Experte: "Verpflichtende Wertekurse"

Experten kritisieren jedoch die Bezeichnung "Wertekurs"
Soziologe will zur Teilnahme motivieren, kann sich bei Verweigerung aber auch Sanktionen vorstellen.

Wie kann man Asylwerbern die Regeln für ein gelungenes Miteinander vermitteln? Für die Stadt Wien ist eine Verpflichtung zum Besuch von Wertekursen weiterhin "kein Thema". Forscher und Integrationsexperten sprechen sich jedoch zunehmend für eine vorgeschriebene Teilnahme aus. "Ich bin für eine Verpflichtung und dafür, das nicht dem Zufall zu überlassen", sagt etwa Integrationsexperte Kenan Güngör. Schließlich helfe das den Menschen auch, sich in Österreich zurecht zu finden.

Neue Herkunftsländer

Bisher stammten Zuwanderer in Wien vorwiegend aus Deutschland sowie Osteuropas: "Nun kommen viele aus der arabischen Welt, es gibt neue Herausforderungen." Langfristig müsse man sich mit mehreren Themen auseinandersetzen: etwa Gewalt in der Ehe, Chancengleichheit der Töchter, Bedeutung der Religion im Alltag.

Und wenn der Besuch der Kurse verweigert wird? "Man könnte mit motivierenden Aspekten arbeiten, seien es Gutscheine oder gar ein leichterer Zugang zur Staatsbürgerschaft", sagt der Soziologe Güngör. Würde jemand den Besuch beharrlich verweigern, seien auch Sanktionen denkbar.

Auch Lise Abid, die unter anderem zu Frauen und Frauenrechten im Islam forschte, sähe verpflichtende Kurse in erster Linie als Unterstützung: "Für die Menschen ist es eine Hilfe, wenn man sie informiert, was hier üblich ist." So könne man Missverständnisse aufklären: "Freilich haben manche Menschen nicht ganz zutreffende Vorstellungen vom Leben im Westen. Viele Filme liefern da verzerrte Bilder von der Realität", nennt sie ein Beispiel. Abid könnte sich Deutschkursen vorstellen, in denen auch soziale Kompetenz vermittelt wird: "Das wäre ein attraktives Angebot."

Beide kritisieren jedoch den Begriff Wertekurs: Güngör etwa schlägt die Bezeichnung "Lebens- und werteorientierte Deutschkurse" vor.

Die Stadt Wien jedoch lehnt eine Verpflichtung weiter ab. "Es gibt ohnehin ein hohes Interesse und eine große Neugier", heißt es aus dem Büro von Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ). Derzeit gibt es Info-Module zu verschiedenen Themen, auch zum Zusammenleben. Besagtes Modul fand im Jänner jedoch nur drei Mal statt.

Zusätzlich werde man zukünftig mit der sogenannten "Wiener Charta" – ein von Wienern entwickelter Leitfaden für das Zusammenleben – in die Asylwerberunterkünfte gehen und die Neuankömmlinge informieren. Dieses Projekt soll im Frühjahr starten, Details seien jedoch noch in Planung.

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