HCB-Skandal: "Für alle Kunden bedenklich"

Für die Görtschitztaler gibt es eine Verzehrwarnung, für alle anderen soll das Fleisch unbedenklich sein
Global 2000 prangert Umgang des Landes Kärnten mit HCB-Problem an. Umweltchemiker Burtscher im Interview.

Der Skandal um die Verseuchung des Kärntner Görtschitztals mit Hexachlorbenzol (HCB) hat zu einem Schulterschluss zwischen dem Land, dem Umweltbundesamt, der MedUni Wien, Beamten und NGOs geführt. Auffallend ist, dass Global 2000 vermehrt von der vom Land vorgegebenen Linie abweicht. Der KURIER sprach darüber mit Umweltchemiker Helmut Burtscher.

Das Land Kärnten erachtet die verpflichtende Beprobung von Schlachtkörpern im Görtschitztal für nicht mehr erforderlich. Man verlässt sich darauf, dass das HCB im Fleisch über die Monate abgebaut wurde.

Helmut Burtscher:Das ist ein Skandal. So eine Beprobung darf nicht auf Freiwilligkeit beruhen. Ich vermisse einen sauberen, ehrlichen Weg. Die letzten Lebensmittelproben, die auf der Homepage des Landes veröffentlicht wurden, datieren vom März 2015 und vom Dezember 2014. Die Wiedereinführung der allgemeinen Untersuchungspflicht ist Voraussetzung, um die Menschen in ganz Österreich zu schützen. Da geht es nicht nur um diejenigen im Tal, die sowieso kontaminiert sind und keinerlei Zusatzbelastung ausgesetzt werden sollen.

Das Land verweist auf EU-Werte, die eingehalten werden. Nur die von der MedUni Wien für das Tal errechneten Richtwerte würden noch überschritten. Und für die Menschen im Tal gelte ja die Verzehrwarnung ...

... die niemand kennt. Niemand im Tal weiß davon. Jetzt will man alle Haushalte informieren – positiv, aber schon ein wenig spät.

Im Görtschitztal ist die skurrile Situation entstanden, dass die Menschen ihre eigenen Produkte nicht essen dürfen, weil sie ja weniger HCB zuführen sollen, als abgebaut wird. Verkaufen dürfen sie sie jedoch schon, weil sie für den Rest der Bevölkerung unbedenklich seien.

Es stellt sich die Frage, ob eine Behörde oder Politiker nicht bereits die Grenze der Legalität überschreiten, wenn sie Bauern dazu raten, Fleisch, welches den gesundheitlich relevanten HCB-Maximalwert der MedUni Wien überschreitet und daher für den Eigenverzehr nicht mehr geeignet ist, an Dritte zu verkaufen, da die gesetzliche Verkehrsfähigkeit ja durch die Einhaltung des – bekanntermaßen fehlerhaften und unsicheren – EU-Grenzwerts gewährleistet ist.

Warum ist dieser EU-Grenzwert fehlerhaft?

Der HCB-Grenzwert für mageres Fleisch in der EU ist aufgrund eines Copy-Paste-Fehlers (Kopieren und Einfügen, Anm.) 50-mal höher als der ehemals österreichische Grenzwert und nicht sicher. Konkret: Ein Schnitzel hatte 2008 einen HCB-Grenzwert von vier Mikrogramm HCB pro Kilogramm, heute ist er bei 200 Mikrogramm pro Kilogramm. Da ist bei der EU-weiten Vereinheitlichung der Lebensmittelgrenzwerte ein Übertragungsfehler passiert. Dadurch ist HCB nicht gesünder geworden. Bei drei von vier kürzlich von uns getesteten Schlachttieren gab es Auffälligkeiten (im Fall einer Rindfleischprobe wurden sieben Mikrogramm HCB im mageren Fleisch und 22 Mikrogramm im Nierenfett gemessen). Das ist für alle Kunden in Österreich bedenklich.

Welche Gefahr orten Sie?

Bei HCB handelt es sich um eine hormonell wirksame Chemikalie, die bereits in niedriger Konzentration hormonell gesteuerte Stoffwechsel- und Entwicklungsprozesse stören und in eine falsche Richtung leiten kann.

Weil Sie den Behörden Säumigkeit vorwerfen, wird eine Umweltbeschwerde bei der BH St. Veit eingereicht.

Ja. Ziel ist es, das gesamte Verfahren auf eine andere gesetzliche Ebene zu heben. Sie soll dazu dienen, dass Behörden gemäß dem Bundes-Umwelthaftungsgesetz vorgehen und den Bürgern mehr Rechte auf Information und Transparenz garantieren. Außerdem gibt sie die Möglichkeit, sich beim Verursacher schadlos zu halten.

Ungeklärt ist nach wie vor, wie und wo der in der Deponie in Brückl gelagerte Blaukalk verwertet oder sicher verwahrt werden soll. Ihr Vorschlag?

Die thermische Entsorgung in einem Zementwerk ist die beste Lösung. Nur habe ich wenig Vertrauen zu den handelnden Personen beim Zementwerk in Klein St. Paul. Und das Vertrauen in die funktionierende Struktur des Landes Kärnten, dieses Projekt abzuwickeln, hat Luft nach oben. Letztendlich muss man jene Lösung wählen, die von den Görtschitztalern mitgetragen wird.

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