Flüchtlinge drängt es nach Wien

Bis zu 80 Prozent der Asylberechtigten in Österreich kommen früher oder später in die Bundeshauptstadt.

Österreich hat im vergangenen Jahr 2015 mehr als 86.000 neue Asylwerber gezählt. Viele von ihnen warten nun in den Grundversorgungsquartieren des Bundes und der Länder auf die Entscheidung, ob ihnen Asyl gewährt wird oder nicht.

Wie viele jener Flüchtlinge, die in Österreich bereits einen Asylantrag gestellt haben, tatsächlich auch hier bleiben können, steht noch nicht fest. Die Quote lag in den vergangenen Jahren aber zwischen 50 und 60 Prozent. Die zahlenmäßig größte Gruppe von Flüchtlingen stammt aus Krisengebieten wie Afghanistan, Syrien und dem Irak. Schutzsuchende aus diesen Regionen können eher mit einem positiven Asylbescheid rechnen.

Und: Der Fonds Soziales Wien erwartet, dass zwischen zwei Drittel und 80 Prozent der Aslyberechtigten, die sich aktuell in Österreich in den Grundversorgungsquartieren aufhalten, früher oder später zurück in die Bundeshauptstadt kommen (siehe Artikelende).

Flüchtlinge drängt es nach Wien
Interview mit Peter Hacker, Geschäftsführer des Fonds Soziales Wien, am 27.07.2015. Anfang Juli wurde Peter Hacker zum Projektleiter für das Flüchtlingswesen in Wien ernannt.
Der Wiener Flüchtlingskoordiniator Peter Hacker rechnet mit mindestens 35.000 Menschen, die sich in den nächsten Jahren neu in Wien niederlassen. Denn: Von den etwa 90.000 Personen, die sich derzeit in der Grundversorgung befinden, werden (laut Quote der vergangenen Jahre) etwa 60 Prozent einen positiven Asylbescheid erhalten, das wären 54.000 Personen. Kommen nur zwei Drittel von ihnen nach Wien, sind das 35.000 Menschen mehr in der Bundeshauptstadt. Viele Flüchtlinge erhoffen sich in Wien bessere Jobchancen und suchen die Nähe zu ihren nationalen Communitys. Besonders dann, wenn die Integration während der Grundversorgung in den Gemeinden nicht funktioniert hat. "Finden Flüchtlinge keinen Anschluss, gehen sie dorthin, wo sie sich eine Perspektive erhoffen", sagt Karin Abram, Integrationsexpertin bei der Caritas.

"Einfach wird das nicht, aber die Zahl überrascht uns auch nicht", sagt Hacker. Allerdings müsse die Stadt jetzt sämtliche Planungszahlen – für Schulen, Kindergärten, das Gesundheitssystem, den Wohnbau – nach oben revidieren. "Wir rechnen auch damit, die Zwei-Millionen-Einwohner-Grenze früher zu knacken als – wie ursprünglich angenommen – 2029."

Diskrepanz

Aber ist Wien überhaupt dafür gewappnet, zwischen 66 und 80 Prozent aller Asylberechtigten aufzunehmen? Wo sollen diese Menschen wohnen? Und wie sollen sie integriert werden?

Laut Karin Abram gebe es in Österreich generell "einen Mangel an Integrationsangeboten." Zu wenige Sprachkurse, schwieriger Zugang zu Arbeitsmarkt und Wohnraum. "Das hat sich durch die höheren Flüchtlingszahlen intensiviert", sagt sie. "Es gibt eine beträchtliche Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage." Und das, obwohl der 50-Punkte-Plan von Integrationsminister Sebastian Kurz "solide" sei und auch die Kompetenz-Checks beim Arbeitsmarktservice (AMS) in die richtige Richtung gingen.

Die Stadt Wien fühlt sich jedenfalls gut vorbereitet: Aus dem Büro von Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) heißt es, dass Sprach- und Orientierungskurse bereits im Sommer für Asylwerber geöffnet wurden. 2016 sollen 1000 jugendliche Flüchtlinge an einem sogenannten Jugend-College teilnehmen können, zusätzlich soll es 5000 Deutschkurs-Plätze geben. Auch das AMS Wien stockt die Anzahl der Deutschkurs-Plätze für 2016 auf, und zwar von 17.000 auf 30.000. Die Kompetenz-Checks für Flüchtlinge, die es bisher nur in Wien gibt, sollen bundesweit angeboten werden.

Noch nicht reagiert wird im Büro von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ). Dort heißt es, es gebe genügend "Puffer und Reserven". An dem im Koalitionspapier festgeschriebenen Plan, 10.000 neue Wohnungen zu errichten, davon 7000 geförderte, plus 2000 Gemeindewohnungen in den nächsten fünf Jahren, halte man fest.

Im Integrationsministerium wird derzeit verhandelt, wann welche Punkte des 50-Punkte-Plans umgesetzt werden. Aus dem Büro von Sebastian Kurz heißt es: "Integration ist eine Querschnittsmaterie. Alle Gebietskörperschaften sind gefordert, ihren Beitrag zu leisten."

Info & Zahlen

86.000 Asylwerber sind derzeit in Österreich in der Grundversorgung. Die meisten von ihnen kommen aus Afghanistan, Syrien und dem Irak. So lange sie Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nehmen, müssen sie in dem Bundesland bleiben, das ihnen zugeteilt wurde. Danach können sie sich überall in Österreich niederlassen. Bis Jahresende rechnet das Innenministerium mit 90.000 bis 95.000 Asylwerbern.

Info zur Integration : www.startwien.at www.wirsinddabei.at

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