Insektensterben: Der letzte Willi

Wanstschrecke, auch dicker Willi genannt
O (Heu)Schreck: Viele Insektenarten sind gefährdet, manche in Österreich fast verschwunden. Nun vermehren sich die Schädlinge.

Früher haben die Großeltern immer davon erzählt, wie sie als Kinder Maikäfer geklaubt haben. Einen Schilling pro Kilo hätten die Bauern gezahlt, weil sie den lästigen Vielfraß loswerden wollten.

Und heute?

„Es gibt die Maikäfer noch“, versichert Professor Johannes Gepp vom Naturschutzbund Steiermark. „Aber sie werden deutlich seltener. In den 1960er Jahren gab es noch tausende Massenvermehrungsstellen, heute nur noch hunderte.“ Einsammeln muss die Käfer niemand mehr.

Nun mag man einem als Schädling abgewerteten Käfer vielleicht nicht nachtrauern. Aber er steht für jene Insektenarten, die noch häufig vorkommen und trotzdem massiv abnehmen: Von 37.600 Arten in Österreich gilt ein Drittel als gefährdet. „Es gibt noch eine unglaubliche Vielfalt“, betont Gepp. „Aber in den nächsten 50 Jahren könnten 40 Prozent verschwinden.“

Schmetterlingswolke

Am Beispiel der Schmetterlinge zeigt sich das drastisch. 208 Arten von Tagfaltern sind in Österreich heimisch. Noch, warnt der Experte: „Zwei Drittel vor ihnen sind gefährdet. Vor 100 Jahren gab es noch Berichte über Wolken an Schmetterlingen. Das sieht man heute bei uns kaum noch.“ Um oft kaum sichtbare Lebewesen steht es nicht besser. Larven der Köcherfliegen etwa filtern Wasser in Bächen sofern es dort sauber genug ist. „Ein gesunder Wiesenbach hat auf einen Meter Tausende Larven. Aber wenn einmal Gift reinkommt, sind die weg“, mahnt Gepp. Wie der „dicke Willi“, der leuchtgrüne Wanstschreck: Dieser Heuschreck ist in Österreich fast schon verschwunden. Dabei kannte ihn einst jedes Kind, zierte doch sein Bild Schulbücher.

Das Verschwinden der Insekten liegt am Klimawandel, an den sich viele Arten nicht anpassen können. Aber vieles sei auch hausgemacht, bedauert Gepp: Zubetonierte Flächen, künstlich eingefasste Quellen, Monokulturen. „Auf einer traditionellen Bauernwiese wachsen 30 bis 50 unterschiedliche Pflanzen. Von jeder leben Dutzende unterschiedliche Insekten“, rechnet Gepp vor. „Aber heute haben Wiesen spezielles Saatgut mit drei bis fünf Blumenarten.“ Diese würden auch noch gemäht. „Da kann man sich ausrechnen, dass es dort fast kein Insektenleben mehr gibt.“

Zumindest nicht jenes, das unter nützlich fällt. Paradox, aber Tatsache: Gerade weil jene Arten, die andere Insekten fressen, weniger werden, legen Schädlinge an Gewicht zu. „Es kommt das Zeitalter der Massenschädlinge unter den Insekten“, prophezeit Gepp.

 

Wanstschrecke oder Polysarcus denticauda

Ein richtig fetter Heuschreck, der seiner Größe wegen auch einen Spitznamen bekam - der dicke Willi. Er ist Wiesenbewohner und Vegetarier: Trat er vor Jahrzehnten mit vielen Kumpanen auf, ist er heute in Österreich beinahe verschwunden. Der dicke Willi fiel dem vermehrten Mähen von Wiesen zum Opfer. Seine Art steht auf der Roten Liste.

 

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Wanstschrecke

Hochmoorgelbling oder Colias palaeno

Ein knallig-gelber Tagfalter, der hierzulande vom Aussterben bedroht ist. Sein Lebensraum sind Hochmoore, seine Raupe nährt sich von einer bestimmten Pflanze, der Rauschbeere. Wächst sie nirgends, gibt es auch den Schönling unter den Schmetterlingen nicht mehr.


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Hochmoorgelbling

Wald- und Feldmaikäfer bzw. Melolotha

In Österreich gibt es drei Arten des in Liedern verewigten Insekts. Der Maikäfer gehört zu jenen Arten, die noch in Millionen vorkommen, aber: Vor 50, 60 Jahren gab es sie in Milliardenanzahl. Ihr Bestand wurde somit deutlich dezimiert. Ihnen fehlt die Lebensgrundlage, Massenvermehrungsstellen aus Laub.


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Maikäfer

Gartenlaubkäfer oder Phyllopertha horticola

Er ist mit dem Maikäfer verwandt und kommt sowieso häufig vor. Experten rechnen damit, dass es heuer auch in Österreich, speziell im Osten, aber zu einer Massenvermehrung kommen könnte, denn die Larven haben günstige Bedingungen. Diese jedoch knabbern Wurzeln von Gräsern an -  Wiesen verdorren.

 

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Gartenlaubkäfer

Wiener Nachtpfauenauge oder Saturnia pyri

Dieser Nachtfalter ist mit durchschnittlich 16 Zentimetern der größte Schmetterling Europas. In Wien und im Burgenland kann man ihn noch sehen, in Kärnten fliegt er nicht mehr, in der Steiermark nur vereinzelt.


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Wiener Nachtpfauenauge

Eichenbockkäfer oder Cerambyx cerdo

Er braucht richtig altes Eichenholz. Biotopholz, das sich heute nur noch in Jahrhunderte alten Parks findet, im Lainzer Tiergarten in Wien etwa. Deshalb gibt nur noch ganz wenige dieser Käfer in Österreich.

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Eichenbockkäfer

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