Zwei Verdächtige sitzen aktuell in U-Haft, festgenommen in Österreich beziehungsweise Brasilien. Sie dürften die Köpfe der Gruppe sein und zumindest hinter der Kryptobörse EXW stehen.
Erster Fall mit 15 Millionen Euro Schaden
Die WKStA klagt deshalb nun acht Personen an, die 15 Millionen Euro von 40.000 großteils österreichischen Opfern ergaunert haben sollen. Finanziert wurden damit laut Anklage vor allem Luxusfahrzeuge, im thailändischen Phuket sollen einige der Beteiligten in Saus und Braus gelebt haben.
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Glaubt man Insidern, dann soll die "Klagenfurter Gang" aber auch noch hinter einer Aktienhandels-App stecken, mit der auf steigende oder fallende Kurse gesetzt werden konnte. Dort sprechen mehrere Anwälte von möglichem Anlagebetrug und suchen derzeit weitere Opfer, die keine Auszahlung erhalten haben.
Von Manchester bis Bangkok
Die betroffene Firma mit Sitz in Manchester soll vor allem in Deutschland aktiv gewesen sein. Über Ermittlungen der Justiz ist hier aktuell zumindest noch nichts bekannt, Anzeigen soll es allerdings schon geben.
Auch ein weiteres Tradingunternehmen mit Sitz in Bangkok, vor dem die Finanzmarktaufsicht eindringlich auf ihrer Homepage warnt, soll von Teilen der Gruppe betrieben worden sein. Hier wurden allerdings mittlerweile alle Internet-Auftritte gelöscht und die meisten Spuren verwischt.
Ähnlich ist es bei zumindest drei weiteren Unternehmen aus dem Finanzbereich der Fall, die der "Gang" aus jungen Männern und Frauen um die 30 mancherorts zugeordnet werden. Einige davon könnten sogar nur im Internet bestanden haben.
Aquiriert wurden die Investoren angeblich unter anderem über einen Finanzberatungs-Kanal auf YouTube, der die verschiedenen Geschäftszweige der Gruppe bewarb. Mitunter wurden 200 Prozent Jahresgewinn versprochen. Und trotz zahlreicher Warnungen griffen die Opfer scharenweise zu.
My First Plant - dubiose Geschäfte mit Cannabis
Der ehemalige Prokurist von EXW und eine weitere Person aus dem Umfeld der mutmaßlich kriminellen Kryptobörse - ein Deutscher, der zuvor auch einen dubiosen Goldhandel betrieb - sind derzeit auch in Sachen Cannabis aktiv. Vetriebsleiter für den legalen Hanf war dort außerdem bis vor wenigen Tagen ein Schweizer, der in seiner Heimat mehrere Jahre - wegen Anlagebetrugs - in Haft gesessen ist. Nachdem der KURIER drüber berichtete, wurde er überraschend abgezogen.
Unter dem Namen "My First Plant" wird den Investoren der Kauf legaler CBD-Pflanzen angeboten. Die Firma kümmert sich um Einpflanzung, Pflege und Verkauf. Den Investoren wurden Traumrenditen von bis zu 50 Prozent versprochen.
Obwohl die Organisatoren Luxusfahrzeuge besitzen, sehen die "Kunden" seit Dezember keinen Cent. Statt Geld gibt es abenteuerliche Geschichten der Verantwortlichen - so wurden sie Opfer eines Bauern, der heimlich Mais auf ihren Hanffeldern pflanzte. Das Cannabis hängt auch oft beim Zoll oder gibt es nur in Form von gerade schwer verkäuflichem Pferdefutter. Außerdem verhindert seit Monaten schlechtes Wetter jegliche Anpflanzungen.
Die Pechserie ist unglaublich. Aktuell können sich viele der Investoren nicht einmal mehr auf der Homepage einloggen.
Interne Gesprächsaufzeichnungen, die dem KURIER vorliegen, deuten hingegen daraufhin, dass bis zu zehn Millionen Euro verschwunden sein könnten. Laut einem ehemaligen Mitarbeiter sind rund 100.000 Pflanzen verkauft, aber großteils niemals gesetzt worden. Von "Vorgängen wie bei Wirecard" ist die Rede - inklusive mangelndem Interesse bei den Behörden.
Jedenfalls ermittelt das Landeskriminalamt Klagenfurt aktuell wegen Betrugsverdachts - mit offiziell 125 Euro Schaden. Auf die Kärntner Justiz könnte in nächster Zeit aber noch einiges an Arbeit zukommen.
Bis dahin wird das kleine Geschäft von My First Plant an nobler Klagenfurter Adresse jedenfalls noch als Tourismus-Highlight vom Kärnten-Tourismus empfohlen. Weiterhin werden auch Pflanzen verkauft und vier Auszahlungen pro Jahr versprochen.
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