Heilingbrunner: "Ich will das Salz in der Suppe sein"

Hainburg als Initialzündung: Seit mehr als 30 Jahren setzt sich Gerhard Heilingbrunner für die Umwelt ein.
Gerhard Heilingbrunner gilt als hartnäckiger Umweltschützer. Jetzt tritt er leiser, um lauter zu werden.

Gerhard Heilingbrunner will "unangenehm bleiben". Mit dem Rücktritt als Präsident des Umweltdachverbandes und der Staffelübergabe an Nachfolger Franz Maier ziehe er sich bloß "aus dem operativen Bereich" zurück. Als Abschied vom Naturschutz sei der Schritt aber nicht zu verstehen."Ich bleibe Ehrenpräsident ehrenhalber – auf Lebenszeit", erklärt der 57-jährige Jurist. Für Umwelt, Natur und Kulturlandschaften will er auch weiterhin "das Salz in der Suppe" sein.

Im KURIER-Gespräch zieht der Aktivist nach mehr als 30.000 ehrenamtlichen Stunden im Dienste des Umweltdachverbandes Bilanz.

Hainburg

Die Liebe zur Natur sei ihm in die Wiege gelegt worden, sagt Heilingbrunner. Bereits als Volksschüler habe er auf dem elterlichen Bauernhof in der "Oberpemperreith" im Yspertal (NÖ) fleißig mitgearbeitet. "Bevor ich g’scheit gehen konnte, konnte ich schon Traktor fahren", erzählt er. Doch anstatt Landwirt zu werden, entschied er sich fürs Jus-Studium.

Seine ersten Sporen als Umweltaktivist verdiente er sich Anfang der 80er-Jahre, als an der Ysper ein großes Kraftwerk errichtet werden sollte. Als Sprecher der Bürgerinitiative "Freunde des Yspertals" stieg er auf die Barrikaden. Mit Erfolg. Das Kraftwerk wurde nicht gebaut.

Nach ähnlichen Protestaktionen im Weiten- und im Kamptal erlebte Heilingbrunner eine der bewegendsten Initiativen seines Lebens: "Dann kam Hainburg."

Für die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) organisierte er die Besetzung der Stopfenreuther Au mit: "Da hab ich Günther Nenning kennengelernt, der neben Jörg Mauthe zu einem väterlichen Freund für mich wurde. Politisch und strategisch hab ich von ihm unheimlich viel gelernt. Zusammen waren wir ein unschlagbares Team."

Nach der medialen Aufbereitung der Besetzung und den Verhandlungen mit der Regierung gipfelte die Zusammenarbeit im Konrad-Lorenz-Volksbegehren, das am 7. Mai 1984 mit der legendären "Pressekonferenz der Tiere" startete. Letztlich fand es 360.000 Unterstützer.

Schalthebel der Macht

Sozusagen die Gegenseite lernte der Jurist von ’87 bis ’91 kennen – als ihn Umweltministerin Marilies Flemming (VP) zum Sekretär berief.

"An den Schalthebeln der Macht" erlebte er "den Spagat zwischen den Forderungen der NGOs und realistischen Umsetzungswegen". "Es ging darum, den Naturschutz-Gedanken nicht zu verraten und gleichzeitig Kompromisse zu schließen."

Einige Erfolge schreibt sich Heilingbrunner trotz Spagats auf die Fahnen. Zum Beispiel, dass Flemming und SP-Finanzminister Ferdinand Lacina beschlossen, dass Nationalparke zwar Länder-Sache seien, dass der Bund aber 50 Prozent der Kosten trage – "da stand ich federführend dahinter".

Oder auch im Bezug auf die Auseinandersetzung um das Speicherkraftwerk Dorfertal in Osttirol, dem sowohl aus der Bevölkerung, als auch aus dem Umweltministerium selbst Widerstand entgegenkam. "Damals hab ich mir bei der ÖVP keine Freude gemacht – ich war unbequem für die Betonierer."

Als Niederschläge verbucht Heilingbrunner alles, was ihm damals "nicht schnell genug" ging.

1993 beerbte er auf Empfehlung des Alpenvereins den Grazer Bürgermeister Alfred Stingl als Präsident des Umweltdachverbandes. 1996/’97 begründete er das "Kuratorium Wald" mit.

Für Letzteres startete er sein Herzensprojekt über den Dächern Wiens: Am Himmel wurden 11 Hektar Grund gekauft, die er seither "mit Herzblut" bewirtschaftet. Als Wirt im "Oktagon", als Weinbauer und als geistiger Vater des Lebensbaumkreises. Mit dem Projekt will er die Öffentlichkeit für die Natur begeistern. "Der Baum", sagt der "Himmel-Vater", "ist nicht nur Nutzobjekt, sondern auch Lebewesen."

Mit VP-Umweltminister Andrä Rupprechter – für Heilingbrunner "eine barocke Erscheinung, der konkrete Erfolge im Umweltbereich fehlen" – endet seine operative Arbeit für den Umweltdachverband. Weil dessen Finanzmittel "wegen meiner Person unsachlich gekürzt" worden wäre, macht er Platz.

Mit der gesteigerten Unabhängigkeit könne er nun noch pointierter formulieren; über die Öffentlichkeit noch mehr Druck auf die Politik ausüben. Getreu dem Motto: "Die Hoffnung stirbt zuletzt."

Nach seinen Erfolgserlebnissen gefragt, antwortet Heilingbrunner durchaus selbstbewusst: „Wir haben uns bei jeder Nationalpark-Werdung intensiv engagiert. Ohne die Hainburg-Bewegung (der unter anderen Günther Nenning, Freda Meissner-Blau, Jörg Mauthe, Bernd Lötsch und Othmar Karas angehörten) gäbe es heute nicht sechs Nationalparks.“ Drei fehlen seiner Meinung nach aber noch: „Die March-Thaya-Auen, der Böhmer Wald und die Kalk-Hochalpen.“

Auch punkto Natura 2000 habe man einiges erreicht: „Da hinkt Österreich nach – aber bis Ende 2015 müssen 200 Gebiete nachnominiert werden, sonst klagt die EU die Republik.“

Weiters schreibt sich Heilingbrunner auf die Fahnen, dass „der Wildwuchs an Wasserkraftwerken so nicht realisiert wurde – die Energiewende mit erneuerbaren Energieformen, Wind und Fotovoltaik wurde eingeleitet.“ Mit dem nö. Landesrat Stephan Pernkopf habe man eigene Windpark-Zonen definiert und somit die dafür zur Verfügung stehende Fläche auf ein Prozent der Landesfläche reduziert. „Windkraft ja, aber in realistischen Ausmaß. Sonst genießt sie keine Akzeptanz“, meint Heilingbrunner.

U-Bahn-SteuerIn Zukunft will sich der Jurist in erster Linie auf die Themen Arten- und Klimaschutz konzentrieren. Vor allem im Hinblick auf Letzteren plädiert er für radikale Ansätze.

Punkto Verkehr etwa, würde er sich eine „Kilometer-abhängige Steuerung wünschen“, nach dem Motto: „Wer mehr fährt, zahlt mehr.“
„Ich verstehe nicht“, sagt Heilingbrunner, „warum man in Wien die U-Bahn nicht intensiver ausbaut. Und wenn es an Geld mangelt, soll man eben die U-Bahn-Steuer erhöhen. Warum fährt die U4 bis Heiligenstadt und nicht bis Klosterneuburg; nach Hütteldorf, aber nicht nach Auhof? Ich verstehe diese Kleinkariertheit zwischen Wien und NÖ nicht.“

Und auch punkto Energieeffizienz hätte der Umweltschützer schon Ideen: „Mindestens fünf Prozent des Gebäudebestandes sollten pro Jahr saniert werden. Dass es trotz hoher Arbeitslosigkeit im Bereich Gebäudesanierung keine Beschäftigungsoffensive gibt, finde ich absurd. Hier bedürfte es einer Art ,Gebäude-Asfinag‘, die dafür Geld aufnehmen kann.“

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