Helmpflicht: E-Scooter-Verleiher bangen um ihr Geschäftsmodell

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Die großen Vermieter warnen vor Rückschritten bei der Mobilitätswende. Im Fall einer Helmpflicht rechnen sie mit einem massiven Rückgang von Fahrten.

Für Österreichs Verkehrsminister Peter Hanke (SPÖ) ist eine Helmpflicht für Fahrer von E-Mopeds, E-Scootern und E-Bikes „angesichts der gefahrenen Geschwindigkeiten nicht nur sinnvoll, sondern längst überfällig.“ Er hatte zuletzt eine entsprechende Novelle angekündigt, die über den Sommer ausgearbeitet werden soll.

Diese Ankündigung Ende Juli hat nicht nur eine breite Debatte ausgelöst, sondern auch die großen Anbieter von Miet-E-Scootern auf den Plan gerufen. Kaum hatte Hanke seinen Ansinnen ventiliert, meldeten sich die in Österreich führenden Unternehmen Dott, Lime und Voi gemeinsam zu Wort und warnten vor den Folgen einer Helmpflicht. 

Nach der Verdrängung

Das geschlossene Auftreten in der Sache ist angesichts des massiven Verdrängungswettbewerbs, den unzählige Unternehmen sich in Österreich geliefert haben, seit im Herbst 2018 die ersten Leihroller in Wien aufschlugen, durchaus bemerkenswert.

Aber es steht auch einiges auf dem Spiel. Die Verleiher warnen davor, dass die Mobilitätswende gefährdet sei. Ein Helmpflicht für E-Bikes und E-Scooter würde Nutzer abschrecken und „konterkariert das Ziel, Autofahrten zu vermeiden. Damit steht sie im Widerspruch zu den Klimazielen der Bundesregierung“, heißt es in einem Positionspapier.

Klar ist aber auch: Weniger Nutzung der Elektro-Flitzer würde auch weniger Geschäft bedeuten. „Das ist ein existenzielles Thema für uns“, sagt Martin Skerlan von der Tier Mobility Austria, die 3.000 Dott-E-Scooter in 31 Gemeinden in Österreich im Einsatz hat. 

Schulterschluss

„Wenn es um so etwas geht, müssen wir gemeinsam auftreten“, erklärt der Landesmanager den Schulterschluss. Skerlan geht davon aus, dass bei sinkenden Nutzerzahlen „gerade die kleinen Anbieter vielleicht wegbrechen werden.“ Irgendwann könne es „auch für die Großen ein Problem werden“. 

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Die Vermieter empfehlen die Verwendung von Helmen, sind aber gegen eine Verpflichtung.

Aus Erfahrungen in anderen Ländern wisse man, dass sich Leihsysteme und Helme nicht vertragen. „Wer trägt an einem Tag mit 35 Grad schon gerne einen Helm, den am selben Tag schon 20 bis 30 andere Kunden anhatten“, bringt Voi-Sprecher Ediz Rehberg das Problem auf den Punkt. 

Als Anbieter habe man zudem mit Vandalismus, Diebstahl und dem Aufwand für die Reinigung kämpfen.

Drei von vier Anbietern in Dänemark verschwunden

Als Negativbeispiel dient den Unternehmen Dänemark, wo 2022 eine E-Scooter-Helmpflicht eingeführt wurde. „Drei von vier Anbietern haben sich verabschiedet“, sagt Rehberg. Bei den Verleihunternehmen seien die Fahrten um bis zu 70 Prozent zurückgegangen. Eine entsprechende Novelle in Österreich wäre also „wirtschaftlich schwierig“.

„Es wurden bereits verschiedene Modelle erprobt, aber es war sehr schwierig, eines zu finden, das angenommen wurde“, sagt auch Theo Koch, der beim Anbieter Lime für Österreich zuständig ist, zur Integration von Helmen in das Verleihsystem. Es wird kein Hehl daraus gemacht, dass man wirtschaftliche Konsequenzen befürchtet. 

„Was vor allem droht, ist ein starker Rückgang der Fahrten. Das trifft uns, aber auch die Mikromobilität insgesamt“, sagt Koch. Sein Unternehmen und Voi teilen sich inzwischen den wichtigsten Markt im Land: Wien. Gemeinsam hat man hier rund 4.000 Roller quer über die Stadt verteilt im Einsatz.

Wiener Erfahrungswerte

In der Bundeshauptstadt stehen längst nicht mehr Touristen als Kunden im Fokus, wie es vielleicht noch in der Anfangsphase der Start-ups der Fall war, wird versichert. „Wir sind in einem Umweltverbund mit dem öffentlichen Verkehr und werden vor allem genutzt, um zur nächsten Haltestelle zu kommen“, so der Lime-Sprecher.

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In Wien sind offenbar sehr viele Pendler mit den Leih-E-Scootern unterwegs.

Die Hälfte der Scooter-Fahrten erfolge „zu klassischen Pendlerzeiten.“ Die Erfahrungen decken sich mit jenen von VOI. „Die Hälfte unserer Fahrten starten oder enden an Öffi-Haltestellen. Und weit über die Hälfte unserer Fahrten in Wien erfolgt in den Außenbezirken“, so Rehberg. 

Laut den Daten beider Anbieter, geht es den Nutzern also um die berühmte erste oder letzte Meile zwischen einer Haltestelle und Ziel- bzw. Ausgangspunkt. Oder um das Schließen von Lücken zwischen Öffi-Punkten. Eine Helmpflicht könnte demnach insbesondere für Pendler betreffen.

"Wir sind nicht gegen Helme"

„Wir sind nicht gegen Helme. Aber eine Pflicht ist natürlich eine Zusatzhürde“, erklärt Koch die Haltung der drei Anbieter. Um Gefahren zu bannen, sieht man viel mehr die Schaffung sicherer Radwege als Lösung. „Helme bieten Schutz vor Kopfverletzungen. Aber vor Unfällen schützt vor allem eine gut ausgebaute Radinfrastruktur.“

Das sieht – mit Hinblick auf die von einer möglichen Helmpflicht ebenfalls betroffenen E-Bikes – auch der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) so. „Das größte Problem für die Sicherheit beim Fahren mit Elektrofahrrädern ist die fehlende Rad-Infrastruktur“, fasste zuletzt VCÖ-Expertin Katharina Jaschinsky eine Analyse von Unfalldaten zusammen.

Demnach kamen im Vorjahr 20 E-Biker bei Unfällen, von denen sich mehr als die Hälfte im Ortsgebiet ereigneten, ums Leben. 10 der Opfer trugen einen Helm. Kein einziger dieser Todesfälle ereignete sich auf einem Radweg. 

Gegen Helmpflicht

Der VCÖ befürchtet indes, dass eine Helmpflicht eine Hürde für den Umstieg aufs Rad darstellen könnte, und spricht sich – anders als das Kuratorium für Verkehrssicherheit – dagegen aus. Immerhin war 2024 jeder zweite verkaufte Drahteseln ein E-Bike. 

Die Gefährte sind auch immer öfter in Verleihsystemen integriert, die zum Teil zu den E-Scooter-Vermietern gehören. „Aber es gibt auch öffentliche Anbieter“, streicht Rehberg hervor und verweist u. a. auf Wien. Hier haben die Wiener Linien mit ihrem Stadtrad-Partner erst im Juli 300 E-Bikes an den Start gebracht.

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