Innsbruck wird für Obdachlose zur verbotenen Stadt
Der Winter ist auf den Bergen rund um Innsbruck angekommen. Der Schnee ist bis nahe ans Tal auf den Hängen liegen geblieben. Unten im Zentrum flanieren die Nachtschwärmer in dicken Jacken durch die Altstadt, vorbei an den Geschäften unter den Arkadengängen. Vor den beleuchteten Schaufenstern liegen, wie in vielen anderen Straßenzügen der Innenstadt, Obdachlose auf Pappkartons. In ihren Schlafsäcken zusammengekauert, haben die meisten einen Becher aufgestellt und hoffen auf die eine oder andere Münze. Und auf Schlaf.
Doch diese Szenerie, die sich in den vergangenen Jahren etabliert hat, soll bald der Vergangenheit angehören. Mit den Stimmen der Bürgermeisterfraktion Für Innsbruck und der ÖVP wurde, wie berichtet, im Stadtsenat ein Nächtigungsverbot für die Innenstadt beschlossen. Der Stadtrat der SPÖ hat sich seiner Stimme enthalten, die beiden Grünen haben gegen die Verordnung gestimmt. Ihre Partei ortet „Stadtkosmetik“.
Das hat seinen Grund. Es ist bereits das dritte Verbot in dieser Regierungsperiode, dass konkret darauf abzielt, soziale Randgruppen aus dem Zentrum zu verdrängen. Seit 2014 gilt ein Alkoholverbot rund um die Einkaufsmeile Maria-Theresien-Straße. Hier und in der Altstadt gilt seit 2015 auch ein absolutes Bettelverbot während des Oster- und des nun wieder startenden Christkindlmarktes.
"Wenig glaubwürdig"
Elisabeth Hussl von der Bettellobby Tirol sieht den Ruf Innsbrucks als weltoffene Stadt gefährdet: „Die Politik fährt hier auch im Österreichvergleich wirklich eine sehr harte Linie, um die Leute aus der Stadt zu vertreiben.“ Armut und Obdachlosigkeit könne man aber nicht verbieten. Die Verbote würden nur darauf abzielen, „dass man die Betroffenen loswird. Dass man die Menschen mit dem Nächtigungsverbot vor der Kälte schützen will, ist wenig glaubwürdig.“ Es handle sich vielmehr um scheinheilige Argumente.
Bettelverbote gibt es mittlerweile in einer ganze Reihe von Städten in Österreich. Eine ähnliche Regelung, wie jene in Innsbruck hat Dornbirn. Sie wurde kürzlich vom Verfassungsgerichtshof als rechtmäßig eingestuft. Das Innsbrucker Alkoholverbot versuchte Stadtrat Gerhard Fritz (Grüne) mit einem Glas Rotwein in der Maria-Theresien-Straße und einer anschließenden Selbstanzeige zu kippen. Doch auch in diesem Fall bestätigte der VfGH den Weg der Stadt.
Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer (Für Innsbruck) verteidigt die Vorgehensweise und weist die Kritik zurück: „Innsbruck ist eine sehr soziale Stadt. Das haben wir auch bei unserem sehr pragmatischen Umgang mit Menschen auf der Flucht bewiesen“, sagt die Stadtchefin, die sich offensiv für die Schaffung von Asylquartieren eingesetzt hat.
Das „Überbordende“
Bei den verschiedenen Verboten, gehe es nur darum, das „Überbordende“ einzudämmen. So würde auch eine gewisse Anzahl von Bettlern akzeptiert. „Es ist kein Ausdruck einer sozialen Stadt, wenn Menschen auf der Straße schlafen müssen“, sagt Oppitz-Plörer. Es brauche aber natürlich auch alternative Nächtigungsmöglichkeiten.
Zwei Winternotschlafstellen sollen in Kürze eröffnen. Obdachlose, die das Angebot nicht annehmen, müssen mit Strafen von bis zu 2000 Euro rechnen. Das Nächtigungsverbot soll diese Woche den Gemeinderat passieren.
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