Herbert von Karajans unbedankte Frau

Herbert von Karajans unbedankte Frau
Das gibt’s nur bei uns. Teil 2 der Serie. Aus dem neuen Buch von Georg Markus

Als ich sie kennenlernte, war sie schon krank und von Altersschwäche gezeichnet. Aber sie konnte noch lebhaft erzählen, und es gab keinen Zweifel daran, welche Zeitspanne die wichtigste in ihrem Leben war: Es waren die Jahre von 1940 bis 1958, die sie an der Seite Herbert von Karajans verbracht hatte.

Die erste Begegnung

Anita von Karajan war die zweite Frau des Dirigenten und der Motor seines Erfolgs, sie erlebte den rasanten Aufstieg aus nächster Nähe, sie war es aber auch, die seine Karriere gerettet hat. Und dann von ihm fallen gelassen wurde. Anita Gütermann, so ihr Mädchenname, stammte aus einer bekannten Industriellenfamilie. Als sie Karajan 1940 in einem Berliner Restaurant kennenlernte, verliebten sie sich ineinander. „Die Tür ging auf“, erzählte sie, „er küsste mir die Hand und sagte: ,Wir werden einander heute Abend wohl nicht vorgestellt.‘ Später hat er mir gesagt: ,In diesem Moment habe ich gewusst, dass ich dich heirate.‘“

Doch Karajan verschwieg ihr, dass er bereits verheiratet war. Als Anita davon erfuhr, beendete sie die Beziehung und ging nicht mehr ans Telefon, wenn er anrief. Da meldete sich Karajans Sekretär unmittelbar vor Beginn eines Konzerts und rief verzweifelt in den Apparat: „Gnädige Frau, gehen Sie um Gottes willen ans Telefon, das Publikum sitzt da unten und wartet!“ Karajan weigerte sich, das Podium zu betreten, bis er Anita am Apparat hatte. Erst als sie abhob und fernmündlich einer Heirat zustimmte, ging Karajan auf die Bühne, um sein Konzert zu dirigieren.

Nun leitete er die Scheidung von seiner ersten Frau ein, doch bald ergab sich ein neuerliches Problem: Joseph Goebbels, der Propagandaminister des Dritten Reichs, hatte ein Auge auf Anita Gütermann geworfen – und das, obwohl er wusste, dass sie in der Diktion der Nazis „Vierteljüdin“ war. Der Maestro ließ sich davon nicht beirren und heiratete Anita im Oktober 1942.

Verharmlosend

Anita von Karajans Nichte Alexandra Gütermann hat viele Gespräche mit ihr geführt und nach ihrem Tod in Kartons Anitas Nachlass entdeckt, aus dem sie in einem Buch über ihre Tante zitiert. Was Anita da über die Nazizeit berichtet, klingt freilich verharmlosend. Sie und ihr Mann wollten nichts mit den Nationalsozialisten zu tun gehabt haben, Karajan hatte keine Ahnung von Politik, NSDAP-Mitglied sei er nur geworden, um in Aachen Generalmusikdirektor werden zu können, erzählte sie. „Das waren so die Anfangsgeschichten.“

Auftrittsverbot

Die so nicht stimmen, denn Karajan war bereits 1933 in Salzburg der NSDAP beigetreten – zu einem Zeitpunkt, als die Partei in Österreich verboten war. In Aachen wurde er dann ein zweites Mal Mitglied, womit der erste Beitritt für ungültig erklärt wurde.

Nach dem Krieg als Parteimitglied belastet, wurde Karajan in Wien von den Alliierten mit Auftrittsverbot belegt. Damit war der Moment gekommen, da ihm die Ehe mit seiner „nichtarischen“ Frau zur wichtigen Stütze wurde.

1945 flehte Herbert von Karajan seinen „halbjüdischen“ Schwiegervater Paul Gütermann in einem Brief an, ihm in seinem „Entnazifizierungsprozess“ beizustehen. Anita und ihre Familie verteidigten Karajan, was dazu beitrug, dass er ab Oktober 1947 wieder dirigieren durfte.

Die dritte Frau

Als besonders dankbar sollte er sich Anita gegenüber nicht erweisen. Denn als Karajan das 18-jährige französische Mannequin Eliette Mouret kennenlernte, ließ er sich von seiner zweiten Frau scheiden.

Anita hatte einen großen Anteil an Karajans Karriere, aber die Früchte erntete eine andere. Dennoch blieb der Maestro bis zu seinem Tod 1989 mit seiner zweiten Frau in gutem Einvernehmen. „Anita hat Karajan sehr vermisst, aber sie haben ihren Frieden gemacht“, sagt ihre langjährige Freundin Sylvia Eisenburger-Kunz.

Anita von Karajan starb im Februar 2015 im Alter von 97 Jahren in Wien.georg.markus

Lesen Sie morgen: Der Kriminalfall Hofrichter

Neues Buch

Der KURIER bringt Auszüge aus dem eben erschienenen Buch von Georg Markus, „Das gibt’s nur bei uns“, in dem er außergewöhnliche Geschichten aus Österreich erzählt. Darunter „Die Österreicher und ihre Titel“, „Beethovens letzte Reise“, „Des Kaisers treuer Kammerdiener“, „Einbrecher im  Haus von Franz Lehár“, Mordanschlag aus Liebe“,„Franz Liszt zerstört jedes Klavier“ u. v. m.

Amalthea Verlag, 304 Seiten, zahlreiche Fotos und Dokumente,  € 26,-. Erhältlich im Buchhandel oder für KURIER-Premium-Mitglieder – versandkostenfrei und handsigniert vom Autor – unter   05 9030-77 oder kurierclub.at

Kommentare