Flüchtlingsstrom am Brenner

Symbolbild
"Illegale" kommen verstärkt über den Brenner nach Österreich. Die wenigsten wollen bleiben.

Um zwölf Uhr fährt der Eurocity 88 aus Verona vom Brenner weiter Richtung München. Wie praktisch bei jedem Schnellzug auf dieser Strecke sind auch dieses Mal drei Beamte der Polizeiinspektion Gries am Brenner an der italienischen Grenze an Bord gegangen. Sie sind spezialisiert auf sogenannte Ausgleichsmaßnahmen (AGM) zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität aber auch illegaler Migration. Bereits im ersten Waggon ist klar, dass die Reise für zwei Syrer in Innsbruck enden wird.

Die Männer aus dem umkämpften Bürgerkriegsland versuchen zum zweiten Mal innerhalb von 24 Stunden ihr Glück. "Einen der beiden haben wir heute um vier Uhr in der Früh im Zug aufgegriffen und um acht nach Italien zurückgebracht, den anderen gestern", sagt Polizist Christoph Gander.

Die Flüchtlinge gehören zu einem Strom, der sich seit 2013 in einem Ausmaß wie nie zuvor durch das Nadelöhr am Brenner presst. Im Bezirk Innsbruck-Land, zu dem der Grenzraum gehört, gab es eine Steigerung der Aufgriffe von rund 1300 im Jahr 2012 auf über 3000 Personen im Vorjahr. Das geht aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der FPÖ an die Innenministerin hervor.

Transit über die Alpen

90 Prozent der Flüchtlinge im Bezirk werden laut Tiroler Polizei im Zug entdeckt. "Die meisten wollen nach Deutschland oder Schweden", weiß Gander. Aufgriffe gäbe es täglich. Tirol ist ein Transitland zwischen Süd und Nord. Das gilt auch für Migrationsbewegungen. Die Brennerroute über die Alpen ist die kürzeste Verbindung vom Süden Italiens in den Norden Europas. Im Gegensatz zum Balkan müssen keine ständig bewachten Grenzen überwunden werden.

Italien hat damit Ungarn innerhalb eines Jahres als Grenzübertrittsland Nummer 1 für rechtswidrig nach Österreich eingereiste Personen abgelöst. Das zeigt sich auch im Bezirk Neusiedl am See im Burgenland. Dort hat sich die Zahl der aufgegriffenen Migranten von 2012 auf 2013 mehr als halbiert.

Ein möglicher Grund dafür: Das Innenministerium hat der Schlepperei im Osten Österreichs mit mehreren SOKOs den Kampf angesagt. In Tirols Zügen kann gegen Schlepper hingegen wenig getan werden. Die begleiten die Flüchtlinge auf dem Schienenweg so gut wie nie. "Es ist aber augenscheinlich, dass Organisationen ihre Finger im Spiel haben", ist AGM-Experte Gander überzeugt. Teilweise seien die Menschen bereits innerhalb von zwei Tagen nach ihrer Landung in Lampedusa am Brenner.

Es sind vor allem Syrer, die sich über Tirol in den Norden durchschlagen wollen. Der blutige Konflikt in ihrer Heimat ist einer der Hauptgründe für die Migrationswelle über die Alpen. Jeder dritte in Tirol aufgegriffene Flüchtling kommt aus dem Land im Nahen Osten. Die Syrer stellen auch österreichweit die größte Gruppe an geschleppten Personen. "Sie reisen teilweise in Familienverbänden. Im Vorjahr hatten wir eine Gruppe mit 30 Leuten", erzählt Ganders Kollege Michael Mader.

Auf der Flucht geboren

Die beiden Polizisten standen schon im Dienst, als 1997 die Grenzbalken zwischen Italien und Österreich abgebaut wurden. Die Schicksale der Menschen, die sie Tag für Tag wieder zurückschieben müssen, lassen die Beamten nicht kalt. "Der jüngste Flüchtling aus Syrien, den wir hatten, war vier Tage alt", blickt Mader zurück.

Der Zug rollt in Innsbruck ein. Der 43-jährige Syrer und sein 24-jähriger Landsmann sitzen in ihrem Abteil und nehmen ihr Schicksal scheinbar stoisch hin. Ihr Pech ist vielleicht das Glück für andere Flüchtlinge im Zug. Die Beamten müssen die beiden Männer bewachen und können nicht weiter kontrollieren.

Am Bahnhof wartet indes bereits ein Polizeitransporter, der die Flüchtlinge wieder nach Italien bringt. Die Männer schultern ihre kleinen Rucksäcke. Mehr haben sie nicht dabei. Ein Wiedersehen mit den Beamten vom Brenner ist nicht auszuschließen.

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