"Ich bin Masochist. Ich fahre gerne nach Wien"

"Ich bin Masochist. Ich fahre gerne nach Wien"
Ella Zwieback und ihr Kaufhaus waren ein Stück mondäne Weltläufigkeit in Wien. 1938 wurde sie enteignet. Ihr Enkel, der Schauspieler August Zirner, wirft Wien mangelnde Erinnerungskultur vor.

Das Aufarbeiten von Geschichte ist Schwerarbeit. Man muss es wollen. In Österreich, sagt August Zirner, sei die Aufarbeitung nicht gelungen. Und er setzt hinzu: „Ich bin Österreicher. Ich darf das sagen.“

Der Schauspieler und Musiker August Zirner, geboren 1956 in den USA als Kind jüdischer Emigranten, hat mit seiner Tochter Ana Zirner ein Buch über die Familiengeschichte geschrieben. Über seine Mutter, Laura Zirner, Wiener Jüdin, die 1938 über Kanada in die USA flüchten konnte und über seine Großmutter Ella Zwieback, ehemalige Besitzerin des legendären Kaufhauses Zwieback auf der Kärntner Straße. „Ella und Laura“ ist einerseits die persönliche Geschichte zweier ungewöhnlicher Frauenleben, andererseits Zeugnis des zweifelhaften Umgangs mit Vergangenheit. Eine, wenn man so will, typisch Wienerische Geschichte.

"Ich bin Masochist. Ich fahre gerne nach Wien"

Das Buch: Ana Zirner und August Zirner beginnen etwa zeitgleich damit, sich für die Geschichten ihrer Großmütter zu interessieren. Sie blicken nach Wien, in die Zeit zwischen den Weltkriegen. Augusts Großmutter Ella Zirner-Zwieback leitet das noble Modekaufhaus »Maison Zwieback« in der Kärntnerstraße. Sie gilt als Grande Dame des Wiener Großbürgertums. Gleichzeitig lebt dort das Mädchen Laura Wärndorfer. Die Stoffe der Spinnerei von Lauras Vater werden in Ellas Kaufhaus verarbeitet. Doch die beiden begegnen einander erst später, im Jahr 1942 in New York.

Die Autoren: Ana Zirner, geboren 1983, ist Autorin und Bergsportlerin, nachdem sie als Film- und Theaterregisseurin sowie als Kulturmanagerin tätig war. August Zirner, geboren 1956, ist Schauspieler und Musiker. Als Kind österreichischer Emigranten jüdischer Herkunft kam er in den Vereinigten Staaten zur Welt, seit 1973 lebt er in Europa. Er hat in über 140 Filmproduktionen mitgewirkt. Acht Jahre lang war er an den Münchner Kammerspielen, außerdem am Schauspielhaus Zürich und am Burgtheater in Wien.

Buchpräsentation
Ana Zirner und August Zirner präsentieren „Ella und Laura“ am  24. Oktober um 11 Uhr im  Theater in der Josefstadt. Info:
josefstadt.org

Lesung
Am 9. November, 20 Uhr, wird August Zirner mit Sven Faller im Musikverein mehr zu seiner Lebensgeschichte erzählen. Info: musikverein.at

Sie soll eine einflussreiche, gefürchtete Geschäftsfrau gewesen sein. Ella Zirner-Zwieback war innovativ und extravagant, ihr Modesalon, französisch Maison bezeichnet, war eine Institution und ein Symbol damaliger Wiener Weltläufigkeit.

Von 1906 bis 1938 leitete Ella Zwieback das von ihrem Vater gegründete mondäne Kaufhaus, 1924 eröffnete sie ein daran angeschlossenes elegantes Café in der Weihburggasse, gebaut nach ihren Entwürfen sowie nach den Plänen des Architekten Friedrich Ohmann.

Ella Zwieback wurde als Jüdin 1938 von den Nazis enteignet und genötigt, die Konzession für ihr Café zurücklegen – zugunsten des Berliner Gastronomen Otto Horcher, dem man gute Kontakte zum NS-Regime nachsagte. Zuvor hatten sich drei Offiziere in der Immobilie eingemietet und anstelle des Café Zwieback das Restaurant „Zu den Drei Husaren“ gegründet. Anders als den meisten österreichischen Juden gelang Ella Zwieback gemeinsam mit ihrem Sohn Ludwig die Flucht nach Amerika. 1970 starb sie in New York.

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