Flüchtlinge: Deutschland macht das Tor kleiner
Für Verwirrung sorgte am Sonntag das Gerücht, dass Deutschland keine Sonderzüge mehr mit Flüchtlingen hereinlässt. Für Hunderte, die in Salzburg auf die Weiterreise warten, wäre dann am Hauptbahnhof und an der Grenze zu Freilassing in Bayern Endstation. Hilfsorganisationen warnten vor einer "humanitären und sanitären Katastrophe".
Berlin dementierte: Am Montagvormittag würde ein Sonderzug mit 450 Menschen in der Bundeshauptstadt erwartet. Das weitere Vorgehen ist aber unklar. In Österreich rechnet man damit, dass Deutschland bald die Bremse zieht, sagt ein Insider zum KURIER. "Wir müssen uns auf einen Rückstau vorbereiten."
Zielvorgabe der Deutschen sei dem Vernehmen nach, nur mehr 3000 bis 4000 Flüchtlinge pro Tag ins Land zu lassen. In den vergangenen Tagen sind aber um die 5000, an Spitzentagen sogar bis zu 10.000 Flüchtlinge durch Österreich durch weiter in den Westen gereist. Das sei logistisch noch zu bewältigen gewesen. Die Notquartiere reichten für kurze Aufenthalte aus, da die Menschen ja relativ rasch in andere Bundesländer – oder in Richtung Skandinavien – weitertransportiert werden konnten.
Politiker suchen Lösung
Diese Lösung hängt offenbar am seidenen Faden. "Zur Zukunft der Sonderzüge laufen Gespräche. Ein Ergebnis kann ich nicht vorwegnehmen", sagt Tobias Plate, Sprecher des deutschen Innenministers Thomas de Maizière. Involviert seien die beiden Innenministerien und die Deutsche Bahn. Auf Kanzleramtsebene sei Werner Faymann laut seiner Sprecherin regelmäßig in Kontakt mit Angela Merkel. Sie kommt heute, Montag, wieder von ihrer Reise aus New York zurück.
Angesichts des drohenden Rückstaus gibt man sich im Büro von Innenministerium Johanna Mikl-Leitner (noch) gelassen. "Wir haben in der der vergangenen Zeit, abhängig vom Zustrom aus Ungarn, immer wieder Spitzen erlebt. Wir haben verschiedene Szenarien durchgedacht und Vorbereitungen getroffen, sollte der Transfer tatsächlich ins Stocken kommen", bleibt ihr Sprecher Alexander Marakovits gegenüber dem KURIER vage.
Aktuell befinden sich laut Rotem Kreuz etwa 15.000 Flüchtlinge in Österreich. 13.000 haben die Nacht zum Sonntag in betreuten Notquartieren verbracht. Am Wochenende sollen insgesamt mindestens 17.000 Migranten über die Grenzen gekommen sein.
Plan für "Worst Case"
Die Stadt Salzburg, die seit zwei Wochen als Nadelöhr in den Westen fungiert, bereitet sich derweil auf den "Worst Case" vor, sagt Magistratssprecher Karl Schupfer: "Wir können uns offenbar nicht mehr auf den Abtransport per Zug verlassen und befürchten, dass es sich bei uns staut." Vor Freilassing soll die Infrastruktur zur Versorgung der Flüchtlinge verstärkt werden.
Wie berichtet, marschieren täglich Hunderte zur Saalachbrücke und warten dort oft stundenlang auf den Grenzübertritt. Die deutsche Bundespolizei ließ bisher maximal 40 Personen pro Stunde passieren. So standen in der Nacht auf Sonntag 800 Flüchtlinge bei Regen und Kälte "im Stau".
Sie sollen künftig im ehemaligen Zollgebäude versorgt werden. Ein Einsatzstab arbeitet gerade an einem Plan für die Infrastruktur. Dazu gehören sanitäre Anlagen, Schlafplätze, Verpflegung und Betreuung, sagt Schupfer. Das Land Salzburg stellt die finanziellen Ressourcen und Personal zur Verfügung.
Am Salzburger Hauptbahnhof hat sich die Lage am Sonntag vorerst entspannt. Für die späten Abendstunden war noch ein Sonderzug für 400 Personen nach Deutschland angekündigt. Aus anderen Teilen Österreichs erwarten die ÖBB keine großen Menschenmengen mehr. Am Montag ist eine gründliche Reinigung und Desinfektion der Bahnhofsgarage geplant.
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