Energiekrise an den Unis: Distance Learning als "realistische Gefahr"
Es ist Oktober. Das heißt, dass an den heimischen Unis dieser Tage ein neues Studienjahr und somit auch ein neues Semester begonnen hat. Und obwohl das Wiedersehen zwischen den Studierenden, die Studenten-Partys und den Präsenz-Lehrveranstaltungen durchaus Grund zur Freude bieten würden, ist die Luft in den Unis dicker als gewohnt. Verantwortlich dafür ist seit zweieinhalb Jahren erstmals nicht das Coronavirus.
Die Energiekrise verlangt den Unis einiges ab. Vor allem einiges an Kosten: 1,2 Milliarden Euro Mehrbedarf haben die Hochschulen in diesem Jahr wegen der Energiepreise angemeldet.
175 Millionen für TU
Dieses Geld werde aber nicht etwa für Investitionen oder Neuanschaffungen benötigt, sondern um den regulären Betrieb aufrecht zu erhalten, sagt eine Sprecherin der Österreichischen Universitätenkonferenz (UNIKO). Ohne die finanzielle Unterstützung vonseiten des Bundes würden die Universitäten also nicht aus der Krise kommen, so die UNIKO.
Allein an der Technischen Universität Wien (TU) – die wegen ihrer energieintensiven Infrastrukturen und Geräte besonders stark betroffen ist – fehlen 175 Millionen Euro. "Für die TU Wien ist es unmöglich, innerhalb der kommenden 2 Jahre diese Summe einzusparen", schreibt die Universität in einer E-Mail an Studierende und Mitarbeiter.
19 Grad Celsius
Einsparungen werden an den Universitäten aber dennoch getroffen. Wie auch in anderen Universitäten hat man sich an der TU Wien dazu entschieden, die Heizperiode zu verkürzen und die Raumtemperatur auf 19 Grad Celsius abzusenken.
An der Universität Klagenfurt geht man den selben Weg. Noch dazu hat sich die Uni Klagenfurt dazu entschieden, der österreichweit einzigen Universitätsbibliothek, die auch nachts geöffnet war, eine "Nachtruhe" aufzuerlegen. Zwischen 22 und 6 Uhr wird die Bibliothek von nun an geschlossen sein. Und in den Stunden der Öffnung wird nur auf 19 Grad geheizt.
Stufenplan
Die meisten Unis allerdings arbeiten an einem Stufenplan, sagt Sara Velić vom Vorsitzteam der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH). Geheizt werde demnach zunächst auf 21 Grad. Im Laufe des Semesters soll dann auf 19 Grad umgestiegen werden, sollten sich die Kosten verschlimmern, sagt Velić.
An der Uni Innsbruck gibt es nun eine "Energie-Task-Force", die mit der Ausarbeitung von kurz- und mittelfristigen Strategien betraut wurde. Für mögliche Engpässe rüste man sich auch hier: Etwa mit der Definition von besonders kritischen Bereichen.
So wie die genannten anderen Universitäten ist das zentrale Credo auch in Innsbruck, die Temperatur auf 19 Grad zu senken. "Jedes Grad weniger an Raumtemperatur senkt den Heizwärmebedarf um ca. 5 bis 6 Prozent. Mit 19 Grad statt 23 Grad können so über 20 Prozent der Heizenergie eingespart werden", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme vonseiten der Uni Innsbruck.
Dass Studierende im Hörsaal erfrieren müssen, stehe aber nicht zur Debatte, heißt es.
Gespenst im Hörsaal
An einem Stufenplan arbeitet derzeit auch die Uni Wien. Wie genau der aussehen wird, wird derzeit aber noch nicht bekanntgegeben. Im Laufe des Oktobers würden die Studierenden informiert werden, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.
Das größte im Hörsaal schwebende Gespenst ist derzeit aber nicht die kühle Raumtemperatur, sondern das Distance Learning. Was in den letzten zweieinhalb Jahren kontinuierlich geübt wurde, könnte diesen Winter wieder für viele Studierende bittere Realität werden.
Krisenpläne
Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) hat die Verlagerung des Studienbetriebs ins Distance Learning als Sparmaßnahme ausgeschlossen.
Die Krisenpläne der Unis sähen das nicht vor, sagte er im Wissenschaftsausschuss des Nationalrats.
Realistische Gefahr
Dass diese Versprechung auch standhält, bezweifelt Sara Velić von der ÖH. "Ich denke schon, dass das eine realistische Gefahr ist." Laut der ÖH würden durch das Distance Learning die Kosten einfach nur auf die "Schwächsten der Gesellschaft" abgewälzt werden. Heizen müssten dann nicht mehr die Unis, sondern die Studenten ihr Zuhause.
Die Unis selbst bekennen sich derzeit zur Präsenz-Lehre. Wirklich ausschließen will das Distance Learning aber niemand. "Da alle tertiären Bildungseinrichtungen im Ernstfall nicht als kritische Infrastruktur bewertet sind und daher im Ernstfall nicht priorisiert werden, ist die erwähnte Taskforce gefordert, Pläne für den Notfall zu erarbeiten. Forschung und vor allem Lehre sollen jedenfalls bestmöglich aufrechterhalten werden, Einschränkungen sind hier nur als Ultima Ratio denkbar", heißt es etwa aus der Uni Innsbruck.
Budgetverhandlungen
Ähnlich sieht man das an der Uni Klagenfurt: "Wir setzen auf Präsenz. So lange es nicht außerhalb unseres Einflussbereichs liegende Faktoren gibt, die Präsenzunterricht unmöglich machen, werden wir den Präsenzbetrieb fortführen."
Die Möglichkeit auf Distance Learning zu Energiesparzwecken sieht auch die UNIKO. "Die Unis wollen nicht, dass die Studierenden Zuhause bleiben. Schlussendlich hängt das aber davon ab, wie groß der finanzielle Zuschuss wird", sagt eine Sprecherin.
Die Budgetverhandlungen mit dem Finanzminister sollen laut Bildungsminister Polaschek demnächst abgeschlossen sein. Dann wird sich zeigen, welche Maßnahmen notwendig sein werden.
Corona
Angesichts der derzeitigen Energiekrise rückt die Pandemie in den Hintergrund - so auch an den Unis. Fast überall ist das Tragen von Masken nur noch eine "dringende Empfehlung". Von Uniko-Präsidentin Sabine Seidler heißt es dazu: "Auch wenn in den kommenden Wochen die Zahlen wieder ansteigen dürften, sehen die Universitäten dem gelassen gegenüber: Wir haben aus den letzten Jahren genügend Erfahrungen gesammelt und sind für alle Eventualitäten gerüstet."
Sara Velić von der ÖH aber wünscht sich eine Rückkehr der Maskenpflicht und "dass die Pandemie generell wieder ernster genommen wird. Das kann aber nicht nur an den Hochschulen passieren."
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