Helmut Elsner diesmal freigesprochen

"Selbstverständlich nicht schuldig": Helmut Elsner trotzte wie gewohnt allen Vorwürfen.
80-jähriger Ex-Bawag-Chef hat Kampf um seine Millionenabfertigung gewonnen.

Vom Urteil einmal abgesehen, ist es fast ein Déjà-vu im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts. Nur Helmut Elsner betrachtet interessiert die zum Plafond reichenden Marmorsäulen, als hätte er sie noch nie gesehen. Über 100 Verhandlungstage ist der Ex-Bawag-Chef hier schon auf der Anklagebank gesessen.

Am Montag stellt er sich freiwillig der Privatanklage seines einstigen Arbeitgebers, der ihm vorwirft, rund 6,8 Millionen Euro Pensionsabfindung betrügerisch erschlichen zu haben. Aber diesmal kann der 80-Jährige einen Triumph für sich verbuchen. Das Gericht fällt einen Freispruch und gibt auch gleich Elsners bis jetzt gesperrte Privatstiftung Gambit frei, in der er die Abfertigung (auch als Vorsorge für seine Frau) deponiert hatte.
Um dieses Vermögen ging es. Eine Zusatzstrafe hätte der für haftuntauglich befundene Elsner ohnehin nicht mehr bekommen können, die Höchststrafe wegen Untreue von zehn Jahren Haft ist rechtskräftig. Aber über einen (weiteren) Schuldspruch wollte die Bawag die Abfertigung wieder zurück bekommen. Ohne Erfolg.

Ärztlicher Beistand

Montag Vormittag: Wie schon 2007 und 2008 gibt ein Internist auf den herzkranken Elsner acht. Aber diesmal benötigt der von seiner Frau Ruth begleitete Elsner keinen Sauerstoff, niemand muss ihm eine Decke gegen das Frösteln bringen und seine Beine brauchen nicht hochgelagert zu werden. Der Aufenthalt im bayrischen Kurort Bad Reichenhall, mit dem er sich bisher dem Verfahren entzogen hatte, dürfte Elsner gut getan haben. Einzig eine kleine Mineralwasserflasche hat er zur Stärkung mitgebracht.

Wie gehabt, ertönt dafür sehr bald sein schnarrendes „selbstverständlich nicht schuldig“, auf die Frage des Vorsitzenden, wie er sich zu den Vorwürfen bekenne. Mit dem Nachsatz, er könne nachweisen, „dass hier geschwindelt wurde.“ Und zwar von der Bawag und von Investmentbanker Wolfgang Flöttl, der 1,5 Milliarden Euro verspekuliert hatte. Oder auch nicht, so wie Elsner das sieht.

Bawag-Anwalt Martin Dohnal wirft Elsner vor, im Jahr 2000 den Aufsichtsrat über seine Verfehlungen hinweggetäuscht und dazu bewogen zu haben, ihm seine Firmenpension vorzeitig abzufinden. Man habe damit ausdrücklich Elsners Lebensleistung nach 45 Jahren Amtszeit belohnt. Ex-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger sagt später im Zeugenstand, hätte er damals von Elsners Malversationen und dem Totalverlust aus den an Kontrollinstanzen vorbei geschleusten Spekulationen gewusst, dann hätte er der Auszahlung nicht zugestimmt.

Smoking gun

Elsners Verteidiger Andreas Stranzinger hätte erwartet, dass die Bawag für ihre Anschuldigungen eine „smoking gun“ (einen rauchenden Colt als Tatwaffe) vorlegt und die Frage beantwortet, wo das angeblich verspekulierte Geld sei. Schon der Oberste Gerichtshof habe eine Klärung vermisst, ob tatsächlich Verluste vorlagen.

Er, Stranzinger, habe auf Flöttls Konten noch nach dem angeblichen Totalverlust 220 Millionen Dollar gefunden. Woraus klar ersichtlich sei: „Flöttl hat alle getäuscht.“

Darauf will auch Helmut Elsner gern herumreiten, das treibt den 80-Jährigen an. Es gehe ihm „heute ganz gut, weil ich etwas aufklären kann“, hat er auf dem Weg ins Gericht dem ORF erklärt.

Dass Elsner seine Befugnisse missbraucht und den Bawag-Aufsichtsrat über die Investments getäuscht, und dass Flöttl ohne eigenes strafrechtliches Verschulden in Elsners Auftrag riskant spekuliert und (fast) alles verloren hat, ist bereits rechtskräftig festgestellt. Elsners Ausschweifungen in diese Richtung unterbricht Richter Christian Böhm daher prompt mit dem Satz: „Herr Elsner, wir reden aneinander vorbei!“

Vom Vorwurf des Betruges spricht der Senat den Ex-Bawag-Chef jedoch frei und verweist die Bank mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg. Erschlichen hat sich Elsner die Abfindung demnach nicht. Ein Dienstnehmer sei nicht verpflichtet, seinem Dienstgeber eventuelle Entlassungsgründe mitzuteilen.

Richter Böhm ließ mit der Begründung aufhorchen, dass es damals wie heute üblich sei, selbst bei groben Verfehlungen Vorstände in allen Ehren zu verabschieden, um medialen Wirbel zu vermeiden.

Der Bawag-Skandal beschäftigt die Justiz seit über acht Jahren 1995Helmut Elsner wird Generaldirektor der Gewerkschaftsbank und nimmt die riskanten Karibikgeschäfte mit Wolfgang Flöttl (die dessen Vater als Elsners Vorgänger eingefädelt und damit Gewinne gemacht hatte) wieder auf.

2000 Flöttl junior setzt mit Währungsspekulationen 1,5 Milliarden Euro in den Sand. Das wird zunächst vertuscht.

2003 Elsner geht mit allen Ehren in Pension. Schon zuvor hat er 6,8 Millionen Euro Abfindung kassiert, sich dafür eine Villa mit Pool in Südfrankreich als Alterssitz gekauft und den Rest in einer Privatstiftung deponiert.

2006 Das New Yorker Brokerhaus Refco, mit dem die Bawag in Geschäftsverbindung stand, macht Pleite. Das bringt auch die Bawag-Spekulationsverluste ans Tageslicht. Elsner wird in Südfrankreich verhaftet, ein Tauziehen um die Auslieferung beginnt.

2007 Elsner wird nach Wien überstellt, in U-Haft genommen und am Herzen operiert. Mitte Juli beginnt der Bawag-Prozess gegen ihn, seinen Nachfolger Johann Zwettler, andere Ex-Vorstände und den Aufsichtsratspräsidenten.

2008 Richterin Claudia Bandion-Ortner, die später Justizministerin wird, verkündet die Urteile. Alle werden verurteilt.

2010 Der Oberste Gerichtshof hebt Teile des Urteils auf und ordnet eine Neudurchführung des Prozesses in einigen Punkten an. Der Schuldspruch gegen Elsner wegen Untreue wird jedoch bestätigt, die Höchststrafe von zehn Jahren rechtskräftig.

2011 Elsner pendelt zwischen Zelle, Wilhelminenspital und Kuraufenthalten in Kärnten. Mehrere Gutachten zur Hafttauglichkeit werden eingeholt. Im Juli wird er wegen seiner Herzkrankheit und anderer Leiden für haftuntauglich befunden und aus der Haft entlassen. Er wird in der Wiener Eden-Bar beim nächtlichen Tanzen fotografiert, an der attestierten Haftunfähigkeit ändert das nichts.

2012 Der Bawag-Prozess beginnt zum Teil von vorne. Wolfgang Flöttl und andere Mitangeklagte werden freigesprochen. Elsner kommt den Ladungen nicht nach und zieht sich nach Bad Reichenhall, Bayern, ins Exil zurück. Dort ist er für das Wiener Gericht nicht greifbar.

2015 Elsner kehrt freiwillig zurück und stellt sich dem Gericht.

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