"Fluchthelfer nicht kriminalisieren"

Am 6. September brach der Refugeekonvoi auf, um Flüchtlinge von Ungarn nach Österreich zu bringen. Gegen drei Teilnehmer des Konvois ermittelt nun die Polizei. Es besteht der Verdacht der Schlepperei
Gegen mehrere Personen wird wegen Schlepperei ermittelt. Experten sind für weniger strenge Gesetze.

Es war der 14. September. Joachim Maurer (Name geändert), Dozent an einer Wiener Universität, brachte an diesem Tag fünf Syrer und eine Katze von Wien zur deutschen Grenze.

"Fluchthelfer nicht kriminalisieren"
Anahita Tasharofi, Refugeekonvoi, Konvoi, Schienenersatzverkehr
Weil damals Flüchtlinge auch in Zügen von Österreich nach Deutschland gebracht wurden, hatte Maurer "kein mulmiges Gefühl". Beim Grenzübergang Schärding wurde er von Polizisten aufgehalten. "Zuerst hat man mir gesagt, dass es nicht so schlimm sei", erzählt Maurer. Später wurden ihm Handschellen angelegt; man hat ihn in ein Lager für "Schleuser und Geschleuste" gebracht. 12 Quadratmeter war der Container groß, in den Maurer gesteckt wurde. Elf Stunden durfte er nicht telefonieren, 33 Stunden war er in U-Haft. Gegen 5000 Euro Kaution kam er später frei. "Mein Anwalt sagt, das ist die absolute Ausnahme." Maurer vermutet, dass ihm diese nur zuteil wurde, weil er Uni-Dozent ist, weiß ist und Deutsch spricht. Andere, die weniger Geld haben, würden in Haft bleiben. Die Unterscheidung zwischen gutem Fluchthelfer und bösem Schlepper findet er nicht zielführend. "Das ist Klassenjustiz."

Joachim Maurer droht jetzt eine mehrjährige Haftstrafe. Die Anklage soll demnächst zugestellt werden.

Mittlerweile sind mehrere Anzeigen wegen Verdachts auf Schlepperei gegen Fluchthelfer bekannt. Zuletzt eine gegen einen Teilnehmer des Konvoi Wien Budapest – Schienenersatzverkehr für Flüchtlinge. Gegen ihn und zwei weitere Helfer ermittelt die Polizei.

Ermittlungen

Auch der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Christian Hafenecker brachte zwei Sachverhaltsdarstellungen ein. Eine betrifft die deutsche Website fluchthelfer.in – diesbezüglich stellte Hafenecker auch eine parlamentarische Anfrage an den Justizminister. Die andere betrifft den ORF. Weil dieser in seinem Magazin Weltjournal über den Refugeekonvoi berichtete, fordert Hafenecker Ermittlungen – gegen vier Journalisten und eine Teilnehmerin des Konvois. Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt prüft die Anzeige.

Auch Anahita Tasharofi wurde wegen des Verdachts auf Schlepperei angezeigt. Die 25-Jährige, die Anfang September nach einer verbalen Auseinandersetzung von einem Mitarbeiter der Innenministerin zu Boden gestoßen worden war, nahm am Refugeekonvoi am 6. September teil. Tasharofi brachte aber auch davor und danach mehrmals Geflüchtete von Ungarn nach Österreich, unter anderem mit dem Journalisten Robert Misik. Gegen ihn wurden zwei Anzeigen eingebracht – eine vom Geschäftsführer des Rings Freiheitlicher Jugend in NÖ.

Rechtsanwalt Georg Zanger nahm sich beider Fälle an. Er sagt: "Die Fluchthelfer haben ähnlich gehandelt wie die Bundesregierung. Auch sie hat dazu beigetragen, dass Flüchtlinge aus Ungarn nach Österreich kommen." Er beruft sich auf den Gleichheitssatz in der Verfassung: "Wenn einzelnen Flüchtlingen das Recht eingeräumt wird, ohne fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach Österreich zu kommen, muss das für alle Flüchtlinge in der gleichen Situation gelten", sagt Zanger. "Es ist unerträglich, dass Menschen, die anderen helfen, kriminalisiert werden."

Auch Andreas Schloenhardt, Professor für Strafrecht am Wiener Juridicum, spricht sich gegen die Kriminalisierung von Fluchthelfern aus: "Das ist nicht im Einklang mit der Genfer Flüchtlingskonvention. Wo es nur darum geht, humanitäre Hilfe zu leisten, sollten Menschen nicht kriminalisiert werden."

Die Ermittlungen gegen Tasharofi wurden eingestellt. Sie will jetzt ein Benefiz-Event organisieren und andere Fluchthelfer, die vor Gericht stehen, unterstützen. "Fluchthilfe und Zivilcourage sind keine Verbrechen", sagt sie.

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