Identitäre haben "Grenze noch nicht überschritten"

Die Erstverhandlung fand im Juli statt
Keine Verhetzung, nur "politische Agitation": Oberlandesgericht Graz bestätigte in letzter Instanz 17 Freisprüche.

Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) hat eine kurze Beschreibung für die Identitäre Bewegung: rechtsextrem in moderner Form.

Das Urteil von Juristen ist komplexer. Es fehle der „zweifelsfreie Nachweis“, dass diese Gruppe unter den Chefs Martin Sellner und Patrick Lenart „zu Hass aufgestachelt“ hätte, wertet ein Senat des Oberlandesgerichts Graz Mittwochnachmittag: Die Freisprüche für 16 Männer und eine Frau, die im Vorjahr wegen Verhetzung und Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt waren, sind rechtskräftig.

Die letzte Instanz setzt damit die Grenze fest, zu der sich die Identitären wagen dürfen, ohne dass ihnen das Recht droht. „Agitation ist als Hetze zu verstehen, aber auch als politische Propaganda“, begründet der vorsitzende Richter. „Dazwischen ist ein fließender Übergang, bei dem wir die Grenze noch nicht überschritten sehen.“

Drei Vorfälle führten zu der Anklage: Eine mit Parolen gestörte Vorlesung an der Uni Klagenfurt, bei der ein Mann in Lederhosen von vermeintlichen Burkaträgerinnen symbolisch gesteinigt wurde. Ein „Islamisierung tötet“-Plakat auf dem Dach der grünen Parteizentrale in Graz samt verschüttetem Kunstblut. Außerdem ein Transparent, das die Identitären auf der türkischen Botschaft in Wien entrollten: „Erdogan, hol deine Türken ham“.

Im Zweifel

Für den Ankläger war das Hetze, weil „undifferenziert Islam und Muslime als Terroristen dargestellt“ worden sei. Der Erstrichter sah das nicht so. „Es sind mehrere Auslegungsvarianten möglich“, begründete er im Juli. „Da hat das Gericht im Zweifel für die Angeklagten zu entscheiden.“

Der Staatsanwalt berief dagegen, das Oberlandesgericht folgt jedoch am Mittwoch dem Einzelrichter. „Das klingt vielleicht unbefriedigend, weil die Angeklagten geschickt agierten“, überlegt der Vorsitzende. „Aber als Gericht kann man sich nicht auf Zurufe konzentrieren, das mag dem einen oder anderen jetzt nicht passen.“ Einzig bei einem Aspekt gab es eine Änderung: Ein Angeklagter wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er den Rektor der Uni Klagenfurt verletzt haben soll. Das muss neu verhandelt werden.

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