Elga: Probegalopp mit virtuellen Patienten

Achtung, Symbolbild. Betroffen ist nicht ELGA, sondern das System in Lettland.
Eine Woche vor dem Start herrscht in den Pilot-Abteilungen Optimismus, aber auch Angst vor Mehrarbeit.

Nach jahrelangen Diskussionen, heftigem Widerstand der Ärztekammer und Verschiebungen ist es soweit: Am 9. Dezember startet die Elektronische Gesundheitsakte Elga, mit der Patientendaten besser als bisher vernetzt werden sollen. Vorsichtshalber aber nicht bundesweit, sondern erst einmal nur in ausgewählten Spitälern in der Steiermark und in Wien. Zunächst werden Entlassungsbriefe, Labor- und Röntgenbefunde eingespeist. Für die Patienten ändert sich in dieser frühen Phase noch nichts.

Die steirischen Spitäler sind ab nächster Woche beinahe vollständig im Elga-System: Sämtliche Landeskrankenhäuser der Krankenanstaltengesellschaft (KAGES) sind angeschlossen, immerhin 23 Standorte. Auch mit dabei sind die Elisabethinnen, das Krankenhaus Vorau und das neurologische Gesundheitszentrum Kapfenberg. Somit sind dann bereits 90 Prozent aller stationären und 93 Prozent aller ambulanten Patienten Elga-Fälle. Darüber hinaus machen auch die Geriatrischen Gesundheitszentren Graz samt vier Pflegeheimen mit.

Kosten

4,6 Millionen Euro kosteten Aufbau und Umstellung in der Steiermark, an der seit gut zwei Jahren gearbeitet wird. "Das System steht seit Monaten", berichtet Bernadette Matiz vom Gesundheitsfonds Steiermark. "Es wird seit Wochen getestet, wir haben aus den verschiedensten Ebenen Daten hin- und hergeschickt."

Elga: Probegalopp mit virtuellen Patienten
Dafür schickte der Fonds sogar Probepatienten los, virtuelle allerdings: Mit Hilfe von Test-Bürgerkarten wurden Aufnahmen und Behandlungen an verschiedenen Einrichtungen simuliert. "Einmal haben wir etwa ein Röntgen machen lassen, also war der Radiologiebefund nötig. Dann haben wir den Patienten weiter geschickt zur Blutabnahme", schildert Matiz. So wurde nicht nur die Verbindung der steirischen Spitäler untereinander überprüft, sondern auch jene mit den Wiener Anstalten.

Von den rund 7000 Mitarbeitern der KAGES wurden 15 Prozent direkt geschult, außerdem gab es 70 Informationsveranstaltungen, zählt Uni-Professor Werner Leodolter auf. "Es hat sehr, sehr viele Tests gegeben. Aber es ist für die Mitarbeiter nicht so wahnsinnig kompliziert geworden." Die EDV sei adaptiert worden, zusätzlich zum eigenen Spitalssystem sei jetzt eben noch ein weiterer Knopf dabei: "Elga is one mouse click away, heißt’s bei uns", beschreibt Leodolter.

Noch nicht eingebunden sind die niedergelassenen Ärzte, doch Mitte kommenden Jahres sollen sie zumindest die Berichte einsehen können. Auf die Mediziner und Apotheker in Deutschlandsberg kommt aber noch ein Pilotprojekt zu: Voraussichtlich ab Mai wird im Bezirk die e-Medikation getestet.

Dezenter Start in Wien

Elga: Probegalopp mit virtuellen Patienten
Baumgartner, KH Hitzing
Wesentlich vorsichtiger geht man es in Wien an. Hier startet Elga zunächst nur an fünf Abteilungen im Krankenhaus Hietzing. "Wir werden sehen, wie das in der Praxis läuft. Von der Struktur her sieht das System ganz vernünftig aus", ist Christoph Baumgartner(Bild), Leiter der 2. Neurologischen Abteilung, optimistisch. Er und seine 16 Kollegen auf der 72-Betten-Abteilung haben in den vergangenen Monaten mehrere Elga-Schulungen hinter sich gebracht. Eine Sorge, die immer wieder zu hören war: Ob Elga mit mehr Arbeitsaufwand verbunden sein wird? "Schließlich haben wir wegen der Arbeitszeit-Verkürzung eine dünne Personaldecke", sagt Baumgartner.

Er sieht ein mögliches zukünftiges Problem darin, dass bestimmte Diagnosen in Elga nicht aufscheinen, weil Patienten deren Eintragung ablehnen. Somit könnte auch dieses System lückenhaft sein und Ärzte, die auf die Daten zugreifen, in falscher Sicherheit wiegen. Grundsätzlich erwartet Baumgartner durch Elga aber eine enorme Verbesserung. Er erhofft sich nicht zuletzt eine Reduktion teurer Doppelbefundungen. In Sachen Datenschutz ist er zuversichtlich: "Ich denke, das System ist sicherheitsmäßig sehr gut eingebettet."

Ähnlich sieht das Wiens Patientenanwältin Sigrid Pilz, bei der die Elga-Ombudsstelle eingerichtet ist. Sie ist Anlaufstelle bei möglichen Datenschutz-Verletzungen. "Ich verspreche mir mehr Transparenz, weil der Patient Zugriff auf die eigenen Unterlagen hat und darüber autonom verfügen kann." Künftig werde es auch leichter werden, Verlegenheitsdiagnosen bei nicht erkannten Krankheiten aufzuspüren.

Schon vor dem Start müssen sich die Höchstrichter mit Elga auseinandersetzen. In der aktuellen Session (bis 11. Dezember) steht ein Antrag eines Arztes gegen das ELGA-Gesetz auf der Tagesordnung.

Der Innsbrucker Mediziner nimmt eine vom Bundesverwaltungsgericht verwehrte Abmeldung zum Aufhänger für eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Seine Abmeldung wurde nicht angenommen, weil das Gesetz dafür einen amtlichen Lichtbildausweis vorschreibt. Der Arzt hat aber bewusst dafür nicht seinen Reisepass verwendet, sondern nur die Kopie des Staatsbürgerschaftsnachweises beigelegt. Durch die Ausweispflicht sei die Abmeldung "unnötig erschwert", argumentiert der Arzt und äußert in Sachen Datenschutz oder Recht auf Privatsphäre auch Bedenken gegen das Elga-System an sich.

Bereits im Vorjahr war der Wiener Frauenarzt Alfred Pixner vor den VfGH gezogen, um das Elga-Gesetz wegen Datenschutz-Bedenken zu kippen. Die Klage wurde aus formalen Gründen zurückgewiesen, da sie zu wenig präzise war.

Jetzt startete der Arzt einen neuen Anlauf. Er will, dass das Gesetz dahingehend geändert wird, dass Patienten nicht automatisch bei Elga dabei sind, sondern sich von sich aus anmelden müssen.

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