"Im Blindflug über die Straßen"
13 Stunden am Stück war der rumänische Lkw-Fahrer ohne Pause unterwegs, bis er auf der A4 bei Nickelsdorf gestoppt wurde. Bei einer Kontrolle bestätigte sich der Verdacht der Polizisten: Der 50-jährige Lenker hatte den digitalen Fahrtenschreiber manipuliert. Von den tatsächlich gefahrenen 1200 Kilometern waren lediglich 739 aufgezeichnet worden. Diese gravierende Überschreitung der erlaubten Fahrzeit ist kein Einzelfall, wie der KURIER bei einem Lokalaugenschein in Nickelsdorf erfuhr.
"Bei den Schwerverkehrskontrollen merken wir, dass 40 Prozent der Fahrzeuge die vorgeschriebene Lenk-und Ruhezeit nicht einhalten", sagt Andreas Stipsits. Laut dem Leiter der Landesverkehrsabteilung (LVA) Burgenland würden aber nicht alle Lenker die Fahrzeit so eklatant überschreiten wie im geschilderten Fall. Fest stehe aber, dass es in letzter Zeit eine Zunahme an Manipulationen an Lkw gebe.
Für Karl Delfs, Bundessekretär des Fachbereichs Straße in der Gewerkschaft vida, ist die Situation alarmierend. Übermüdete Lenker seien immer mehr eine Gefahr im Straßenverkehr, heißt es sowohl von Gewerkschaftsseite, als auch vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ).
37 Tote
Laut VCÖ kamen heuer im ersten Halbjahr 37 Menschen bei Verkehrsunfällen mit Lkw-Beteiligung ums Leben. Das sind um 48 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahrs, als 25 Personen aufgrund einer Lkw-Beteiligung starben, erklärt VCÖ-Sprecher Christian Gratzer.
"Die wenigsten wissen, dass durch die Tricksereien an den Kontrollgeräten auch die Sicherheitssysteme am Fahrzeug ausgeschaltet werden", warnt Delfs. Wird der digitale Tachograf manipuliert, können etwa das Antiblockiersystem (ABS), Geschwindigkeitsbegrenzer oder Verschalt-Sperren im Getriebe deaktiviert werden. "Der Lenker fährt dann im Blindflug über die Straßen ."
Zwischen 25 und 35 Prozent der Lkw, die in Österreich unterwegs sind, seien seiner Erfahrung nach und laut einer aktuellen Statistik aus Deutschland manipuliert, sagt Delfs. 1900 Manipulationen wurden im Vorjahr bundesweit festgestellt, heißt es vom Ministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit).
Der Grund für das falsche Spiel rund um die Fahr- und Ruhezeiten sei der steigende Druck auf die Lenker. Betroffen seien vor allem ausländische Fahrer, sagt der Gewerkschafter. Drohende Strafen bei nicht termingerechter Lieferung würden den Druck noch erhöhen.
Die Arten der Manipulationen sind unterschiedlich. Die Verwendung mehrerer Fahrerkarten ist eine davon. Während nur noch wenige Fahrzeuge mit analogen Kontrollgeräten ausgerüstet sind, kennt die Raffinesse der Manipulierer bei den digitalen Fahrtenschreibern kaum Grenzen. Mit einem Magnet hat etwa ein bulgarischer Lenker seinen Tachografen beeinflusst, wie sich der KURIER bei einer Kontrolle in Nickelsdorf überzeugen konnte. "Der Fahrtenschreiber wird getäuscht, indem der am Getriebe angebrachte Impulsgeber keine Daten an das Kontrollgerät übermittelt. Dem Lkw wird vermittelt, er befinde sich in einem Ruhezustand", sagt ein Beamter der LVA.
200.000 Übertretungen
Das Nachweisen der Manipulation ist nicht einfach und bedarf viel Routine. Knapp 1200 Polizisten sind in Österreich darauf geschult, sagt Martin Germ, Abteilungsleiter für Verkehrsdienst der Bundespolizei. 135.000 Fahrzeuge wurden im Vorjahr bundesweit kontrolliert, dabei wurden 200.000 Übertretungen registriert.
Nicht jeder Lkw ist betroffen, bei manchen Fahrzeugen gebe es eben mehrfache Verstöße. Mit Strafen von bis zu 5000 Euro müssen Fahrer bzw. Frächter rechnen, wenn sie mit manipulierten Fahrzeugen unterwegs sind.
Noch mehr Kontrollen hält Germ nicht für notwendig: "Wir sind gut aufgestellt und übertreffen die Kontrollvorgaben der EU-Kommission bereits um das Zweieinhalbfache." 2019, so hofft man im Verkehrministerium, soll sich die Situation durch die Einführung von intelligenten Fahrtenschreibern verbessern. Diese liefern alle drei Sunden ein Update über den Aufenthaltsort des jeweiligen Lkw oder Busses.
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