Raus aus dem Gewand, runter zum See, rein ins Wasser. Die Füße tauchen zuerst ein, tapsen vorsichtig die Leiter nach unten. Vier Grad. Die erste Reaktion des Körpers ist ein Schockzustand. Ich spüre zwar, wie sich die Kälte unter meine Haut schiebt und überall verteilt, das Hirn realisiert aber noch nicht, wie eisig das wirklich ist. Wir nehmen einander an den Händen, am Ufer stehen die anderen und feuern uns an. Der Gruppendruck ist definitiv ein Treiber.
Alle stehen hüfttief im Wasser. Drei, zwei, eins, untertauchen. Sofort setzt die Schnappatmung ein, der Schmerz fühlt sich an wie tausend feine Nadelstiche.
Jetzt heißt es abrufen, was wir zuvor trainiert haben: Kontrolliert atmen, sich auf den Fluss der Luft durch die Lungenflügel zu konzentrieren. Die erste Minute ist vorbei, ich atme weiter. Das Gefühl, gerade mittendrin im Eisbad zu sein, und das Wissen, es durchhalten zu können, pushen mich. Immer weiter atmen.
„Zwei Minuten“, heißt es von draußen. Ich bewege mich langsam zur Leiter und steige aus dem Wasser. Die Glücksgefühle, die jetzt einschießen, sind unbezahlbar. Geschafft! Und das, obwohl Kälte an sich mein absoluter Endgegner ist.
Eisbaden erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Wer an Seen oder Flüssen unterwegs ist, sieht dieser Tage immer wieder mutige Menschen in Pudelmützen, die sich ins nur wenige Grad kalte Wasser wagen.
Daniel Fetz als Profi
Daniel Fetz bietet seit einigen Jahren Eisbade-Workshops in Oberösterreich an, das Interesse ist stetig steigend. Der amtierende Ü30-Weltmeister im Wakeboarden schwört auf das Gesamtpaket, sprich die vielen Vorteile für Körper und Geist (siehe Zusatzbericht unten.), die Wissenschaft gibt ihm recht.
Mehr als 30 Menschen haben sich an diesem Samstagvormittag zusammengefunden. Zuerst geht es um die Theorie der richtigen Atmung, dazu werden viele spannende Details zu physiologischen Vorgängen verständlich portioniert. Nach einer einstündigen Atemsitzung, in der wir lernen, unsere Atmung bewusst zu steuern, ist die Theorie zum Eisbaden an der Reihe.
Bittersüßer Schmerz
„Ich werde euch nicht anlügen, ihr werdet Schmerzen haben, aber es ist ein bittersüßer Schmerz“, lacht Daniel Fetz, der mehrmals pro Woche ins kalte Wasser steigt. Mit viel Witz und Wissen erklärt Fetz, von allen nur „Fetzy“ genannt“, was am See passieren wird, warum die Gruppendynamik entscheidend ist („Unterstützt einandern gegenseitig!“) und wie wir unsere soeben erworbenen Werkzeuge konkret einsetzen können. Einige von uns sind unsicher: Soll ich das wirklich machen?
Am Ende gehen alle ins Wasser, alle schaffen die zwei Minuten, einige bleiben vier Minuten im See. Nachgebibbert wird noch lange, mein Körper braucht Stunden, um sich wieder komplett zu erwärmen. Wie bei vielen Dingen zählt auch beim Eisbaden die Regelmäßigkeit. Kältekur als Alltagsroutine, das wär’s also.
Tipps für den Start
Vorbereitung
Die richtige Atmung (länger aus- als einatmen) ist entscheidend und damit der Körper vom Eisbad profitieren kann: Deswegen vorab informieren, sich einlesen und/oder einen Kurs belegen. Niemals ohne Vorbereitung ins kalte Wasser gehen.
Dauer
Mediziner raten, mit wenigen Sekunden zu beginnen. Zwei bis vier Minuten sind unbedenklich, ab dann wird es anstrengend für den Körper, ab zehn Minuten ist Eisbaden sogar lebensbedrohlich.
Nie alleine
Auch ein gesunder Mensch kann einen Krampf bekommen, kollabieren oder aus einem anderen Grund Hilfe benötigen: Deswegen immer nur in Gesellschaft Eisbaden, niemals Soloaktionen starten
"Positive Signale in Studien belegt"
Was spricht aus wissenschaftlicher Sicht für oder gegen das Eisbaden? Jörg Kellermair ist Kardiologe und Intensivmediziner am Linzer Keplerklinikum und somit Experte auf diesem Gebiet: „Es gibt mittlerweile eine Reihe an wissenschaftlichen Studien, die die positiven Signale des Eisbadens für alle Menschen, die kardiovaskulär gesund sind, belegen.“Kellermair zählt folgende Pluspunkte auf: „Es regt den Stoffwechsel an, hilft bei der Fettverbrennung, steigert die Konzentrations- und Merkfähigkeit, wirkt sich positiv auf die Haut aus. Ebenso ist belegt, dass die Muskelregeneration viel schneller funktioniert. Das ist auch der Grund, warum mittlerweile viele Spitzensportler das Eisbaden nach Wettkämpfen nutzen. Natürlich sind die Hormonausschüttungen nach so einem Erlebnis nicht zu vernachlässigen, man empfindet Glücksgefühle.“
Wer soll auf keinen Fall ins kalte Wasser hüpfen? „Menschen mit Durchblutungsstörungen und Erkrankungen der Herzkranzgefäße – die Mehrbelastung für das Herz wäre viel zu gefährlich. Und alle, die sonstige Probleme mit dem Herz oder dem Kreislauf haben, sollten sich unbedingt vorab einen ärztlichen Rat einholen“, sagt Experte Jörg Kellermair.
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