Fehlendes Shampoo als Reisemangel

Symbolbild
Wie viel Prozent Rückzahlung vom Pauschalpreis enttäuschte Urlauber verlangen können.

Schlafen zu dritt geht gar nicht. Als Zusatzbett reicht ein Feldbett mit Eisenrohrgeflecht, dafür steht kein Preisabzug zu. Die Betten für ein Ehepaar dürfen getrennt voneinander im Hotelzimmer aufgestellt sein, die Matratze darf zu weich sein und Flecken aufweisen, das sind alles noch keine Urlaubsmängel. Aber wenn für den gebuchten Aufenthalt zu dritt das Zusatzbett überhaupt nicht benützbar ist, dann muss der Reiseveranstalter laut Urteil des Handelsgerichts Wien 70 Prozent des Pauschalpreises zurückzahlen.

Der auf das Reiserecht spezialisierte Wiener Rechtsanwalt Eike Lindinger sammelt seit zehn Jahren Urteile zum Thema Urlaubsmängel. Seine regelmäßig aktualisierte Wiener Liste (siehe Zusatzinformation unten) dient als Orientierungshilfe, wie viel man sich für einen verpatzten Urlaub vom Pauschalpreis zurückholen kann.

Fehlendes Shampoo als Reisemangel
Rechtsanwalt Dr. Eike Lindinger am Rednerpult

Wanzen im Glas

Bisheriger Höhepunkt waren die von einer Urlauberin zu Beweiszwecken im Einsiedeglas mitgebrachten Bettwanzen, die sie auf den Richtertisch stellte. Sie war in einem Hotel der gehobenen Mittelklasse Nacht für Nacht gebissen worden, der Richter tröstete mit 60 Prozent Abzug vom Pauschalpreis.

Aber so spendable Richter muss man lange suchen, beim diesjährigen Update ist Anwalt Lindinger nur auf einen im Bezirksgericht für Handelssachen Wien gestoßen: Dass im Hotel das Shampoo nur als einmalige Grundausstattung beim Bezug des Zimmers zur Verfügung gestellt und dann nie mehr nachgereicht wurde, quittierte Herr Rat im Urteil mit satten 30 Prozent Preisabzug.

Da müssen Urlauber üblicherweise lange leiden, um auch nur annähernd in diese Kategorie zu gelangen: Über den Strand auf Kuba verteilter Unrat, der mit einem Rechen verteilt wird, ist kein relevanter Mangel. Ebenso wenig wie Küchengerüche im kleinen familiären Hotel, ein desolater Stecker für den Rasierapparat oder fehlender Wasserdruck im Dschungel.

Fehlendes Shampoo als Reisemangel
Wenn man sich davor ekelt, barfuß über den schmutzigen Fußboden im Hotelzimmer zu gehen, kann das immerhin drei Prozent Preisminderung bringen. Dass beim Langstreckenflug das Filmprogramm nicht funktioniert, wurde mit fünf Prozent des anteiligen Reisepreises für den Flugtag bewertet.

Sechs Prozent brachte der tagelange Gestank aus dem Abfluss im Badezimmer, zehn Prozent die fehlende Möglichkeit, in Hotelnähe zu angeln (wie ausdrücklich zugesagt).

Dass die Urlauber auf einer Kreuzfahrt statt des Galadinners nur ein Lunchpaket serviert bekamen, das im Stehen konsumiert werden musste und außerdem noch die Besichtigung einer Schokoladenfabrik gestrichen wurde, war 20 Prozent Preisabzug wert.

Ein eigenes Kapitel sind störende Tiere: Wenn den Gästen an der Rezeption ein Ameisenspray in die Hand gedrückt wird, sind die durch das Zimmer krabbelnden Viecher kein Mangel. In Sri Lanka müssen Sandmücken samt Auswirkungen hingenommen werden, das fehlende Fliegen- bzw. Gelsengitter vor dem Fenster berechtigt jedoch zu fünf Prozent Preisminderung.

Fehlendes Shampoo als Reisemangel
ABD0032_20160523 - ARCHIV - Eine Mücke saugt Blut aus dem Arm eines Mannes, aufgenommen am 20.08.2011 in Frankfurt (Oder). Foto: Patrick Pleul/dpa (zu dpa «Sommer, Sonne, Mücke - Plagegeister surren wieder» vom 23.05.2016) +++(c) dpa - Bildfunk+++

Dünne Wände

Auch beim Lärm scheiden sich die Geister: Die zu dünnen Zimmerwände (durch die Geräusche des Nachbarn dringen) brachten zwei Prozent Abzug, die Belästigung durch Bautätigkeit im Hotel fünf Prozent (weil man sich laut Gericht als Reisender tagsüber ohnehin außerhalb aufhält), das Tag und Nacht gurgelnde Abflussrohr 15 Prozent. Mexiko-Urlauber, die wegen pöbelnder Hotelgäste nachts nur mit Ohrstöpsel schlafen konnten, bekamen ebenso 35 Prozent Rückzahlung zugesprochen wie die Nilkreuzfahrer, deren Erholungswert rasch dahingeschwunden war. Besonders erschwerend wertete das Gericht, dass der Veranstalter die Reise durch Rainer Maria Rilke anpreisen ließ: "Den Nil entlang zu fahren ... das ist keine Reise mehr, das ist... eine wirklich tiefe Besinnung." Dröhnende und stinkende Dieselmotoren hat der Lyriker gewiss nicht im Sinn gehabt.

Früher wurde der Urlauberfrust auch in Österreich gern mit der Frankfurter Tabelle (Sammlung deutscher Urteile) gemessen. Seit einigen Jahren dient die jährlich aktualisierte Wiener Liste von Eike Lindinger als Orientierungshilfe. Das Buch (erschienen bei Manz) enthält Urteile zur Reisepreisminderung der Gerichte, bei denen die meisten Rechtsstreitigkeiten zwischen Reiseveranstaltern und Urlaubern ausgetragen werden. Wobei die Urlauber beim Aufspüren von Mängeln immer erfinderischer werden. Das geht von Staubflankerln im Zimmer bis zum beanstandeten Anblick von weidenden Kühen am Strand. Bindend ist die Wiener ebenso wenig wie die Frankfurter Liste. Das heurige Motto lautet: Andere Länder, andere Sitten. Wenn man Bali in der Regenzeit bucht, darf man sich nicht beschweren, wenn es regnet. Und dass im hoch gelegenen Tibet mit Höhenkrankheiten zu rechnen ist, gehört ebenfalls zum Allgemeinwissen.

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