Das Thema Flucht und Asyl hat in den vergangenen Jahren an Brisanz zugenommen – da war einerseits die große Migrationsbewegung ab 2015, jetzt sind es Tausende Vertriebenen aus der Ukraine, die in der öffentlichen Wahrnehmung im Vordergrund stehen.
Während Ukrainerinnen und Ukrainer über die von der EU bald nach Ausbruch des Krieges einstimmig in Kraft gesetzte Massenzustromrichtline ohne weitere Prüfung mit einer polizeilichen Registrierung unter anderem dauerhaftes Aufenthaltsrecht und Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, müssen Flüchtlinge aus anderen Regionen weiterhin das Asylverfahren durchlaufen.
Asylanträge aus Afghanistan und Syrien
Knapp 16.000 Personen haben in den ersten vier Monaten dieses Jahres einen Asylantrag gestellt. Die meisten davon kommen weiterhin aus Afghanistan und Syrien. Bemerkenswert für Innenminister Gerhard Karner (ÖVP): der Zustrom aus Ländern mit höchst geringer Bleibewahrscheinlichkeit wie Tunesien – zwanzigmal so viele Anträge (1.520) wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
Mit welcher Begründung gerade Tunesier oder Marokkaner in Österreich um Asyl ansuchen, nannte das Innenministerium nicht. Eine statistische Auswertung der Gründe erfolge nicht. Gerade Tunesier haben laut Auskunft des Innenministeriums aber kaum Chance auf Asyl in Österreich.
Tunesien sei ein sicheres Drittland, 94 Prozent der Anträge werden abgelehnt. „In Österreich stellen Personen aus Ländern wie Tunesien und Marokko Asylanträge, wo Österreicher auf Urlaub hinfahren“, sagt Karner, „das überlastet und führt unser Asylsystem ad absurdum.“ Er setzt auf schnellere Verfahren und rasche Rückführungen sowie den verstärkten Kampf gegen Schlepper.
Dass ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner mit ihrer Aussage, das Asylsystem leide unter den vielen Anträgen, nachgelegt hat, hat ihr viel Kritik eingebracht. Etwa von Kenan Güngör, Migrationsexperte und Soziologe. In einem Interview auf Puls24 stellte er klar: „Wir leiden nicht unter den 16.000 Menschen, die gekommen sind. Die, die gekommen sind, haben gelitten.“ Wobei er einräumt, dass man über die wieder steigenden Asylzahlen diskutieren kann.
Apropos Asylverfahren: Von Jänner bis April wurden 6.975 Schutzgewährungen erteilt, 14.607 Entscheidungen waren rechtskräftig negativ. Derzeit dauern Verfahren nach Anträgen auf internationalen Schutz vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl etwa 3,4 Monate.
Den wesentlich größeren Teil an schutzbedürftigen Menschen in Österreich stellt derzeit aber die Ukraine. Knapp 75.000 Menschen aus dem Kriegsgebiet haben sich bisher in Österreich registrieren lassen – die „Blaue Karte“, offizielle „Ausweis für Vertriebene“, ist Zutrittskarte für viele Bereiche. Nicht jedoch automatisch für den Arbeitsmarkt.
5.448 Bewilligungen
Hier muss das AMS noch eine explizite Beschäftigungsbewilligung ausstellen. Bisher wurde das in 17 Fällen abgelehnt, weit über 5.000 Bewilligungen wurden erteilt, 304 sind aktuell in Bearbeitung. Laut AMS ist die „derzeitige Lage am Arbeitsmarkt auch für aus der Ukraine geflüchtete Personen günstig“, wobei zwei Aspekte die Jobaufnahme für diesen Personenkreis erschweren, so das AMS: fehlende Deutschkenntnisse und die oft unzureichenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten.
Das führt zum Thema Schulbesuch. Fast 11.000 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine befinden sich bereits im österreichischen Schulsystem – im Bildungsministerium bereite man sich auf Szenarien von bis zu 50.000 Kinder vor.
Über die Möglichkeit, qualifiziertes ukrainisches Lehrpersonal leichter einzustellen, wurden bereits über 100 Personen im Schuldienst aufgenommen. Man setze alles daran, ukrainische Kinder und Jugendliche so rasch wie möglich gut ins Schulsystem zu integrieren, so Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP).
Mehr Geld für Flüchtlinge
Lange wurde es diskutiert, jetzt ist es endlich fix: Der Tagsatz für die organisierte Unterbringung von Flüchtlingen wurde rückwirkend mit 1. März von 21 auf 25 Euro erhöht, auch die Unterstützung von privat untergekommenen Flüchtlingen wurde erhöht – auf 425 Euro für Wohnen und Verpflegung (bisher: 365 Euro) monatlich.
In den Ankunftszentren übernimmt der Bund die Finanzierung gänzlich, die Grundversorgung teilen sich Bund und Länder weiter 60:40, nach einem Jahr übernimmt der Bund die Kosten zu Gänze – das gilt übrigens für alle Flüchtlinge. Aus der Ukraine befinden sich mit Stand 10. Juni 56.100 Menschen in der Grundversorgung.
Immer noch unter anderem offen: Die Frage nach der Erhöhung der Zuverdienstgrenze, die Frage nach Anspruch auf Familienbeihilfe für Vertriebene aus der Ukraine, die Versorgung vulnerabler Gruppen, die Kinderbetreuung.
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