Für die Haft zurück in die Heimat
Es sei ein geschichtsträchtiger Ort, in dem gestern, Montag, zwar nicht Geschichte zwischen Österreich und Marokko geschrieben wurde, aber vermutlich doch so etwas wie eine deutliche Verbesserung der bilateralen Beziehungen erzielt wurde.
In Marokkos erstem Parlamentsgebäude in Rabat trafen am Montag Vizekanzler und Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) und sein marokkanischer Amtskollege im Justizministerium, Mohamed Aujjar, aufeinander, um in Sachen Justizwesen künftig besser zusammenzuarbeiten. Konkret unterzeichneten die beiden Minister eine Absichtserklärung, mit dem Ziel, in naher Zukunft ein Rechtshilfe-Abkommen zu schaffen. Das soll ermöglichen, marokkanische Staatsbürger, die in Österreich verurteilt wurden, für die Haft in ihre Heimat zu überstellen. Allerdings nur mit deren Zustimmung.
"Haft in der Heimat" heißt das Projekt, das es seit 2008 vor allem innerhalb der Europäischen Union gibt. Ziel des Projekts ist es, verurteilte Straftäter zu resozialisieren. Und das sei im Heimatland einfacher, als im Ausland.
Volle Gefängnisse
Für Österreich bedeutet das eine Entlastung im Strafvollzug. "Der Druck auf unsere Haftanstalten steigt", sagt Justizminister Brandstetter. Denn Österreichs Gefängnisse sind voll. Und zwar weniger mit Österreichern als mit Ausländern.
Mit Stichtag 1. Oktober dieses Jahres saßen in den heimischen Gefängnissen 46 Prozent österreichische und 54 Prozent ausländische Häftlinge. Kulturelle Umstände würden die Unterbringung im Strafvollzug erschweren, sagt Brandstetter. Die Aggressivität unter den Insassen steige, Gewalt zwischen Häftlingen und gegen Beamte im Strafvollzug seien die Folge. Aber es geht auch darum, Kosten zu sparen: 202 Häftlinge wurden etwa im Vorjahr in ihre Heimatländer überstellt, das habe den österreichischen Steuerzahlen Kosten in der Höhe von 3,4 Millionen Euro erspart.
Aktuell befinden sich 108 verurteilte Straftäter aus Marokko in österreichischen Gefängnissen (142, wenn man U-Haft und Anhaltungen miteinrechnet). Würden sie ihre Haftstrafen in der Heimat absitzen, würde sich Österreich die Kosten für 55.000 Hafttage sparen, rechnet das Ministerium vor. Diese Zahl marokkanischer Häftlinge in Österreich ist laut Justizministerium zuletzt gestiegen. In den vergangenen drei Jahren seien 700 Personen aus Marokko in österreichischen Justizanstalten angehalten worden. Tendenz steigend.
Aber nicht nur deshalb bemüht sich Österreich um ein bilaterales Abkommen. "Wir haben jetzt ein Zeitfenster", sagt Brandstetter. Er wolle die neue, liberale Regierung Marokkos bei seiner Annäherung an Europa unterstützen. Vor Journalisten erklärte Marokkos Justizmister, "dass wir ein Rechtsstaat sind, der auf Menschenrechten und Demokratie basiert."
Amnesty International wurde der Zugang zu Haftanstalten zuletzt allerdings verwehrt. Auch den mitgereisten Journalisten aus Österreich wird der ursprünglich für heute, Dienstag, geplante Besuch einer Justizanstalt in Rabat von den marokkanischen Justizbehörden wohl doch nicht erlaubt (Stand Montag).
Brandstetter will Häftlinge nur dann überstellen, wenn in deren Heimatländern die Menschenrechte eingehalten werden. Das gelte auch für Marokko. Weiters erklärte der Minister, dass man auch hinsichtlich Deradikalisierung auf der Ebene des Strafvollzugs mit Marokko zusammenarbeiten wolle.
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