Fettes Geschäft mit Kindergruppen

Immer mehr Details über dubiosen Kindergruppen-Betreiber werden bekannt
Bis zu 600 Euro Förderung pro Kind und Monat zahlt die Stadt Wien. Betreiber von sieben Kindergruppen soll monatlich rund 5800 Euro "Gehalt" kassiert haben.

Ausgeschlagene Mauerkanten, nicht körpergerechte Sessel für Kleinstkinder, fehlende Listen über die betreuten Kinder und das Personal sowie Putzmittel, die in der Küche offen herumstanden. Diese Mängel und noch einige mehr hat das Wiener Jugendamt (MA11) Anfang September 2015 bei der Überprüfung einer einzigen Kindergruppe eines türkischen Betreibers in Wien-Ottakring festgestellt. Zu den Putzmitteln führte das Jugendamt an, dass "dieser Missstand bereits (...) 2014 beanstandet wurde".

"Diese wiederholte Missachtung der Gefahrenquelle stellt eine grobe Fahrlässigkeit dar", schrieb das Jugendamt an den Betreiber. Außerdem wurden in dieser Kinder-gruppe zugleich sechs Kinder unter zwei Jahren betreut, "was nicht dem bewilligten pädagogischen Konzept entspricht". Zudem fehlte für den Nachmittag eine zweite Betreuerin. Zwei Seiten lang ist die Mängelliste. Die MA11 ging davon aus, dass die Mängel alle behoben wurden.

Fettes Geschäft mit Kindergruppen

Geld liegt auf der Straße

Findige Unternehmer dürften erkannt haben, dass mit dem Betrieb von Kindergruppen in Wien das große Geld gemacht werden kann. Zwischen 7000 und 11.000 Euro pro Monat zahlt der Magistrat an Förderungen pro Kindergruppe. Ein Kind bringt bis zu 600 Euro. Je jünger es ist, desto mehr Geld gibt es.

Dem KURIER liegt die Kalkulation des beanstandeten Kindergarten-Vereins vom Februar 2015 für ein Geschäftsjahr vor. Allein in einem Jahr hat der gemeinnützige Verein die Förderungen mit 307.406 Euro beziffert, die Zuzahlungen der Eltern mit rund 58.960 Euro. Abzüglich aller Kosten wurde 63.938 Euro Gewinn kalkuliert.

Laut internen Unterlagen dürfte der 42-jährige Türke bereits im Jahr 2011/’12 groß im Kindergarten-Geschäft mitgemischt haben: Insgesamt neun Kindergruppen scheinen in den Vereinsunterlagen auf. Zum Teil verkaufte er einzelne Kindergruppen – so auch Ende 2015. Der Türke, der zuvor als Versicherungsvermittler arbeitete, veräußerte drei Standorte für 72.500 Euro an einen Landsmann, der später in den Vereinsvorstand aufrückte. Die restlichen Kindergruppen betrieb er weiter oder versuchte, auch diese zu Geld zu machen.

Kontrollversagen?

Erst nach einer Anzeige stellte die Stadt Wien im September 2016 die Zahlungen an den fragwürdigen Kindergarten-Verein des türkischen Betreibers ein. Da war er längst mit zwei weiteren Vereinen tätig. Warum die Stadt Wien nicht schon früher den Geldhahn zudrehte, ist unklar. Bei der MA10 (Wiener Kindergärten) findet man jedenfalls, dass die Kontrollen sehr gut sind: "Dadurch finden wir jene, die nicht korrekt abrechnen." Warum es in diesem Fall nicht klappte, kann man nicht erklären.

Der Betreiber soll mit Anwesenheitslisten der Kinder regelrecht jongliert haben. So dürfte er 2015 sieben genehmigte Kindergruppen in Wien betrieben haben. Zwei Gruppen sollen laut Zeugen aber nur auf dem Papier bestanden haben. In einer dieser Kindergruppen scheinen im März 2015 die Namen von 14 Kindern auf, im April dann aber ganz andere Namen.

Fettes Geschäft mit Kindergruppen
Ewald Scheucher Rechtsanwalt Anwalt
"Warum sind dem Jugendamt diese Phantom-Kindergruppen nicht aufgefallen?", sagt Anwalt Ewald Scheucher, der den Fall ins Rollen brachte, zum KURIER.

Auch eine nicht genehmigte Gruppe mit zehn Kindern in der Seestadt Aspern soll der Betreiber geführt haben. Diese Kinder – der Elternbeitrag betrug angeblich 100 Euro – sollen zur Erlangung der Förderung offiziell am Standort der beiden Phantom-Gruppen angemeldet worden sein. Das geht aus den Unterlagen und Zeugenaussagen hervor.

Schadenssumme

Auch sich selbst dürfte der Vereinsobmann fürstlich entlohnt haben. Der 42-Jährige soll zuletzt monatlich 5800 Euro kassiert haben. Er ließ über seine Anwältin ausrichten, dass es sich bei allen Vorwürfen um Missverständnisse handeln dürfte. Nach dem KURIER vorliegenden Zahlen könnte der Betreiber mehr als eine Million Euro Fördergelder kassiert haben.

Mit Kindergärten-Förderungen scheint jedenfalls viel Geld zu machen zu sein. Seitens der MA10 wird aber bestritten, dass zu hoch gefördert werde: "Wenn man die Summen korrekt verwendet, sind die Beträge richtig."

In Medien wurde Christine Mastalier als Wiener Ausgabe von „Miss Marple“ gefeiert. 40 Jahre war die Frau Kriminalbeamtin in der Bundeshauptstadt, danach studierte sie Orientalistik. „Ich habe sehr viele türkische Freunde und bin immer wieder von Vereinen eingeladen“, sagt sie.

Ein Kindergarten-Betreiber fiel ihr früh auf: Abullah P., gegen den derzeit wegen Verdacht des Betrugs und der Nötigung ein Verfahren läuft. Mastalier sammelte Material über den Betreiber und übergab dies der zuständigen MA11. Auch in einer Zeitung sprach sie über die Vorfälle und das, was sie gefunden hat. Das brachte ihr nun eine Unterlassungsklage der MA11 ein. Der angeblich von ihr getätigte Vorwurf, die MA11 haben nichts getan, soll sie widerrufen. Jedenfalls muss sie laut der Unterlassungserklärung 1277,76 Euro zahlen.

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Christine Mastalier
„So wird man mundtot gemacht“, sagt Mastalier. Ihre Rechtsschutzversicherung habe die Deckung des Falls abgelehnt; für ihre Hilfe müsse sie nun auch noch Strafe zahlen.

„Die MA11 wehrt sich wenn notwendig auch juristisch gegen nachweislich unwahre Behauptungen“, heißt es beim Magistrat. Ein laufendes Verfahren möchte man nicht kommentieren.

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