Forscher arbeiten an einer Schneekarte für die ganze Welt

Forscher arbeiten an einer Schneekarte für die ganze Welt
Ein aus Innsbruck gesteuertes Forschungsprojekt soll, wie viel Schnee die Erde exakt bedeckt und wie das bisher war.

Gletscherknechte heißen die Ehrenamtlichen, die Jahr für Jahr für den Alpenverein in die heimischen Berge steigen und die Veränderungen an Österreichs Eispanzern dokumentieren. Seit 127 Jahren werden von Männern und Frauen Daten gesammelt. Sie sind Zeugen des Klimawandels.

Der jüngste Gletscherbericht im heurigen Frühjahr brachte einen Negativrekord. Die 83 erfassten Gletscher gingen  durchschnittlich 25,2 Meter zurück – der höchste Wert seit dem Jahr 1960. Und der kommende Report zum heurigen Hitzejahr dürfte auch keinen guten Nachrichten bringen.

Forscher arbeiten an einer Schneekarte für die ganze Welt

Der Gletscherbericht ist dabei nur einer von unzähligen Puzzlesteinen, der zeigt, wie sich die Erderwärmung auswirkt.  Ein Projekt der Europäische Raumfahrtbehörde ( ESA) soll nun Aufschlüsse über einen weiteren Klima-Indikator bringen.

Erstmals soll dabei  genau erfasst werden, wie viel saisonaler Schnee auf der Erde liegt. Die Fäden für dieses Messprogramm laufen in einem Büro beim Innsbrucker Flughafen zusammen.

3000 Gigatonnen Schnee

Thomas Nagler ist Chef der Firma Enveo, die unter anderem Auftragsforschung für die ESA betreibt. Das elfköpfige Team ist spezialisiert auf Eis und Schnee und beschäftigt sich auch mit der Antarktis und Grönland.

„Weltweit gibt es im Hochwinter etwa 3000 Gigatonnen an saisonalem Schnee. Aber die Unsicherheit liegt bei 30 Prozent, weil mit verschiedenen Modellen gemessen wird“, erklärt der Meteorologe.

Um genauere Daten zu erhalten, werden nun die Messwerte verschiedenster Satelliten, die mit unterschiedlichen Sensoren arbeiten, angeglichen. Die Forscher untersuchen nicht nur aktuelle Messungen, sondern werten auch alte Satellitendaten aus.

„Es soll eine Schneeausdehnungskarte der letzten 40 Jahre entstehen. Wir wollen wissen, wo wir gerade stehen und was sich seit 1981 verändert hat“, sagt Nagler. Das Projekt läuft drei Jahre lang.

Masse erfassen

Während sich über optische Sensoren die Ausdehnung  von Schnee auf der Erdoberfläche erheben lässt, geben Mikrowellen-Sensoren Aufschluss über die globale Schneemasse. „Wir müssen ein System aufbauen, um diese Daten zu analysieren“, erklärt der Tiroler die Herausforderung.

Er war bereits Leiter einer Vorgängerstudie, die gezeigt hat, wie stark die Ergebnisse bestehender Messprodukte auseinanderklaffen. „Die Schneemassen im Winter variierten zwischen 2000 bis 3000 Gigatonnen“, sagt Nagler.

Er leitet nun ein Forscherteam mit Gruppen aus zwölf Ländern, das wertvolle Erkenntnisse für die Klimaforschung liefern soll. Der globale Ansatz des Projekts ist eine Besonderheit. Denn Studien zur Schneebedeckung haben sich bislang vor allem auf die Nordhalbkugel konzentriert. „Hier befinden sich 98 Prozent des saisonalen Schnees“, erklärt der 53-Jährige, den Hintergrund.

Satellitendaten überprüfen

Globale Daten sind für die Klimaforschung aber wichtig. „So können wir beispielsweise die Veränderungen in den Alpen mit der Situation in den Anden vergleichen“, erklärt Claudia Notarnicola, Physikerin von Eurac Research in Bozen, das ebenfalls an dem Projekt mitarbeitet.

„Unsere Aufgabe ist es, alle Daten zu überarbeiten, die von den Forschungspartnern kommen, und sie auf ihre Genauigkeit hin zu überprüfen. Denn die Satellitendaten, die sich auf die ganze Erdoberfläche beziehen, haben eine Auflösung von einem Kilometer und sind demnach nicht sehr detailliert.

Wir vergleichen sie mit hoch aufgelösten Satellitenbildern und Bodenmessungen vor Ort, um sie besser verwenden zu können“, ergänzt Notarnicola.

Ski- und Wasserindustrie

Wie sich die Schneemengen in den vergangenen Jahrzehnten verändert haben und wie viel Schnee in Zukunft fallen wird, ist heißt diskutiertes Thema im Wintertourismus. Doch Wissen über den Schneehaushalt ist weit über die Branche hinaus relevant.

Denn Schnee ist nicht zuletzt ein temporärer Wasserspeicher. Wie groß der zu erwartende Abfluss ist, hat so etwa Auswirkungen auf die Wasserkrafterzeugung. Ziel der Forscher ist es auch, Klimamodelle zu entwickeln, die Politikern und Verwaltern helfen, Entscheidungen im Umgang mit dem Klimawandel zu treffen.

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