamek: Wir würden im Weinbau gerne wie in Deutschland Lehrlinge ausbilden.
Franzosen trinken Rotwein sehr kalt. Wie lautet Ihre Empfehlung?
Knoll: Zimmertemperatur ist zu warm, kalt muss er aber auch nicht sein.
Jamek: Bei uns im Restaurant wird der Rotwein mit 16 Grad an den Tisch gebracht.
Darf man Eiswürfel in einen Weißwein geben?
Jamek: Sie zeigen dem Restaurantbesitzer oder dem Winzer damit, dass er nicht in der Lage ist, die optimale Weintrinktemperatur einzustellen.
Knoll: Bei einem Gespritzten würde ich es eventuell tolerieren, aber sonst ist es ein „No-Go“.
Jamek: Es ist im Restaurant auch deshalb verpönt, weil dünnwandige Weißweingläser durch Eiswürfel zerbrechen könnten.
Warum engagieren Sie sich beide im Arbeitskreis zum Schutz der Wachau, der Ortsbildpflege fordert?
Knoll: Wer aufmerksam durch die Ortschaften geht, der sieht so manche Bausünde. Schade, dass es vielen nicht auffällt. Wir wollen die Leute sensibilisieren. Der Verein wurde vor 50 Jahren als Abwehr gegen das Donaukraftwerk bei Dürnstein gegründet. Altbürgermeister Franz Hirtzberger meinte damals: „Die Schönheit unserer Landschaft wird uns Millionen an Werbeschillingen ersparen.“ Es ist unsere Pflicht, dieses Kulturerbe zu erhalten.
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