Führerschein: Probezeit soll auf vier Jahre verlängert werden

Führerschein: Probezeit soll auf vier Jahre verlängert werden
Ruf nach Reformen, um Unfallrisiko zu senken: Das System ist nach 24 Jahren veraltet und wurde zuletzt 1997 genauer untersucht.

Bei Tempo 169 auf der Autobahn im Tunnel ein SMS zu schreiben und quasi "nebenbei" ein Auto zu lenken, ist offenbar nicht besonders gefährlich. Das Fahren gegen eine Einbahn ist hingegen – selbst ohne Gegenverkehr – immer und überall hochriskant.

Dieser absurden Logik folgt zumindest der Probeführerschein für Fahranfänger. Dieses großteils vor 30 Jahren entworfene System ist ganz offensichtlich in die Jahre gekommen. Um beim obigen Beispiel zu bleiben: Gegen die Einbahn zu fahren führt automatisch zu einem mehrwöchigen Führerscheinentzug samt (selbst zu bezahlender) Nachschulung, SMS-Schreiben auf der Autobahn hingegen nicht. Für diese Übertretung gibt es meist nur ein Organmandat.

Der Ruf nach einer Reform wird immer lauter, denn die Zahl der Unfälle und jene der groben Vorfälle mit jungen Menschen steigen wieder an: Erst am Montag etwa wurde eine 19-Jährige in Oberösterreich mit 144 km/h in einer 70er-Zone erwischt.

Führerschein: Probezeit soll auf vier Jahre verlängert werden
Wie gut oder schlecht die Lage tatsächlich ist, weiß niemand: Die letzte große Fachstudie zum Probeführerschein stammt aus dem Jahr 1997. Damals wurde er als "großer Erfolg" eingestuft, weil die Unfallzahlen bei jungen Lenkern um ein Drittel zurückgingen, seither blieb das Thema unbehandelt. Weder das Innenministerium noch die Statistik Austria führen Bilanzen über Unfälle oder Vorfälle mit Besitzern von Probeführerscheinen. Die Fachwelt beruft sich immer nur auf die alte Studie.

Armin Kaltenegger vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (siehe Interview) fordert eine Ausweitung der Probezeit von zwei auf bis zu vier Jahre sowie eine Überarbeitung des Delikt-Katalogs. Dieser sei nicht mehr zeitgemäß.

Auch aus Fahrschulkreisen gibt es Änderungswünsche: Norbert Hausherr, Fachgruppenobmann der oö. Wirtschaftskammer, schlägt beispielsweise eine Kennzeichnung von Autos mit Führerschein-Neulingen vor – ähnlich dem blauen "Taferl" beim L17-Führerschein.

"Lässt Sau heraus"

Der ÖAMTC zeigt sich einer Diskussion prinzipiell "aufgeschlossen", sagt Chefjurist Martin Hoffer. Allerdings würde "die Probezeit meist als Strafzeit wahrgenommen. Anschließend lassen manche die Sau heraus, weil es dann vorbei ist". Hoffer wünscht sich mehr Polizeikontrollen an Schauplätzen, wo sich Unfälle mit jungen Lenkern häufen: "Bei Diskotheken und Clubbings". ARBÖ-Jurist Stefan Mann sieht hingegen keinen Bedarf für Änderungen: "Das System hat sich bewährt. Das wichtigste ist die Ablenkung – und das Handy-Telefonieren wird nach einer Gesetzesänderung demnächst ohnehin öfter bestraft."

Oberst Klaus Scherleitner, Chef der oö. Verkehrspolizei, hat "nicht den Eindruck, dass die Vorfälle mehr geworden sind." Die große Masse der Probeführerschein-Besitzer halte sich brav an die Verkehrsregeln. "Bei diesbezüglichen Ausreißern spielt dann oft ein Mix aus Unbekümmertheit, Gedankenverlorenheit, Rücksichtslosigkeit und Dummheit eine Rolle."

Der Probeführerschein

Zwei Jahre: Für zwei Jahre (und zumindest bis zum 20. Geburtstag) ist der Führerschein befristet. Wer in dieser Zeit gewisse Delikte begeht, muss zur Nachschulung und die Probezeit verlängert sich um ein weiteres Jahr.

Die Delikte: Neun Verstöße führen zum Führerscheinentzug und zur Nachschulung; darunter sind Geisterfahrten, Alkoholisierung über 0,1 Promille, und
Schnellfahren: 20 km/h im Ortsgebiet, 40 km/h im Freiland

Armin Kaltenegger ist Leiter der Rechtsabteilung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit in Wien. Er saß und sitzt als Fachmann in zahlreichen Arbeitsgruppen des Verkehrsministeriums, zuletzt etwa für die Einführung der umstrittenen Alkohol-Wegfahrsperre für erwischte Promille-Lenker.

KURIER: Sie fordern eine Ausweitung des Probeführerscheins auf vier Jahre. Was soll das genau bringen?Armin Kaltenegger: Es müssen nicht vier Jahre sein, es können auch drei sein – das müssten die Experten noch ausführlicher diskutieren. In den ersten drei bis fünf Jahren gibt es jedenfalls ein höheres Jugendlichen- und Anfängerrisiko. Der Probeführerschein ist dabei ein ständiger Begleiter, der für Wohlverhalten bei den Betroffenen sorgen soll. Er wurde im Jahre 1992 eingeführt und ist ein großartiger Erfolg. Zwischen 25 und 70 Jahren ist die Risikokurve dann am geringsten.

Sind die Delikte im Probeführerschein, die zu einer Nachschulung führen, überhaupt noch zeitgemäß?

Die Grundidee ist eigentlich 30 Jahre alt, so lange gibt es das Gesetz mit den Delikten schon. Das ist ein wichtiges Thema und das sollte man überarbeiten. Das gehört diskutiert. Als das festgelegt wurde, gab es noch nicht einmal Handys. Und gerade junge Leute telefonieren ja viel und gerne, das könnte man beispielsweise dabei aufnehmen. Da wäre eine Diskussion sinnvoll.

Es gab auch immer wieder die Idee einer PS-Beschränkung für junge Autolenker ...

Das ist zurzeit eigentlich kein Thema in der Fachwelt. Es gibt auch keine Belege, dass das etwas bringt. Deshalb gibt es das derzeit auch sonst nirgendwo außerhalb Österreichs.

Gibt es momentan eigentlich mehr oder weniger Unfälle mit jungen Autolenkern? Subjektiv scheint es mehr zu werden ...

Verkehrsunfälle mit jungen Lenkern haben dramatisch zugenommen. In den letzten zwei Jahren etwa um ein Drittel. Österreich war immer ein Vorzeigeland bei Maßnahmen für junge Lenkern. Wir haben in der Vergangenheit sehr viel gemacht, europaweit schaut man auf uns. Nur in den letzten Jahren ist das etwas weniger geworden und gleichzeitig steigen die Unfallzahlen wieder. Man muss da dringend etwas tun.

- 8. Februar Mit 144 km/h raste am Montag auf der B129 in Wilhering (OÖ) eine Probeführerscheinbesitzerin durch eine 70er-Beschränkung. Polizisten maßen die Geschwindigkeit und stoppten die junge Lenkerin. Sie musste den Führerschein an Ort und Stelle abgeben und wurde bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land angezeigt. Nach dem Grund für das extrem überhöhte Tempo befragt, erklärte die 19-Jährige: "Ich hab’ es sehr eilig."

- 6. Februar Vergangenen Samstag führten Polizisten auf der B1 (Wiener Bundesstraße) in Traun (OÖ) eine Geschwindigkeitsmessung durch. Gegen 1 Uhr Früh erwischten sie zwei Autofahrer bei einem illegalen Straßenrennen mit überhöhter Geschwindigkeit. Ein 24-jähriger und ein 18-jähriger Probeführerscheinbesitzer, beide aus Wels, waren in ihren Autos mit 162 und 164 km/h unterwegs. Beiden Lenkern wurde sofort der Probeführerschein abgenommen.

- 6. Februar Beamten der Landesverkehrsabteilung fielen Samstagfrüh in der Stadt Salzburg vier Fahrzeuge auf, die sich duellierten. Bei Geschwindigkeiten bis 90 km/h kam es immer wieder zu gefährlichen Manövern. Ein 18-jähriger Bosnier wurde angehalten. Der Probeführerscheinbesitzer erklärte, dass es Unstimmigkeiten in einem Lokal gegeben hatte, die auf die Straße verlegt wurden.

- 5. Februar Ein 19-jähriger Salzburger wurde am Freitag auf der Wolfgangsee Straße in Strobl (Salzburg) von der Polizei gestoppt. Er war in einer 80er-Beschränkung mit 136 km/h unterwegs.

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