Es wird gestreikt: Zug fährt … nicht ab
Der Verhandlungszug ist abgefahren: Am Sonntag, 11.12 Uhr, gingen die Vertreter von Wirtschaftskammer und Gewerkschaft Vida ohne Einigung auseinander – dabei hat ihr Termin erst um 11 Uhr begonnen. Zuvor wurden die Samstagnachmittag begonnen Gespräche um Mitternacht unterbrochen. Fazit: Der angedrohte Streik wird Realität.
Ab Montag, Null Uhr, steht der Zugverkehr somit 24 Stunden lang still; bereits am Sonntagnachmittag wurden die Nachtzüge abgebremst. Zuletzt gab es einen Streik dieser Größenordnung im November 2003: Damals sogar 66 Stunden lang wegen des Protests der Eisenbahner gegen die Dienstrechtsreform der schwarz-blauen Bundesregierung.
Diesmal stellten geplatzte Kollektivvertragsverhandlungen die Weichen in Richtung Bahnstillstand. Woran eine Übereinkunft, die andere Gruppen von den Metallern über die Industrie bis zu den Sozialberufen in zähen Runden geschafft haben, scheiterte? Darin sind sich die Verhandler nicht einig oder vielmehr: Übereinstimmung herrschte nur in einem Punkt – schuld wäre die Unbeweglichkeit des jeweils anderen.
Wer bewegt sich (nicht)?
„Wir haben uns in jede Richtung bewegt“, konstatierte Thomas Scheiber am Sonntag, der für die Wirtschaftskammer und somit Arbeitgeberseite verhandelte. Konträr das Bild des Chefverhandlers der Gewerkschaft Vida, Gerhard Tauchner: „Die Verantwortung für diesen Warnstreik liegt ausschließlich bei der Wirtschaftskammer. Hätte sie sich bewegt und ernsthaft verhandelt, hätten wir schon lange einen Abschluss.“
Die Arbeitnehmer gingen mit 400 Euro monatlich mehr in die Verhandlungen, die Arbeitgeber mit 200 Euro plus einer Einmalzahlung von 1.000 Euro im Dezember. In der fünften Runde am Samstag bzw. sechsten am Sonntag stockte die Kammer den monatlichen Fixbetrag auf 208 Euro auf, das sei ein durchschnittliches Lohnplus von 8,44 Prozent, in den unteren Einkommensklassen bis zu 12,42 Prozent. „Aber acht Euro wenden keinen Warnstreik ab“, konstatierte Vida-Verhandler Tauchner.
50.000 Beschäftigte
Kammervertreter Thomas Scheiber konterte, man sei noch mit einem zusätzlichen Teuerungsbonus konfrontiert worden. „Waren die Forderungen bisher schon maßlos, dann ist diese Vorgehensweise unmittelbar vor einem Streik verantwortungslos.“ Ähnlich scharf reagierte ÖBB-Chef Andreas Matthä: „Mir fehlt jedes Verständnis für diesen Streik. Die Arbeitgeberseite hat mit 8,44 Prozent das höchste Angebot aller Branchen gestellt.“ Rund 50.000 Beschäftigte gibt es im Eisenbahner-Bereich.
Die Folgen für die Passagiere
Der Streik ist auf 24 Stunden befristet, einen neuen Termin für weitere Verhandlungen gab es am Sonntag noch nicht. Doch bereits ein Tag Stillstand hat gravierende Auswirkungen: An die 5.000 Zugverbindungen sind betroffen, insgesamt geht es abseits der ÖBB um rund 60 Bahnverkehrsbetriebe in ganz Österreich – das schließt auch die S-Bahn in Wien ein, eine für Pendler wichtige Verbindung, sie fährt nicht.
Das kommunale Verkehrsnetz in Wien ist dagegen nicht betroffen, z. B. fahren die U-Bahnen wie gewohnt. Auch der Postbus wird nicht bestreikt, seine Busse sind regulär unterwegs. Generellen Schienenersatzverkehr wird es aber keinen geben, dazu ist die Anzahl der betroffenen Zugverbindungen zu groß. solche Kapazitäten sind mit Bussen nicht zu bewältigen: Allein beim nur zweistündigen Warnstreik 2018 waren 100.000 Passagiere betroffen.
Schüler entschuldigt
Bereits bezahlte Zugtickets verfallen aber nicht, versichern die ÖBB: Sie bleiben bis inklusive 5. Dezember 2022 gültig, können aber auch storniert und das Geld somit rückerstattet werden. Die Kosten für Sitzplatzreservierungen werden rückerstattet. Auch die anderen Bahnbetriebe versichern „kulante Lösungen“.
Beschäftigte, die zu spät oder gar nicht zur Arbeit kommen, können laut Arbeiterkammer eine Dienstverhinderung melden, das müsse aber „unverzüglich passieren. Kinder und Jugendliche, die mit dem Zug zum Schulstandort fahren müssen, gelten als entschuldigt, so die Bildungsdirektionen der Länder.
Kommentare