Immer noch Vorwürfe gegen X-Jam: „Fühlten uns bei Securitys unwohl“
Das Handy von Bastian Köstinger vibriert derzeit im Minutentakt. Auch Tage nach seinem Aufruf, sexuelle Übergriffe während einer X-Jam-Maturareise publik zu machen, melden sich neue Betroffene. „Die Vorwürfe sind umfangreich, großteils geht es aber um ungewollte Annäherungen und sexuelle Belästigung“, erzählt er. Eine Freundin habe das am eigenen Leib erfahren müssen: „Sie wurde von den Securitys belagert und laufend gefragt, ob sie einen Freund habe“, erzählt der 18-Jährige. Die junge Frau bejahte; die aufdringlichen Securitys sollen entgegnet haben, auf X-Jam sei das egal.
Die Maturantin kam vergleichsweise glimpflich davon. Eine andere Reiseteilnehmerin berichtet, ein Security habe sie aufs Zimmer verfolgt und sich in ihr Bett gelegt. Der Reiseveranstalter reagierte und erstattete am Mittwoch Anzeige wegen sexueller Belästigung. Der Mann war bereits dreimal bei X-Jam-Maturareisen als Security tätig.
Bei DocLX (Organisator der Partyreisen) ist man um Aufklärung bemüht: „Nach unserem Aufruf an Betroffene sind rasch 40 Beschwerden eingegangen. Wir sind allen nachgegangen, und viele Vorfälle konzentrierten sich auf ein schwarzes Schaf. Andere konnten entkräftet werden“, sagte ein Sprecher.
Nachdem mit den Betroffenen die Bilder aller Securitys durchgesehen wurden, könne man weitere Verdachtsmomente derzeit ausschließen. Klar sei aber, dass man das Sicherheitskonzept komplett neu aufstellen werde. Der erste Schritt ist die Abschaffung des Freiwilligensystems. Dabei reisen die Sicherheitsmitarbeiter für wenig oder kein Geld an, haben dafür aber freie Tage, an denen sie mit den Maturanten feiern können. Die Securitys sollen künftig Nummern tragen, um eine rasche Identifizierung zu ermöglichen. Zusätzlich will DocLX-Gründer Alexander Knechtsberger externe Sicherheitsexperten ins Team holen.
Treffen mit Initiator
Zuletzt suchte X-Jam den Kontakt zu Köstinger, der den Stein ins Rollen brachte. Bei einem Treffen am Donnerstag wurde ausgemacht, dass man kooperieren werde, um die Maturareise künftig sicherer zu machen. „Es geht mir darum, dass so etwas nicht noch einmal passiert“, meint der 18-Jährige. Wenn sich etwas ändert, würde er auch wieder mitfahren. Aus momentaner Sicht könne er das speziell Freundinnen nicht raten: „Am Ende der Woche haben wir uns in Gegenwart der Sicherheitsmitarbeiter unwohl gefühlt“, erinnert er sich.
Hilfe von außen soll nur schwer zu bekommen gewesen sein, da man das Ressort aufgrund des Corona-Sicherheitskonzepts nicht verlassen durfte. Ansprechpartner vor Ort wären die in Verruf geratenen Securitys sowie Sanitäter gewesen. Mittlerweile hätten sich auch einige Sanitäter bei Köstinger gemeldet, die meinten, es habe vor Ort „Beschwerden gegeben“. X-Jam bestätigte bereits, dass vier Mitarbeiter, die verbal ausfällig wurden – darunter nicht der angezeigte – des Hotelgeländes verwiesen wurden.
10.000 Maturanten
fahren jährlich mit X-Jam auf die größte Maturareise Europas. 2020 musste coronabedingt ausfallen. Veranstaltet wird die Partyreise seit 1999 – damals noch deutlich kleiner
700 Euro
kostet der Partyspaß in der günstigsten Version. Wer Partybus oder Flug, Vier-Sterne-Hotel oder Villa will, zahlt aber deutlich mehr
30.000 Corona-Tests,
davon 23.000 PCR-Tests, wurden vor Ort durchgeführt. 65 Infektionen konnten in der Hotelanlage trotzdem nicht verhindert werden
Köstinger meint, dass ihn auch Schreiben von Schülern und Eltern erreicht hätten, die für 2022 stornieren wollen. Bei X-Jam sind aktuell keine Stornierungen bekannt, im Gegenteil sollen noch Neubuchungen eingehen. „Nach den unglücklichen Vorfällen wird X-Jam nächstes Jahr so sicher wie nie zuvor sein“, heißt es vom Veranstalter.
Die Buchungslage dürfte tatsächlich gut sein. Zukünftige Maturanten berichten, dass es schwer sei, noch einen Platz zu bekommen. Gebucht wird in der Regel gesammelt als Klasse. Schüler erzählen, dass dazu Promoter in die Klasse kommen würden – was aber nicht immer mit der Schulleitung abgesprochen sein soll. Im Bildungsministerium wird festgehalten, dass die Direktion zu entscheiden hat, ob im Schulgebäude für schulfremde Zwecke geworben werden darf. Jedenfalls verboten seien aggressive Geschäftspraktiken. X-Jam verweist darauf, dass man die Maturareise künftig ohnehin hauptsächlich online bewerben wolle.
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