Flugretter: "Wir platzen in das Leben von Menschen“
Mehr als 6.000 Mal war Werner Lang als Flugretter im Einsatz. Nun geht er in Pension.
Werdegang
Nach dem Bundesheer ging der Elektriker Werner Lang (61) 1981 zum oö. Roten Kreuz – zu Beginn als Freiwilliger, schnell machte er es jedoch zu seinem Beruf. Als 1988 in OÖ die Flugrettung mit dem Christophorus 10 eingeführt wurde, wechselte er ins Cockpit.
Leistung
Mehr als 6.000 Mal hob Lang mit dem Notarzthubschrauber zu Einsätzen ab. Zudem war er am Aufbau von 17 Notarzt-Stützpunkten beteiligt. Nun geht er in Pension. Als freiberuflicher Ausbildner bleibt er erhalten.
KURIER: Wie läuft denn ein Einsatz als Flugretter ab?
Werner Lang: Der Beruf umfasst drei Arbeitsbereiche, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Wenn man zum Einsatz fliegt, ist man im Cockpit „Technical Crew Member“. Sobald die Rotoren abgestellt sind, muss man den Schalter umlegen. Denn wenn es um die Versorgung des Patienten geht, ist man Notfallsanitäter. Und wenn es jemanden aus schwierigen Lagen zu retten gibt, ist man Alpinist und hängt etwa unten am Tau.
Haben Sie mit dem Gedanken gespielt, den Helikopter-Führerschein zu machen?
Wir sind keine verhinderten Piloten. Wir sind stolze Flugretter.
Welche Einsätze sind im Kopf hängen geblieben?
In meinem Beruf nimmt man Dinge wahr, über die man nicht immer reden will. Grundsätzlich ist jeder Einsatz der schlimmste, nämlich für den Patienten. Was für uns Alltagsroutine ist, ist für sie ein gravierendes Erlebnis. Oft werden aber Einsätze, die objektiv ganz fürchterlich sind, zu den schönsten, sofern sie gelingen. Ich war bei dieser schwangeren Frau dabei, der eine sechs Meter hohe Glastür auf den Kopf gefallen ist. Aber bei diesem Einsatz ist einfach alles gelungen. Die Frau konnte vollkommen geheilt entlassen werden. Oder in einer Klamm ist beim Canyoning eine Frau mehr als zehn Meter über einen Wasserfall abgestürzt. Wir haben uns aus dem Hubschrauber 95 Meter abseilen müssen und konnten sie erfolgreich bergen.
Wie geht man Zuhause mit dem Erlebten um?
Wir sind gut ausgebildet und trainiert. Trotzdem ist es so, dass einen Dinge betroffen machen. Wobei man diese Betroffenheit nicht mit Panik, Nervosität oder Entsetzen verwechseln darf. Aber so ein kleines Quäntchen Betroffenheit ist vielleicht genau das, was notwendig ist, dass man die 100 oder 110 Prozent bringt, die der Patient braucht. Die meisten Menschen glauben, es sind Bilder von Schwerverletzten, die einen belasten. Nein, das ist es nicht. Belastend sind Dinge, die eine Überschneidung mit der eigenen Lebensrealität haben. Der erste Herzinfarkt-Patient, der mir verstorben ist und jünger war als ich, war doch was Spezielles. Dazu kommt, je routinierter man wird, umso mehr sieht man den Einsatz aus einem Weitwinkelobjektiv. Man platzt in das Leben von Menschen rein, wo sie sich nicht darauf vorbereiten können.
34 Jahre lang Flugretter – was hat sich in dieser Zeit verändert?
Wir fliegen mindestens doppelt so viel wie zu Beginn. Umso mehr etwas verfügbar ist, umso mehr kommt es zum Einsatz. Uns stehen viel mehr Möglichkeiten zur Verfügung, sowohl in der Medizin als auch fliegerisch. Wir haben Hubschrauber, die leistungsstärker sind. Wir haben bei der Orientierung Systeme, die uns das Auffinden sehr erleichtern – anfänglich mussten wir mit Finger und Karte suchen. Nicht geändert hat sich, dass es letztendlich darum geht, zu gebotener Zeit beim Patienten zu sein. Die Laienhilfe in der Zwischenzeit ist enorm wichtig.
Geht man mit zunehmendem Alter ruhiger an Einsätze heran?
Man darf sich das nicht wie in Fernsehserien vorstellen, wo sie panisch zum Hubschrauber stürmen und schreien: „Wir dürfen ihn nicht verlieren.“ Die Betroffenen möchten ja auch nicht, dass Retter kommen, denen das Adrenalin bei der Unterlippe heraus rinnt. Wir machen das ganz sachlich. Unterschied ist, wenn man jung ist, dann muss man gestehen, dass man sich Einsätze wünscht. Mit 60 ist man auch über einen Nuller-Dienst nicht traurig.
Wie geht es nun mit Werner Lang weiter?
Meine Frau und ich sind schon viele Jahre mit dem Wohnmobil unterwegs und haben Skandinavien für uns entdeckt. Aber wenn man auf drei Wochen Urlaub limitiert ist, dann kommt man dort nicht weit. Jetzt werden wir uns das erste Mal auf eine Reise mit Open End machen.
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