„Ich kenne ihn seit unserer Jugend, er war ein normaler, moderner Mensch“, sagt Heinrich XIV., „er war politisch eher progressiv, jedenfalls weit von dem entfernt, wo er heute steht. Er war ein dynamischer Geschäftsmann, Autorennfahrer, mit einer Iranerin verheiratet und hat sich rührend um seine behinderte Tochter gekümmert.“ Den Familienverband hat er bereits vor Jahren auf eigenen Wunsch verlassen.
Das Fürstentum Reuß wurde 1949 Teil der DDR, nach deren Zusammenbruch Heinrich XIII. um die Rückgabe seiner Ländereien kämpfte. „Er hat an die 50 Prozesse geführt“, so Heinrich XIV., „die er in allen Instanzen verloren und für die Rechtskosten er sein gesamtes Vermögen verpulvert hat. Dann ist auch noch die Ehe zerbrochen, und er gelangte in radikale, zu Verschwörungstheorien neigende Kreise. Es war eine typische Verelendung durch ein misslungenes Leben.“
Heinrich XIV. erzählt das alles im Salon des prunkvollen Schlosses Ernstbrunn bei Korneuburg, das die „Reußens“ 1822 durch Heirat geerbt haben. Der damalige Fürst war Heinrich LXIV. (der vierundsechzigste!), und der gibt uns Anlass zu erklären, warum alle männlichen Angehörigen des Hauses Reuß Heinrich heißen: Heinrich war im Mittelalter der Familienname des Adelsgeschlechts. Aus dieser Tradition heraus erhielten ab dem 14. Jahrhundert sämtliche Reuß-Söhne den Vornamen Heinrich. Um sie voneinander unterscheiden zu können, bekommt jeder Heinrich eine römische Ziffer an den Namen. Und mit jedem Jahrhundert beginnt die Zählung wieder bei I. Bis jetzt, schätzt Heinrich XIV., gab‘s in der Familie mehr als 500 Heinriche. Innerfamiliär werden sie durch Ruf- und Kosenamen wie Harry, Henjo, Henli, Henrich oder Nono auseinandergehalten, es gab aber auch einen Heinrich den Reichen, einen Dicken und einen Heinrich den Erlauchten.
Operettenfürst
Kein Wunder, dass in der Johann-Strauss-Operette „Wiener Blut“ ein Gesandter von Reuß-Schleiz-Greiz auftritt, mit dem sich die Librettisten ein wenig über den kuriosen Zwergstaat lustig machten.
Im Jahr 1778 in den Fürstenstand erhoben, war die Familie bis zum Thronverzicht 1918 tatsächlich ein regierendes Herrschergeschlecht und Reuß ein eigener Staat mit 250.000 Einwohnern etwas größer als Vorarlberg, der im heutigen Freistaat Thüringen lag. „Wir waren immer ein tolerantes, weltoffenes Fürstenhaus“, ärgert sich Heinrich XIV. über den aktuellen Wirbel, den der XIII. hervorrief.
Die Frau des Ex-Kaisers
Der Vater des heutigen Fürsten (der sich so nicht nennen darf, weil er österreichischer Staatsbürger ist) hatte in der Nazizeit Kontakte zu Widerstandsgruppen und wurde nach dem Stauffenberg-Attentat auf Hitler aus der Wehrmacht entlassen. Ein Reuß war mit einer Jüdin verheiratet, es gab aber auch einige wenige Nazis in der Familie. So begrüßte Hermine geb. Prinzessin Reuß, die Ehefrau des Ex-Kaisers Wilhelm II., die Machtübernahme der NSDAP, weil sie (vergeblich) hoffte, Hitler würde ihren Mann zurück auf den Thron holen.
Die mutmaßlichen Delikte Heinrichs XIII., für den die Unschuldsvermutung gilt, bezeichnet der 1955 in Wien geborene Chef der Dynastie als „katastrophal für das Ansehen der Familie. Was ich ihm vor allem vorwerfe, sind antisemitische Äußerungen und dass angeblich mit seinem Geld Waffen für den geplanten Umsturz beschafft wurden. Ansonsten glaube ich, dass er ein verbitterter alter Mann und bei den ,Reichsbürgern‘ eher eine Randfigur ist.“
Die geringsten Sorgen
Die eigenwillige Namensvergabe im Hause Reuß führt zu seltsamen Familienkonstellationen. Fürst Heinrich XIV hat zwei Söhne, die natürlich beide Heinrich heißen. Der ältere, Jahrgang 1997, ist Heinrich XXIX. (der neunundzwanzigste), der jüngere, Jahrgang 2012, ist Heinrich V. (der fünfte). Weil eben mit jedem neuen Jahrhundert die Zählung wieder von vorn beginnt.
Aber das sind zurzeit die geringsten Sorgen im Hause Reuß.
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