Innsbruck: Grüner Stadtchef in Nöten
Jeden ersten Montag im Monat hält Georg Willi im Innsbrucker Treibhaus „Sprechstund“. Dort wird der Bürgermeister von Kabarettist Markus Koschuh und Ex-SPÖ-Landesrat Thomas Pupp zu aktuellen Themen befragt. Bürger machen ihrem Ärger Luft. Die Baustellen in der Stadtpolitik sind vielfältiger, als es sich der Langzeitpolitiker Willi vor seinem Sieg gedacht haben dürfte.
Mit der Erwartungshaltung seiner Wähler kann der Bürgermeister bisher nicht Schritt halten. „Ich merke die Grenzen der Macht“, sagte er am Montag nach der Nationalratswahl bei seiner „Sprechstund“. Er würde gerne mehr machen, aber es geht nicht, bekennt Willi.
Warum er nicht mutiger agiere, wird der Bürgermeister an diesem Abend gefragt. „Der Mut hört sich auf, wenn man keine Mehrheit findet“, rechtfertigt er sich vor dem Publikum im Treibhaus mit koalitionären Zwängen.
Eine grüne Premiere
Hier wurde er von seinen Anhägern am 6. Mai 2018 stürmisch gefeiert. Ausgerechnet an seinem 59. Geburtstag gelang Willi die Sensation: In einer Stichwahl um das Bürgermeisteramt schlug er Amtsinhaberin Christine Oppitz-Plörer von der bürgerlichen Liste Für Innsbruck (FI). Er ist damit der erste grüne Chef einer Landeshauptstadt.
Der Erfolg in Innsbruck wurde damals von den wenige Monate zuvor aus dem Parlament geflogenen Grünen im ganzen Land als Schimmer der Hoffnung gepriesen, die sich letztlich erfüllte.
In Innsbruck erfolgte die Ernüchterung freilich auf den Fuß. Mitten in die Koalitionsgespräche platzte eine finanzielle Hiobsbotschaft: Der Bau der umstrittenen Patscherkofelbahn werde deutlicher teurer als erwartet (siehe unten). Dabei hatte Bahn-Geschäftsführer Martin Baltes noch kurz vor den Wahlen bei einer Pressekonferenz mit Oppitz-Plörer eine finanzielle „Punktlandung“ in Aussicht gestellt.
Mit dem Millionenloch wurde der nach mehr als 20 Jahren in die Kommunalpolitik zurückgekehrte Willi erstmals von der jüngeren Vergangenheit eingeholt. Und es sollte nicht das letzte Mal bleiben. Im Wesentlichen ist der Grüne seit Amtsantritt mit Aufräumarbeiten bei Projekten beschäftigt, die vor seiner Amtszeit in Gang kamen.
Auch wenn Willi die Entscheidungen selbst nicht mitverantworten muss: Seine Partei muss es. Denn sie war Teil einer von Oppitz-Plörer angeführten Vierer-Koalition zu der auch SPÖ und (ab Ende 2015) ÖVP gehörten. Mit dieser Parteienmischung regiert nun auch der 60-Jährige.
Ein Sieg mit Problemen
Außer den Grünen, die 2018 mit 24,2 Prozent Platz eins eroberten, mussten alle anderen Regierungspartner bei der vergangenen Gemeinderatswahl Federn lassen. Nicht nur die bei den Verlierern noch nicht abgeschlossenen internen Umbauarbeiten lähmen die Willi-Regierung. Gegenseitige Blockaden sind an der Tagesordnung.
Anders als seine Vorgängerin hat der Grüne in einem nunmehr in neun Listen zersplitterten Gemeinderat kaum alternativen Koalitionsoptionen. Gemeinsam kommt die Regierung auf 26 der 40 Mandate. Springt einer der Partner ab, ist die Mehrheit dahin.
Oppitz-Plörer war in ihrer Amtszeit hingegen auf maximal zwei Partner angewiesen und konnte die Zügel mit der Drohkulisse eines Koalitionsrauswurfs straffer führen. Zusätzlich konnte sie im koalitionsfreien Raum mehrfach Mitte-Rechts-Mehrheiten mit ÖVP und FPÖ schmieden.
Zuletzt versuchte Willi einen Befreiungsschlag, der vorerst jedoch gescheitert scheint. Wie berichtet, schob der Bürgermeister seiner Vorgängerin die politische Verantwortung für das Patscherkofel-Debakel zu, das zunehmend auch sein Image beschädigt. Gemeinsam mit der Opposition wählten die Grünen Oppitz-Plörer als erste Vize-Bürgermeisterin ab.
Doch das Kalkül, dass diese sich aus der Politik zurückzieht oder von ihren Leuten gestürzt wird, erfüllte sich nicht. Vielmehr wurde Oppitz-Plörer von ihrer Fraktion wieder als (nunmehr nicht amtsführende) Stadträtin bestellt.
Willi steckt in dem Machtpoker in der Sackgasse und übt sich in Zweckoptimismus: „Mir wäre es am liebsten, dass FI jemand anderen als Vize-Bürgermeister nominiert und die Ressorts übernimmt.“ Kommende Woche soll es Gespräche zwischen beiden Seiten geben, die betonen, die Koalition fortführen zu wollen.
Die Last des Vergangenen: Zwei Projekte stehen stellvertretend für Willis Probleme
Den Koalitionsmix aus Grünen, Für Innsbruck (FI), ÖVP und SPÖ hat Bürgermeister Georg Willi von seiner Vorgängerin Christine Oppitz-Plörer (FI) übernommen. Und das gilt auch für Altlasten dieser Vier-Parteien-Partnerschaft. Dass die Grünen umstrittene Entscheidungen mitgetragen haben, hängt wie Blei an Willi.
Patscherkofelbahn: Der Neubau einer Seilbahn auf den Innsbrucker Hausberg ist seit Jahren Causa Prima in der Stadtpolitik. Georg Willi war gerade frisch im Amt, da musste er im Juni des Vorjahres den Gemeinderat bereits um einen Nachschuss für die Ende 2017 eröffnete Bahn in Höhe von 11 Millionen Euro ersuchen. Die notwendigen Stimmen dafür kamen von den Parteien seiner Koalition.
Die hatten 2015 zunächst 38 Millionen für das Projekt freigegeben. Bei einem Architektenwettbewerb, bei dem die damalige Bürgermeisterin und ihr grüner Planungsstadtrat Gerhard Fritz in der Jury saßen, wurde später ein Siegerprojekt gekürt, das die Vorgaben und auch das Budget für die Bahn sprengte.
Kurz vor Baustart nickte die Vierer-Koalition 2017 im Gemeinderat die auf 55,3 Millionen Euro gestiegenen Kosten ab. Unmittelbar vor der Gemeinderatswahl 2018 wurde vom Bahngeschäftsführer (siehe oben) noch versichert, dass das Budget hält.
Seit nach der Wahl bekannt wurde, dass ein (noch dazu um einige Attraktivierungsmaßnahmen abgespecktes) Projekt statt der ursprünglich geplanten 38 Millionen Euro bis zu 66 Millionen Euro kosten könnte, ist Feuer am Dach.
Der grüne Bürgermeister Georg Willi hat zuletzt seiner Vorgängerin vorgeworfen, von den ausufernden Kosten gewusst und diese Information dem Gemeinderat vorenthalten zu haben. In der Folge unterstütze Willi die Abwahl von Oppitz-Plörer als Vizebürgermeisterin. Die Zukunft der Koalition ist ungewiss.
Pema II und Bibliothek: Mit dem Vorhaben, einen Wohnturm mit 90 Wohnungen am Innsbrucker Frachtenbahnhof zu errichten, war Immo-Investor Markus Schafferer ursprünglich angetreten. Studentisches und leistbares Wohnen sollte im Pema II genannten Komplex entstehen.
In dem Glasturm wurden letztlich 173 Wohnungen realisiert, die für die breite Masse unerschwinglich sind. Dass Ex-Bürgermeisterin Oppitz-Plörer und Ex-Grünen-Planungsstadtrat Gerhard Fritz entgegen einem Projektsicherungsvertrag ein zusätzliches Geschoß im Pema II ermöglichten, sorgte nach einem kürzlich veröffentlichten Prüfbericht für massive Kritik der Opposition. Fritz stellte sein Mandat als Gemeinderat vorerst ruhend.
Er erklärt sein Vorgehen damit, dass dadurch der Preis für die 20 Millionen Euro teure neue Stadtbibliothek gedrückt werden konnte. Die dafür angekauften Räumlichkeiten sind Teil des Pema II.
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