Ertrinken: Beatmung das Wichtigste

epa03776933 With temperatures reaching 40 degrees Celsius youngsters play with a ball inside their swimming pool, Elvas, southern Portugal, 05 July 2013. EPA/NUNO VEIGA
Experten warnen: Kinder gehen lautlos unter, ständige Aufsicht notwendig

Water Watcher“ – „Wasserwächter“: So nennen Amerikaner einen Erwachsenen, der Kinder im und rund ums Wasser ständig beobachtet. Mit gutem Grund: Bei neun von zehn Ertrinkungsunfällen befindet sich ein Erwachsener im Umkreis von zehn Metern und bemerkt den Vorfall trotzdem nicht, heißt es beim Verein „Große schützen Kleine“ in Graz.

Durch den ,Vagus-Reflex‘ – umgangssprachlich als Totstellreflex bezeichnet – „hört man keinen Schrei, verlaufen die meisten Unfälle durch Ertrinken lautlos“, sagt der Notfallmediziner Univ.-Prof. Fritz Sterz, Klinik für Notfallmedizin der MedUni / AKH Wien. „Die Kinder wirken wie gelähmt und versinken wie ein Sack lautlos im Wasser – deshalb ist es unerlässlich, sie ständig im Auge zu behalten.“ Erst vergangenen Freitag hatte ein Fünfjähriger im Bezirk Korneuburg großes Glück: Er verlor beim Schnorcheln im Nichtschwimmerbecken das Bewusstsein, ein Bademeister konnte ihn wiederbeleben.

Sauerstoff in die Lunge

Ertrinkungsunfälle sind einer jener Bereiche, wo die Mund-zu-Mund-Beatmung in der Wiederbelebung noch eine entscheidende Rolle spielt – bei den Unter-Fünf-Jährigen ist sie die wichtigste Maßnahme überhaupt“, betont Sterz: „Denn Ertrinken ist nichts anderes als Ersticken und deshalb ist es so wichtig, Sauerstoff in die Lunge zu bringen.“ Kinder sollten „sachte, aber flott beatmet werden – kleinere Kinder unter fünf Jahren flotter als größere. Zusätzlich ist bei einem Herzstillstand auch eine Herzdruck-Massage notwendig. Er persönlich gebe keine speziellen Rhythmen für die Beatmung und die Herzmassage von Kindern an: „Das verunsichert Eltern, die dann fürchten, nicht das Richtige zu tun. Aber man kann nichts falsch machen, nur Nichtstun ist falsch“, betont Sterz.

Die Scheu, Erste Hilfe zu leisten, könnte ein fest im Lehrplan verankerter Erste-Hilfe Unterricht in allen Österreichischen Pflichtschulen abbauen, ist Sterz überzeugt. Mit seiner Initiative lebenretten.at setzen er und seine Kollegen sich seit Jahren dafür ein: „Studien in anderen Ländern haben klar gezeigt, dass man mit dieser einfachen Methode die Überlebenschancen von vielen Menschen mit Herz-Kreislauf- Stillstand wesentlich verbessern kann.“

www.lebenretten.at

ww.kfv.atwww.grosse-schuetzen-kleine.at

Ertrinken: Beatmung das Wichtigste
Grafik, Ertrinken

Ärzte würden eine Reanimation vielfach zu früh beenden und Richtlinien häufig nicht beachten, sagt der New Yorker Notfallmediziner Sam Parnia in einem Spiegel-Interview. Auch die Kühlung von Patienten werde oft nicht durchgeführt. – „Für Österreich gilt das nicht“, sagt Notfallmediziner Univ.-Prof. Fritz Sterz: „Im Gegenteil: Wir konnten am Wiener AKH als eine der ersten Notfallkliniken in Europa nachweisen, dass die Kühlung von Patienten nach einem Herzstillstand einen positiven Effekt auf die Gehirnfunktionen nach einer Wiederbelebung hat.“ Das Risiko schwerer neurologischer Schäden wird dadurch reduziert. „Heute kühlen in Österreich bereits an die 85 % der Intensivstationen. Die Wiener Rettung etwa kühlt die Patienten bereits während des Transports.“

Die Körpertemperatur wird dabei auf rund 33 Grad abgesenkt: Von außen mit kühlenden Matten, von innen durch gekühlte Infusionslösungen und den Einsatz spezieller Zentralvenenkatheter, in denen eine kalte Flüssigkeit zirkuliert.
Auch der Vorwurf, dass oft zu kurz reanimiert werde, stimme so nicht: „Die Empfehlungen lauten auf 20 bis 30 Minuten. Meistens macht man es ohnehin länger, wenn man noch einen Funken einer Chance sieht. Man muss aber schon auch die andere Seite sehen: Der Mensch hat auch ein Recht zu sterben.“

Nahtoderlebnisse

Die AKH-Notfallklinik ist an einer von Parnia geleiteten Studie beteiligt, in der Nahtoderlebnisse von reanimierten Patienten dokumentiert werden. Über einigen Betten hängen Bildschirme mit der Bildschirmseite Richtung Decke. Patienten behaupten immer wieder, dass sie in der Wiederbelebungsphase von oben herab das Geschehen beobachtet haben – in diesem Fall müssten sie auch sehen können, was auf den Bildschirmen zu sehen ist, so die Hypothese. Über die aktuelle Studie darf Sterz noch nichts erzählen: „In früheren Untersuchungen konnte aber kein Patient angeben, was diese Bildschirme zeigten.“

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