Frauen in der Wissenschaft: Warum mehr Diversität dringend nötig ist

33 Prozent aller Forschenden weltweit sind Frauen. Hierzulande sind es nur rund 30 Prozent, womit Österreich im EU-Vergleich zu den Schlusslichtern gehört. Eine von ihnen ist Johanna Pirker. Als sie 2006 ihr Informatikstudium an der TU Graz begann, gab es in ihrem Fach noch keine Professorinnen. Heute, fast 20 Jahre später, ist sie selbst Professorin für Angewandte Informatik und leitet das Game Lab Graz.
Dabei hätten ihr vor dem Studium eigentlich alle von der Informatik abgeraten, erzählt sie im Gespräch mit dem KURIER. „2006 war noch nicht klar, was man mit Informatik alles machen kann. Ich wollte immer kreativ arbeiten, hatte aber kein Talent fürs Zeichnen, Schreiben oder Musizieren. Und dann habe ich gemerkt, dass ich mich in der Informatik kreativ voll ausleben kann. Ich kann nicht zeichnen, aber mit einer Zeile Code kann ich in einem Spiel ganze Welten erschaffen. Das ist für mich der Heilige Gral der Kreativität.“
„Das ist nichts für dich“
Die Klischees, mit denen sie durch ihre Spezialisierung auf die Erforschung von digitalen Spielewelten konfrontiert war, liefen immer auf das eine hinaus: Computerspiele sind eine reine Männerdomäne. „Das stimmt einfach nicht. Die Hälfte alles Spielenden identifiziert sich als weiblich“, sagt Pirker. „Als Mädchen und junge Frau habe ich auch immer wieder gehört: ,Technik, Informatik, Mathematik, das ist nichts für dich.‘ Aber das hat sich nie als wahr erwiesen.“
Ihre Erfahrungen lässt sie nun in ihre Forschung einfließen. „Ich erforsche, wie toxisches Verhalten in digitalen Welten entsteht und wie man es frühzeitig erkennen und gegensteuern kann.“
Auf dem Gletscher
In der Wissenschaft arbeitet auch die Schottin Catriona Fyffe, die seit rund zwei Jahren einer Forschungsgruppe am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg angehört. Ihr Fachgebiet: Gletscher. „Berge und Gletscher haben mich schon immer interessiert. Aber als junge Studentin bei der Feldarbeit in den italienischen Alpen ist der Funke endgültig übergesprungen und ich habe mich für dieses Forschungsgebiet entschieden.“
In der Gletscherforschung gebe es definitiv weniger Frauen als Männer, sagt Fyffe. „Naturwissenschaften werden oft als ,männlich‘ wahrgenommen, und auch die Feldarbeit in den Bergen wird eher Männern zugeschrieben – das führt dann oft zu Selbstzweifeln“, erzählt sie. „Dabei ist Feldforschung wirklich spannend!“
Aktuelle Zahlen
Grund zur Hoffnung geben aktuelle Zahlen des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Demnach liegt der Frauenanteil in MINT-Studien (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) mit 39 Prozent auf Rekordniveau und ist in den letzten zehn Studienjahren um rund fünf Prozentpunkte gestiegen. Im Studienjahr 2023/’24 wurden 39 Prozent der abgeschlossenen MINT-Studien von Frauen absolviert, das entspricht einer Steigerung von 14 Prozent gegenüber dem Studienjahr 2015/’16.
Diverse Köpfe – diverse Ideen
Eine Verbesserung also, aber das Phänomen der „Leaky Pipeline“ (Undichte Pipeline) ist nach wie vor eine traurige Realität. Was es beschreibt: Zu Beginn des Studiums sind Frauen noch in der Mehrheit. Doch mit fortschreitender akademischer Karriere sinkt der Frauenanteil kontinuierlich, besonders ausgeprägt in den MINT-Fächern.
„Wissenschaft als Karriere ist leider noch nicht sehr frauenfreundlich“, sagt Fyffe dazu. „Vom Postdoc zur Festanstellung – das ist sehr schwierig, für alle. Man muss oft umziehen für die Stellen, das ist schwierig, wenn man Familie hat oder plant. Dazu sorgen die Kurzzeitverträge für zusätzliche Unsicherheit und der Mutterschutz ist oft nicht klar geregelt.“ Oft ist es dann die Frau, die in diesen Punkten zurücksteckt.
Alle profitieren
Wie wichtig es aber ist, dass der Frauenanteil in der Forschung steigt, erklärt Pirker auch mit einem wirtschaftlichen Motiv. Schließlich gebe es einen großen Fachkräftemangel. „Umso wichtiger, dass wir mehr Menschen in diese Bereiche bekommen. Und diverse Köpfe kreieren innovative und diverse Ideen. Davon profitieren alle.“ Denn nicht-diverse Forschungsteams haben für jene, die sie exkludieren, oft schwere Folgen.
So werden etwa bis heute vorwiegend Crash Test Dummies eingesetzt, die einen durchschnittlichen männlichen Körper repräsentieren. Und dadurch sind Frauen bei Autounfällen einem höheren Verletzungsrisiko ausgesetzt.
Was die beiden jungen Frauen raten, die zögern in die Wissenschaft zu gehen? "Go for it! Sucht euch Mentorinnen und Mentoren, die euch auf eurem Weg unterstützen und Zuversicht geben. Und Kolleginnen, mit denen ihr euch auf eurem Weg austauschen könnt", sagt Fyffe. Pirker ergänzt: "An einer Zukunft, in der sich alle wohlfühlen, müssen auch alle mitgestalten. Und da soll man sich auch nicht von anderen reinreden lassen, was man tun oder nicht tun soll. Durch Forschung kann man wirklich die Zukunft mitgestalten."
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