"Hunderte Menschen zittern noch"

Familie Hamaazeez bangt noch: Rawya und Delan haben mit ihren Kindern Alan und Ayenne in Kumberg ein neues Zuhause gefunden.
Initiative kritisiert, dass Rückweisungen nach Kroatien trotz Höchstgericht-Spruch weitergingen.

Im November 2015 kamen Delan und Rawya Hamaazeez mit Alan und Ayenne in Spielfeld an. "Wir sind von Land zu Land gebracht worden", erinnert sich Delan, der im Irak Polizist war und vom IS bedrängt worden sei, sich doch anzuschließen. "Das war dann auch für die Kinder gefährlich. Sie haben mir gedroht, sie als Geiseln zu nehmen."

Ihre Flucht führte über die Türkei nach Griechenland und weiter die Balkanroute entlang. Seit einem Jahr lebt die Familie in Kumberg und hat immense Unterstützung: Als der erste Abschiebeauftrag vollzogen werden sollte, formierten sich Lichtermeer und Demonstrationen für sie.

Ein Dublin-III-Fall

Doch noch immer ist auf der Bescheid auf Rückweisung nach Kroatien aufrecht. Denn die Hamaazeez’ fallen unter die Dublin-III-Verordnung: Weil sie dort erstmals registriert worden sind, soll ihr Asylverfahren in Kroatien abgewickelt werden.

Wie viele weitere Betroffene wollen sie aber in Österreich bleiben. "Wir haben noch Hunderte Menschen, die zittern", bedauert Petra Leschanz von Border Crossing Spielfeld. Die Juristin blättert in ihren Papieren und zählt: Allein der Plattform sind 51 Menschen namentlich bekannt, die seit 17. November außer Landes gebracht worden sind, obwohl tags zuvor ein brisantes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes erging. Die Höchstrichter halten darin Rückschiebungen nach Kroatien für unzulässig, solange der Europäische Gerichtshof nicht über eine Klage Sloweniens entschieden habe. Damit soll geklärt werden, ob Dublin III überhaupt greift: Am Höhepunkt der Flüchtlingswelle wurden die Betroffenen staatlich organisiert weitergebracht. Das schließe illegale Einreise aus.

Border Crossing Spielfeld rügt indes, dass die Rückweisungen trotzdem weitergingen. "Der Spitzentag war am 30. November", schildert Leschanz, "da waren es neun Personen. Dass es insgesamt 51 waren, hat uns von der Anzahl her auch überrascht."

Das Innenministerium geht von 2000 Menschen aus, die das Erkenntnis des Höchstgerichts betrifft. Bis Ende Oktober seien 300 nach Kroatien zurückgebracht worden, also noch vor VwGH-Beschluss. Die generelle Verwaltungspraxis sei wegen des Erkenntnisses nicht zu ändern, heißt es aus dem Ministerium. Aber man werde jede "individuelle Beschwerde" prüfen.

Auch Familie Hamaazeez setzt auf das VwGH-Erkenntnis. "Mit Bussen und Polizei" seien sie von Kroatien weiter bis nach Slowenien und Österreich gebracht worden, beteuert Delan. Dennoch bleibe jeden Tag die Angst, dass am nächsten Morgen die Polizei kommen könnte. "Wir haben unsere Taschen schon gepackt", sagt Delan.

Hoffnung für andere

Auch Sasan H. hatte einen gepackten Rucksack mit dem Nötigsten griffbereit. Der Iraner ist seit Jänner im Land, hatte aber einen Abschiebebescheid.

Doch jetzt kann er aufatmen: Donnerstag wurde der iranische Mathematiker verständigt, dass Österreich sein Asylverfahren abwickelt. Das lasse Hoffnung für die anderen Dublin-Fälle zu, glaubt Leschanz. "Am besten wäre es aber, sämtliche Verfahren von vornherein jetzt einmal auszusetzen, wie es der VwGH empfiehlt."

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