Einsam ist der Einsiedler von Saalfelden nicht

Eine traditionelle Kutte trägt er nicht, lieber Strohhut und Lederhose: Vor drei Monaten bezog Alois Penninger die alte Eremitage am Palfen hoch über Saalfelden im Salzburger Pinzgau. Er, der Niederbayer und frühere Landwirt, tauschte sein Leben gegen Kargheit ein. Es gibt kein Fließwasser, keine Stromversorgung, nur ein Solarpanel für das Notwendigste. Das Wasser steht in Kanistern auf halbem Weg zur Klause bereit: „Auf einer Art Milli-Bank“, lacht Penninger und erinnert sich an Milchlieferungen. Wanderer packen gerne an und schleppen ihm die nächsten Liter herauf. Oder sie bringen Geschenke mit: Von Speck bis Honig reichen die Spenden für „den Neuen am Palfen“. Nicht nur Touristen, auch Einheimische heißen ihn willkommen: „Es ist nicht nur Smalltalk, sondern wirklich ernst gemeint“, meint er. Er sei verwundert über so viel Aufmerksamkeit.
Kein Strom, kein Wasser: Der Alltag ist karg
„Es geht mir gut“, sagt Penninger über den kargen Alltag, der schon in aller Früh beginnt. Ofen einheizen – „vom alten Glockenturm ist noch viel Holz da“ – und Kaffeewasser warm machen: Dann kann der Tag starten. Eine Dusche im Regen ist für ihn keine große Überwindung mehr. Oder er macht am Weg in den Ort hinunter bei der Schiedsrichterkabine am Sportplatz Halt und duscht. Auch die Waschmaschine im Saalfeldener Pfarrhof kann er nutzen. Den Fußmarsch nimmt der neue Einsiedler gerne in Kauf. Und am Weg pflückt er oft Wiesenblumen, die er dann zu einem Strauß für die Georgs-Kapelle oberhalb der Klause.
Die Einsiedelei auf 1.000 Meter Seehöhe ist ein besonderer Ort mit bewegter Geschichte: Bereits im 17. Jahrhundert erhielt Thomas Pichler, ein Bauernsohn aus Embach, die Erlaubnis, sich niederzulassen. Er baute damals eine Höhle zur Kapelle aus.
Zum einfachen Leben gehören heute tiefsinnige Gespräche: Tagtäglich kommen Leute herauf, nehmen auf der großzügigen Terrasse Platz und erzählen aus ihrem Leben. Als Hüttenwirt will der 35. Einsiedler von Saalfelden nicht gesehen werden: Ausschank, wie es unter Vorgängern der Brauch war, bietet er nicht an. Wer durstig ist, bekommt von ihm aber ein Glas Wasser. Und die Kinder werden vom Einsiedler besonders verwöhnt: „Ich habe beim Putzen ein Schachterl mit Ketterl gefunden.“ Sie sind begehrt, genauso wie die Stempel für einen Besuch.

Reise zu sich selbst
„Die Kraft der Einsamkeit brauche ich hier nicht“, sagt Penninger, der das neue Kapitel in seinem Leben auch als Reise zu sich selbst sieht. Die ungewöhnliche Job-Anzeige in einer Regionalzeitung in seiner niederbayrischen Heimat sprach ihn gleich an. Es passte zu seinem Lebensmodell. Der Hof war schon an den Sohn übergeben, er selbst ein Suchender. Es ist eine Besinnung auf das Wesentliche, die in unserer Zeit immer mehr Befürworter findet. „Im Herbst meines Lebens möchte ich mich ausprobieren im Loslassen“, so der 63-Jährige über Beweggründe, in die Rolle des Eremiten zu schlüpfen. Die Tasche hatte er schnell gepackt und „eigentlich zu viel mitgenommen“.
Als Inspirationsquelle nimmt er gerne den Heimatschriftsteller Hans Carossa, der in einem Gedicht über das Pflügen der Lebensacker mit geraden und krummen Linien schreibt. Jetzt sieht sich Penninger selbst in der Vogelperspektive auf Lebenslinien. Der Text steht in seinem Gästebuch, das schon nach kurzer Zeit mit vielen herzlichen Kommentaren und Wünschen vollgeschrieben ist.
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