Hilfseinsatz im Ausland voll im Trend
Reisen in den Süden liegen im Trend. Immer mehr Österreicher verzichten dabei aber auf all-inklusive, Cocktails am Pool sowie Badestrand und nehmen Strapazen und finanzielle Belastungen in Kauf, um freiwillig bei Sozialprojekten mitarbeiten zu dürfen. Bei den Organisationen gibt es mittlerweile schon Wartelisten. Der typische Helfer ist dabei eine Frau.
"Wir bieten seit 2012 internationale Freiwilligeneinsätze an, die Anfrage ist massiv gestiegen", bestätigt Stefanie Bergkirchner von der Caritas, dass in die Welt reisen, fremde Kulturen kennen lernen und Gutes tun voll im Trend liegt. Rund 55 Freiwillige sind für fünf Caritas-Organisationen international im Einsatz. "Die Nachfrage ist größer als unser Angebot", sagt Bergkirchner. Rund 70 weitere Bewerber umfasst derzeit die Interessentengruppe.
Zumindest drei Monate soll man sich "verpflichten", die meisten bleiben sechs. "Es sind oft 18- bis 25-Jährige, die nach der Matura vor dem Einstieg ins Berufsleben noch eine sinnvolle Auszeit machen wollen. Oft hört man, dass sie etwas zurückgeben wollen, weil es ihnen im Vergleich zu anderen Ländern so gut geht", erzählt Bergkirchner. Weibliche Freiwillige überwiegen: "Das Interesse an Projekten mit Kindern ist bei ihnen besonders groß."
125 Personen schickte das Wiener Büro von "Ärzte ohne Grenzen" im Vorjahr in Krisengebiete. "Das Interesse ist generell hoch, seit Jänner erleben wir sogar eine erhöhte Nachfrage", erklärt Sprecher Florian Lems. Doch nicht jeder kann mitmachen: "Wir suchen Fachkräfte. 42 Prozent davon kommen aus nichtmedizinischen Berufen, wie Logistik oder Technik", sagt Lems. Einsätze dauern bis zu einem Jahr.
Auf die Vermittlung von Freiwilligen hat sich der Verein "Voluntaris" spezialisiert. "Im vergangenen Jahr haben wir 13 Leute zu Sozialprojekten gebracht. Wir haben viele Pensionisten, die sich einen Lebenstraum erfüllen. Die Leute wollen andere Kulturen nicht als Touristen kennenlernen, sondern hinter die Kulissen blicken und sich sinnvoll einbringen", sagt Sprecherin Ines Refenner.
An Grenzen gehen
"Es war in jeder Hinsicht eine Bereicherung für mich, eine unglaubliche Erfahrung. Und ich würde es gerne wieder machen" – die 25-jährige Sarah Kienbacher aus Amstetten (NÖ) war für den Hilfsverein SONNE International (www.sonne-international.org) ein dreiviertel Jahr in Bangladesch im Einsatz. Dafür gab es ein winziges Zimmer bei 30 Grad und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit, WC und Dusche bestehend aus einem Loch im Boden mit Wasserkübel und ständige Stromausfälle. Die Niederösterreicherin kümmerte sich um Kinder aus benachteiligten Familien, denen der Hilfsverein mit Spenden aus Österreich eine Schulbildung ermöglicht. "Ich war Mädchen für alles, habe Englisch unterrichtet, die Baustelle für ein neues Hostel beaufsichtigt, den Kontakt zwischen Pateneltern und den Kindern betreut und bei Computerkursen mitgearbeitet", erzählt die Niederösterreicherin. Dass sie im Umkreis von vielen Kilometern die einzige Europäerin war, sich mit den meisten Leuten vor Ort kaum verständigen konnte und einen Zyklon miterleben musste, war Nebensache. "Die Gemeinschaft, der Zusammenhalt untereinander waren toll. Ich habe viel gelernt. Ich bin an Grenzen und teilweise ein Stückerl darüber hinaus gegangen. Vieles sehe ich jetzt mit anderen Augen", sagt Kienbacher.
Finanzielles
Zahlreiche Institutionen bieten Freiwilligeneinsätze. Die Rahmenbedingungen sind aber sehr unterschiedlich. Fix ist nur: Versicherungen sind obligatorisch. Ärzte ohne Grenzen erhalten für den Einsatz im Krisengebiet pro Monat 1000 Euro brutto. Caritas-Freiwillige erhalten kein Entgelt, müssen Kosten für das Quartier selbst tragen. Bei Voluntaris sind 2600 Euro für sechs Monate zu zahlen.
Harald Auer ist für Caritas Österreich (www.caritas.at) in Uganda im viermonatigen Freiwilligeneinsatz. Im Kankobe Children’s Home, wo er bei der Betreuung von rund 100 Waisenkindern mithilft. "Ich bin berührt von den vielen intensiven Erfahrungen, die ich bereits mit den Kindern machen durfte. Die Vergangenheit der kleinen Schützlinge sieht nicht besonders rosig aus, verloren doch die meisten von ihnen ihre Eltern und nahen Verwandten aufgrund von Aids."
Die Aufgabe von Auer besteht vor allem darin, die Kinder und Jugendlichen am Nachmittag und Abend zu betreuen. Zudem hilft er ihnen bei den Hausaufgaben. "Ich sehe meine Aufgabe unter anderem darin, einfach für die Kinder da zu sein, ihnen meine Aufmerksamkeit zu schenken, sie als eigenständige, wertvolle Persönlichkeiten wahrzunehmen und ihnen möglichst viel menschliche Wärme zu vermitteln."
Die bisherige Bilanz ist sehr positiv: "Uganda ist ein schönes Land mit großer Armut, aber vielen würde- und respektvollen Menschen. Ich empfinde es als großartige Gelegenheit, eine fremde Kultur so hautnah miterleben zu dürfen. Die Arbeit mit den Kindern bereitet mir große Freude und ich bin mir sicher, dass ich viele schöne Erinnerungen und tiefgehende Eindrücke von meinem Freiwilligendienst mit nach Hause nehmen werde."
"Schon als Kind wollte ich Ärztin werden und nach Afrika reisen" – zwei Ziele, die Tanja Rau verwirklichte. Die Wiener Ärztin kehrte vor Kurzem vom neunmonatigen Einsatz in Uganda für Ärzte ohne Grenzen (www.aerzte-ohne-grenzen.at) zurück. Zuvor war sie im Sudan. "Ich habe 2007 mein Studium beendet. Mir war klar, dass ich humanitäre Hilfe mache." Obwohl sich Rau gut vorbereitet hatte, gab es Anpassungsprobleme: "Vieles war Management-Tätigkeit, ich baute eine mobile Klinik in einem Flüchtlingslager auf. Dann muss man sich auf die andere Kultur, den Lebensstandard einstellen." Und akzeptieren, dass Hilfe Grenzen hat: "Man tut was man kann. Es ist deprimierend, wenn man keine Medikamente auftreiben kann und die Menschen sterben. Das ist schwer zu verarbeiten. Aber in vielen Fällen kann man helfen."
Die Erfahrung will Rau nicht missen: "Man erlebt Kultur und Leben hautnah mit. Und man bekommt viel zurück, die Leute sind unglaublich dankbar. Ich war in vieler Hinsicht gefordert und habe auch Fähigkeiten wie Kommunikationsvermögen und Führung gelernt."
Dass das Gehalt von 1000 Euro die Fixkosten daheim nicht deckt und die Tropenmedizin-Ausbildung um die 6000 Euro selbst zu tragen war, ist kein Thema: "Jetzt will ich in Österreich Fuß fassen, aber irgendwann zieht es mich sicher wieder hin."
"Nach Jahren in der Öffentlichkeitsarbeit wollte ich ,etwas anderes‘ machen. Meine Tochter ist erwachsen, ich muss also nicht mehr so viel Rücksicht nehmen. Und im Ausland leben und arbeiten wollte ich schon immer", sagt Susanne Meitz, die von "Voluntaris" (www.voluntaris.at) zu einem Sozialprojekt in Mexiko vermittelt wurde. Bei "Sueninos" werden Kinder betreut, die ihre armen Familien als Straßenverkäufer oder Schuhputzer unterstützen müssen und deshalb die Schule meist nicht besuchen können. "Man hat jemand gesucht, der neben Aufgaben im Marketingbereich Videos über das Projekt und mit den Jugendlichen macht. Genau das, was ich gerne tue – eine Win-win-Situation", schildert Meitz.
Von ihrer Aufgabe ist sie begeistert: "Das Projekt ist wirklich toll und sinnvoll – eigentlich noch besser als erwartet. Die Freiwilligen sind voll integriert." Dass sie mit den Leute vor Ort lebt und deren Vertrauen gewinnen konnte, freut sie besonders und ermöglicht intensive Erfahrungen und Einblicke: "Ich entdecke täglich neue Möglichkeiten, möchte jetzt ein Videoporträt über Frauen bei Sueninos machen."
Ob sie ein ähnliches Abenteuer wieder machen würde? "Derzeit kann ich mir eine Rückkehr gar nicht vorstellen, vielleicht ziehe ich gleich weiter. Momentan ist die Zukunft nicht wichtig, nur das Hier und Jetzt."
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