Häusliche Gewalt: Gericht schickt Gefährder zur Therapie

Häusliche Gewalt: Gericht schickt Gefährder zur Therapie
Die Justiz weitet den Gewaltschutz aus. Bei einstweiligen Verfügungen können Bezirksrichter die Gefährder zur Beratung verdonnern.

20 Frauen sind heuer in Österreich bereits auf gewaltsame Art und Weise ums Leben gekommen. Besonders vor diesem Hintergrund begrüßen Opferschutzeinrichtungen, Justiz und Polizei die nächste Verschärfung des Gewaltschutzes. Durch eine Gesetzesnovelle können Richterinnen und Richter der Bezirksgerichte seit 1. Juli mutmaßliche Gefährder im Zuge von Verfahren zur verpflichtenden Gewaltpräventionsberatung schicken – und zwar mittels einstweiliger Verfügungen.

Seit September 2021 müssen Gewalttäter, gegen die nach Fällen von häuslicher Gewalt ein polizeiliches Annäherungs- und Betretungsverbot ausgesprochen wurde, verpflichtend zur Therapie. Sechs Stunden lang haben sie dann Zeit, mit den Sozialarbeitern und Experten des Bewährungshilfe-Vereins Neustart über das Geschehene zu sprechen.

Der Verein bietet das Angebot in den Bundesländern Wien, Burgenland, Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark an. „Seit dem Start im vergangenen September haben wir dort im Auftrag des Innenministeriums mehr als 7.000 Gewaltpräventionsberatungen durchgeführt. Diese Erfahrungen können wir gut in die neue Maßnahme einfließen lassen“, sagt Sprecher Thomas Marecek.

Häusliche Gewalt: Gericht schickt Gefährder zur Therapie

Thomas Marecek von Neustart

„Die richterlichen Möglichkeiten wurden um die Anordnung eines Gewalttrainings ergänzt“, erklärt Günter Spies, langjähriger Familienrichter im Gerichtssprengel Wiener Neustadt (NÖ). „Die Problematik von häuslicher Gewalt bekommt man nicht mit einem Blatt Papier in den Griff. Im Gegenteil, eine einstweilige Verfügung verursacht meist noch viel mehr Groll“, schildert der Richter aus der Praxis.

Erfahrungsbericht

Meistens würden der häuslichen Gewalt „tiefgreifende persönliche Konflikte“ zugrunde liegen. „Da muss man psychologisch eingreifen. Und daher ist die Gewalttherapie sicher das geeignete Mittel“, sagt Spies. In der Vergangenheit hätte es Dutzende Fälle gegeben, bei denen sich Richter solche Instrumentarien gewünscht hätten.

Binnen fünf Tagen ab dem Erlass der richterlichen Verfügung sind Gefährder verpflichtet, einen Termin zur Beratung zu vereinbaren. „Das wichtigste Ziel dieser Sitzungen ist es, die Gewalt zu stoppen und Opfer zu schützen. Bei den gefährdeten Personen handelt es sich meistens um die Partnerin oder Ex-Partnerin“, erklärt Marecek. 

In Einzelberatungen wird zunächst die unmittelbare Auswirkung der Gewalttat thematisiert. „Es geht darum, ein Unrechtsbewusstsein bei den Gefährdern zu schaffen und an der Motivation zu arbeiten, gewalttätiges Verhalten zu ändern und längerfristige Beratungsangebote freiwillig zu nutzen“, sagt Alexander Grohs, Leiter von Neustart NÖ/Burgenland. 91 Prozent der Klienten sind Männer.

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