Wie Lifestyle-Salafisten in Österreich den radikalen Islam verbreiten

Muslima mit Kopftuch sitzt vor einem Computer.
Der Jahresbericht 2024 der Dokumentationsstelle Politischer Islam zeigt: Influencer machen Stimmung gegen Demokratie, Medien und Gleichberechtigung.

Es ist eine Welt, in der Terror verharmlost, ja teilweise sogar glorifiziert wird; in der Frauen strenge Kleidungsvorschriften zu beachten haben; in der „der Westen“ als Unterdrücker, als Feind gilt.

Um in dieser Welt zu landen, reichen ein paar Klicks im Internet. Welche Gefahren dort lauern, zeigt der neue Jahresbericht der Dokumentationsstelle Politischer Islam (DPI), der am Donnerstag in Wien präsentiert wurde.

Gerade junge Menschen sind im Netz auf der Suche nach Vorbildern. „Wir wissen, dass neun von zehn Beiträgen zum Thema Islam in den sozialen Medien islamistische Inhalte haben“, warnt Mouhanad Khorchide, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der DPI. Und nicht nur im Internet, auch im öffentlichen Raum werden islamistische Einflüsse sichtbarer.

Entstanden ist der islamische Aktivismus einst im Nahen und Mittleren Osten. Er war eine Reaktion der Menschen auf ein Leben in Armut, ohne Möglichkeit zur politischen Mitbestimmung. Daher behaupten Vertreter des Politischen Islam bis heute, für eine „bessere, gerechte“ Gesellschaft zu stehen. Sie berufen sich auf eine islamische Gesellschaft, wie es sie höchstwahrscheinlich nie gegeben hat. Und sie verstehen sich als Gegenmodell zur westlichen Demokratie – mit dieser unvereinbar.

Der Weg nach Europa

Ab den 1960er-Jahren kam der Politische Islam mit der Gastarbeiter-Bewegung nach Europa. Vertreter organisierten sich in Moscheen und Vereinen und fanden immer mehr Anhänger. Auch mit der Flüchtlingswelle 2015 zog der Politische Islam verstärkt in Europa ein.

Der neue Bericht der DPI zeigt, dass nationalstaatliche Grenzen aber immer unbedeutender werden: „Was in Nahost passiert, bleibt nicht in Nahost“, sagt Ferdinand Haberl, stellvertretender Direktor der DPI.

Der Gaza-Krieg etwa befeuere aktuell den Extremismus in Österreich. „Ein Warnsignal, wie stark globale Konflikte auch unser Land berühren“, so Haberl. Etwa, wenn Influencer mit großer Reichweite Propaganda der Terrororganisation Hamas teilen. „Oder Desinformationen verbreiten, um die Demokratie zu destabilisieren.“

Das neue Auftreten der Lifestyle-Salafisten

Was sich verändert hat, ist das Auftreten der sogenannten Lifestyle-Salafisten: „Sie tragen nicht mehr Bart und traditionelle Kleidung, sondern moderne Markenkleidung“, beschreibt Haberl. „Einige vertreiben mittlerweile sogar Merchandising-Artikel wie Kleidung, Literatur oder Körperpflegeprodukte.“

Sie würden sich quasi als freundliches, modernes Gesicht des Islam präsentieren – dabei aber eine Abwendung vom freien und säkularen Lebensmodell propagieren, warnen die Experten. „Sie verbreiten antiwestliche Erzählungen in sehr emotionalen Sprache“, sagt Khorchide. 

Die Botschaften sind simpel und prägnant: „Etwa, dass der Islam die einzig wahre Religion ist. Oder dass Muslime Opfer ,des Westens’ sind.“ Das westliche Lebensmodell, die Trennung von Religion und Staat, etablierte Medien – all dies sind Feindbilder.

Auch junge Frauen werden immer häufiger gezielt von Influencerinnen angesprochen, warnt DPI-Direktorin Lisa Fellhofer. „Sie vermitteln ihnen die Botschaft: Der moderne, westliche Feminismus hilft euch nicht weiter – orientiert euch lieber an uns.“

Symbole im öffentlichen Raum

Freilich beschränken sich derlei Aktivitäten nicht nur auf die Online-Welt: Wie der Jahresbericht zeigt, waren islamistische Botschaften und Symbole im Jahr 2024 verstärkt im öffentlichen Raum zu sehen, vor allem in Städten: An Fassaden oder auf Plakaten fand sich etwa häufig ein zur Feindmarkierung eingesetztes Symbol der Terrororganisation Hamas, nämlich ein rotes Dreieck.

Zudem vernetzten sich Aktivisten im gesamten deutschsprachigen Raum, rufen zu Demonstrationen oder organisieren Vorträge.

Doch was kann man tun, um diesen Strömungen entgegenzuwirken? 

„Sachlich informieren und entgegentreten“, so Haberl. Khorchide ergänzt: „Forschung spielt eine zentrale Rolle.“ Hier gelte es zu investieren: „Im deutschsprachigen Raum gibt es 100 Lehrstühle zu Rechtsextremismus – aber keinen Lehrstuhl zum Politischen Islam.“

Außerdem empfiehlt Khorchide, Projekte in den sozialen Medien zu fördern, da dort, wie eingangs erwähnt, die islamistischen Inhalte dominieren. „Es wäre sehr wichtig, dass junge Menschen dort auch weltoffene Ansichten finden.“

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